t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalBerlin

Queerfeindlichkeit so hoch wie nie – trans Personen besonders betroffen


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Viele trans Personen betroffen
Queerfeindlichkeit so hoch wie nie – immer mehr Angriffe


31.03.2023Lesedauer: 4 Min.
Eine Person bei einer Demonstration (Archivbild): Laut dem "Berliner Register" sind die Vorfälle gegen queere Personen in der Hauptstadt auf dem Höchststand.Vergrößern des Bildes
Eine Person bei einer Demonstration für Rechte von trans Personen (Archivbild): Laut dem "Berliner Register" sind die Vorfälle gegen queere Personen in der Hauptstadt auf dem Höchststand. (Quelle: AAP/imago-images-bilder)
News folgen

Schläge, Schändungen und Beleidigungen: In der Hauptstadt nehmen Angriffe auf queere Menschen zu. Insbesondere Attacken auf trans Personen häufen sich.

Die Queerfeindlichkeit ist in Berlin auf dem Höchststand. Laut dem "Berliner Register" gab es in der Hauptstadt nie zuvor so viele homo- und transphobe Vorfälle wie im Jahr 2022. Die Zahl der LGBTIQ-feindlichen Vorfälle lag demnach bei 239, im Jahr 2021 waren es 199. Die Abkürzung LGBTIQ umfasst lesbische, schwule, bisexuelle, trans, inter und queere Menschen.

Die Beratungsstellen des "Berliner Registers" sind in allen zwölf Berliner Bezirken aktiv und erfassen neben LGBTIQ-feindlichen auch etwa rassistische, antisemitische oder behindertenfeindliche Vorfälle. Dabei werden – im Gegensatz zur polizeilichen Kriminalstatistik – nicht nur offizielle Straftaten, sondern Anfeindungen jeglicher Art dokumentiert.

Fokus auf Vorfälle mit trans Personen

Von den 239 LGBTIQ-feindlichen Vorfällen richteten sich nach Angaben des Registers 79 gegen queere Personen und 55 gegen schwule Männer. Darunter fallen körperliche Angriffe, Beleidigung und Bedrohungen, aber auch Aufkleber extrem rechter Organisationen oder Diskriminierungen. Den größten Zuwachs in der Statistik gab es aber bei den transfeindlichen Vorfällen (81). 2021 lag dieser Wert noch bei 41. Ein Blick auf Vorfälle aus den ersten knapp drei Wochen des Jahres 2023 ordnet das Problem ein:

  • 18. Januar 2023: Ein Unbekannter beleidigt eine trans Frau, schlägt sie und reißt ihr einen Ohrring heraus. Der Täter flieht.
  • 5. Januar 2023: Eine trans Frau wird in Neukölln von einem Unbekannten beschimpft. Als sich das Opfer entfernt, versucht ihr der Mann ins Gesicht zu spucken. Anschließend sprüht er ihr Pfefferspray ins Gesicht. Der Täter konnte fliehen.
  • 22. Dezember 2022: Das Grab von trans Frau Ella wird bereits zum vierten Mal geschändet. Sie übergoss sich am 14. September 2021 auf dem Alexanderplatz in Berlin-Mitte mit Benzin und zündete sich an. Ella starb im Krankenhaus, die Hilfe eines Kaufhausmitarbeiters kam zu spät.

Lea Lölhöffel vom "Berliner Register" kann den Zuwachs der Angriffe insbesondere auf trans Personen erklären. Es gebe immer noch Rechtsgrundlagen, die diese sexuelle Minderheit stigmatisierten, sagt sie im Gespräch mit t-online: "Kein Wunder, wenn der Staat diskriminiert, fühlen sich einzelne Hetzer ebenfalls dazu berufen."

Lölhöffel bezieht sich damit auf die in Deutschland geltenden Rechtsgrundlagen. Sie verweist auf das Transsexuellengesetz, das bestimmt, unter welchen Bedingungen trans Personen ihren Vornamen und die Geschlechtseintragung beim Amt ändern dürfen. Lölhöffel kritisiert, dass dieses Gesetz veraltet sei. Die offizielle Geschlechtseintragung werde dadurch verkompliziert und rufe laut Lölhöffel bei betroffenen Personen Unwohlsein hervor: "Für trans Personen ist es teils noch beschämend, den eigenen Pass bei den Behörden zu ändern", sagt sie.

Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht laut Lesben- und Schwulenverband erklärt, dass diese Vorschriften in Teilen gegen die Grundrechte dieser Personen verstoßen. Die Ampelkoalition kündigte bereits an, dieses Gesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz auszutauschen, sodass Namensänderungen in Zukunft deutlich vereinfacht werden sollen. Zuletzt kam es diesbezüglich zu einer Einigung: Mehr dazu lesen Sie hier.

Ein Grund zur Erleichterung? Zum Teil ja, sei laut "Berliner Register" aus der trans Community zu hören. Doch gleichzeitig werden die Änderungen nicht nur mit Freude, sondern auch mit Sorge gesehen. Es herrscht die Angst, dass diskriminierende Gesetze aufrechterhalten oder neue geschaffen werden könnten.

"Es muss einen Wandel geben"

Kati Becker, Koordinatorin der Berliner Registerstellen, begleitet den Prozess kritisch. Auch, weil trans Personen vor weitere Probleme gestellt werden: "Von der gesellschaftlichen Akzeptanz für homo- und bisexuelle Menschen profitieren trans und intergeschlechtliche Menschen aktuell noch nicht. Sie organisieren sich zunehmend, sind dadurch sichtbarer geworden, aber auch angreifbar". Laut dem "Berliner Register" habe dies zu reaktionären Gegenbewegungen in Form von transfeindlichen Debatten geführt. Trans werde dabei als unnatürlich oder "krank" dargestellt.

Es brauche daher eine öffentliche Unterstützung aller, "die den Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit in der diversen Gesellschaft falsch finden", so Becker. Lölhöffel fügt hinzu: "Es muss einen Wandel unter den Menschen geben". Sie wünscht sich, dass – neben diversen Anpassungen in der Politik – die Leute bei Angriffen oder Bedrohungen einschreiten. Das sei wichtig auch deshalb, weil die Dunkelziffer der Vorfälle wohl sehr hoch ist. Das zeigt das 2. Berliner Monitoring des Senats zu homo- und transphober Gewalt in Berlin aus dem Dezember.

Dunkelziffer wohl sehr hoch

Die Verantwortlichen kamen dabei auch mit trans Personen ins Gespräch. Demnach gaben nur 13 Prozent der Befragten, die von Vorfällen betroffenen waren, an, bei der Polizei Anzeige erstattet zu haben. Gleichzeitig sagten zwei Drittel dieser Personen, sie hätten in den letzten fünf Jahren Gewalt erfahren. Im Jahr 2021 war es mit 48,2 Prozent bereits fast die Hälfte aller Befragten.

Die Polizei bestätigt in diesem Kontext die Steigerung der trans- und homophoben Gewalt in Berlin mit offiziellen Zahlen. Im Jahr 2020 registrierte die Behörde 377, im Jahr 2021 sogar 456 LGBTIQ-feindliche Straftaten – ein Antrieb für die Berliner Register, ihre Arbeit fortzuführen. Für 2023 sind auf der Website bereits Dutzende neue LGBTIQ-feindliche Vorfälle, auch auf trans Personen, aufgeführt. "Da liegt schon noch viel Weg vor uns", sagt Lölhöffel.

Verwendete Quellen
  • berliner-register.de: Vorfalls-Chronik
  • Gespräch mit Lea Lölhöffel vom Berliner Register
  • 2. Berliner Monitoring "Trans- und homophobe Gewalt" (12/2022): Pressemitteilung vom 5. Dezember 2022
  • E-Mail-Kontakt mit Berliner Polizei
  • Twitter/Lichtenberger Register
  • Twitter/Register Mitte
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website