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Berliner CDU wittert "Wahl-Klau" – Forscher: "Da wird die Demokratie in Frage gestellt"


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Berliner CDU wittert "Wahl-Klau"
"Da wird die Demokratie in Frage gestellt"

  • Nils Heidemann
InterviewVon Nils Heidemann

Aktualisiert am 12.02.2023Lesedauer: 4 Min.
Bettina Jarasch (Grüne), Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD): Wer wir Berlins neuer Regierender Bürgermeister oder neue Regierende Bürgermeisterin?Vergrößern des Bildes
Bettina Jarasch (Grüne), Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD): Wer wir Berlins neuer Regierender Bürgermeister oder neue Regierende Bürgermeisterin? (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)
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Der Wahlkampf in Berlin läuft zum Ende heiß: Die Berliner CDU sorgte mit einer "Wahl-Klau"-Behauptung für Aufsehen. Ein Wahlforscher kritisiert das scharf.

In Berlin zeichnet sich vor der Wiederholungswahl am morgigen Sonntag den Umfragen zufolge ein Sieg der CDU ab. Doch obwohl die Christdemokraten vermeintlich stabil führen, ist es keineswegs sicher, ob ihnen auch der Einzug in das Rote Rathaus gelingt.

Denkbar ist etwa, dass die SPD als möglicher Zweitplatzierter die jetzige Koalition mit Rot-Grün-Rot weiterführt. Die "Bild" titelte unter der Woche, Rot-Grün bereite dies vor. Sie bezeichnete diesen Vorgang zunächst als "Wahl-Klau", änderte die Überschrift aber später wieder. Berlins CDU-Generalsekretär nahm den Begriff "Wahl-Klau" auf und verbreitete ihn weiter. Wahlkampf oder ernsthafte Beschwerden der Christdemokraten?

Im Interview hat t-online darüber mit dem Wahlforscher und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thorsten Faas gesprochen. Er übt Kritik an dem Ausdruck "Wahl-Klau" und spricht von einem emotionalen und polarisierenden Wahlkampf.

t-online: Die Bild titelte "Wahl-Klau", die CDU hat den Begriff übernommen. Ist dieser Begriff überhaupt berechtigt?

Thorsten Faas: In gewisser Weise ist er nachvollziehbar. Morgen ab 18 Uhr werden wir mit Blick auf das Wahlergebnis einen Kampf um die Deutungshoheit erleben. Aber wir leben in einem parlamentarischen System und am Ende braucht man eine Mehrheit. Und wenn die CDU die nicht zusammenbekommt, dann ist das kein "Wahl-Klau", sondern ein ganz normaler Vorgang. Das hat es schon häufiger gegeben. Daher ist der Begriff problematisch und auch aggressiv. Ich würde mir mehr Mäßigung wünschen, weil wir das Vertrauen in Wahlen nicht bewusst in Frage stellen und gefährden sollten.

In den vergangenen Tagen kamen Vergleiche zur Taktik von Donald Trump auf. Können Sie diese nachvollziehen?

In den USA und in Brasilien haben Bürger das Kongressgebäude gestürmt. Dort wurde der korrekte Ablauf von Wahlen und die Auszählung in Frage gestellt. Das ist nicht ohne Konsequenzen geblieben. Der Vergleich mag hinken, aber dass sich die CDU mit dem "Wahl-Klau" mit Redewendungen á la "Steal the vote" oder "Steal the election" von Trump in eine Reihe stellt, ist aus meiner Sicht sehr, sehr ungeschickt und unangemessen. Selbst, wenn es nur Zufall gewesen sein sollte. Wenn das Vertrauen in die korrekte Durchführung von Wahlen nicht da ist, ist das nicht gut für unsere Demokratie.

Meinen Sie, dass sich die CDU anschließend wirklich weiter darüber beschweren würde, wenn es tatsächlich Rot-Grün-Rot werden sollte?

Es gibt keine juristische Grundlage, auf der man den Anspruch auf das Rote Rathaus formulieren könnte. Es kann sein, dass wir diesen Begriff morgen Abend wieder hören werden. Insbesondere dann, wenn der Abstand zwischen CDU und dem Zweitplatzierten erstaunlich groß sein sollte. Die CDU wird erneut sagen, sie hätte einen Regierungsauftrag. Aber das ist bestenfalls politische Kultur. Es ist irrelevant, außer, dass es rhetorische Mittel für die CDU sind, um die eigene Position zu verbessern.

Sie sagten, Sie halten den Begriff "Wahl-Klau" für "aggressiv". Die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch, sagte gestern ebenfalls, der Wahlkampf sei "härter" und "aggressiver" als noch 2021 gewesen. Wie haben Sie den Wahlkampf wahrgenommen?

Es war ein sehr besonderer Wahlkampf, weil er unvorbereitet und mit wenig finanziellen Mitteln stattfand. Es wurden wenig Themen gesetzt und wenn doch, waren sie symbolisch aufgeladen. Bei einem Thema wie der Silvesternacht wird es sehr schnell emotional und polarisierend. Und dann geht es zur Sache. Es ging dieses Mal vielmehr um Personen und das Persönliche.

Braucht es sowas nicht auch im Wahlkampf?

Man muss bei Themen deutlich werden. Dazu braucht man auch Zuspitzungen. Aber es ist ein schmaler Grat zwischen inhaltlicher Auseinandersetzung und persönlichen Angriffen. Oder es geht sogar so weit, dass die Demokratie ein Stück weit in Frage gestellt wird. Das ist die Herausforderung in diesem Wahlkampf. Meiner Meinung nach ist dieser schmale Grat dieses Mal nicht immer gelungen.

Die CDU führt in den Umfragen aktuell, die SPD dahinter. Danach folgen dann die Grünen. Wie sollte man die Umfragewerte aktuell denn bewerten? Ist das eine Tendenz, auf die man sich verlassen kann?

Es ist sehr viel Bewegung drin. Vor vier bis fünf Wochen waren die Zahlen noch anders. Vielleicht schauen die Menschen auf die Umfragen und überlegen, wie sie darauf mit der eigenen Wahlentscheidung reagieren. Die Umfragen könnten also zu einer Neuorientierung führen. Dann hätten wir einen Wahlsonntag, an dem wir überrascht sind. Eine Unbekannte ist außerdem die Wahlbeteiligung. Da wissen wir nicht, wie die ausfallen wird und was für Konsequenzen sie für den Wahlausgang hat. Ich wäre bis morgen um 18 Uhr, vielleicht sogar etwas darüber hinaus, vorsichtig mit Prognosen.

Was denken Sie: Läuft morgen alles?

Ich hoffe es sehr und bin zuversichtlich. Im Vergleich zu 2021 sind die Umstände andere. Wir haben keinen Marathon, keine Bundestagswahl und keinen Volksentscheid. Und wir haben mehr Sensibilität dafür, dass es klappen muss.

Herr Fraas, vielen Dank für das Gespräch!

Die Freie Universität Berlin führt zur Wiederholungswahl eine Umfrage durch. An der Befragung können Sie hier teilnehmen.

Verwendete Quellen
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