Verfassungsschutz verklagt Bekamen Berliner Moscheevereine Millionen aus Katar?
Zwei Berliner Moscheevereine sollen laut Recherchen Millionen Euro aus Katar bekommen haben. Beide Vereine hatte der Verfassungsschutz schon im Visier.
Beim Berliner Verfassungsschutz dürften die Alarmglocken geläutet haben. Ein Investigativteam der ARD-Politikmagazine "Kontraste" und "Report München" sowie der Wochenzeitung "Die Zeit" ist auf geleakte Daten gestoßen, die für die Verfassungsschützer von großem Interesse sein dürften.
Wie "tagesschau.de" meldete, handelt es sich dabei um Zahlungspläne sowie Bitt- und Dankschreiben, die zwischen den Vereinen und den Wohltätigkeitsorganisationen mit Sitz in Doha hin- und hergeschickt wurden. Eine der Wohltätigkeitsorganisationen ist die Qatar Charity, die von Mitgliedern der katarischen Herrscherfamilie kontrolliert wird. Nach Recherchen des Teams spendet sie weltweit Geld für karitative und religiöse Zwecke. In den Dokumenten finden sich auch Hinweise auf Spenden an Moscheevereine in Hamburg, Bielefeld, Bonn, Essen, Frankfurt/Main, Offenbach, Heidelberg, Ulm und München. Beweise dafür, dass das Geld auch tatsächlich floss, gibt es jedoch keine.
Der Imam der Dar-as-Salam-Moschee ist gut vernetzt in der Politik
Nach Erkenntnissen der Investigativreporter soll das meiste Geld an das Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung (IZDB) im Wedding gegangen sein – umgerechnet sechs Millionen Euro. Weder das IZDB noch Qatar Charity wollten das bestätigen. Anfragen seien unbeantwortet geblieben, heißt es bei "tagesschau.de".
Auch Imam Mohamed Taha Sabri von der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) wollte sich zu den Ergebnissen der Recherche nicht äußern. Er gehört zu den bedeutendsten muslimischen Persönlichkeiten der Hauptstadt. In seiner Moschee gehen seit Jahren international bekannte Hassprediger ein und aus. Nach außen hin distanziert sich der Imam von diesen Gästen. In Berlin pflegt er einen engen Austausch mit den Vertretern der anderen Religionsgemeinschaften. So traf er sich nach dem islamistischen Terroranschlag auf den Breitscheidplatz 2016 mit ihnen zu einer "Friedenskundgebung".
Der Imam ist aber auch gut vernetzt in der Berliner Landespolitik. Erst 2015 hatte ihn der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit dem Landesverdienstorden ausgezeichnet. Dabei hatte der Verfassungsschutz den umstrittenen Imam zu diesem Zeitpunkt noch beobachtet. Müller will davon nichts gewusst haben.
In einem öffentlich einsehbaren Video von Qatar Charity, das die Journalisten jetzt bei ihren Recherchen entdeckten, bedankt sich der Imam bei einem Besuch eines Vertreters der Wohltätigkeitsorganisation herzlich bei den Spendern mit den Worten: "Diese Moschee wurde im Jahr 2007 Gott sei Dank mit der Hilfe und der Übernahme des Großteils der Kosten durch Menschen aus Katar gekauft. Möge Gott ihnen für ihre Taten danken." Auf Anfrage des Investigativteams teilte eine Pressesprecherin der Moschee mit, man habe früheren Aussagen zur Finanzierung nichts hinzuzufügen.
Der Berliner Verfassungsschutz wurde verklagt
Gehören die Moschee und das IZDB zum Netzwerk der Muslimbruderschaft, einer islamistischen Organisation, die den demokratischen Rechtsstaat abschaffen will und weltweit operiert? Dafür hatte der Berliner Verfassungsschutz schon vor Jahren Anhaltspunkte. Von 2014 bis 2016 erwähnte er sowohl die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) als auch das IZDB in seinem Bericht. Nachdem die NBS erfolgreich dagegen geklagt hatte, dass sie dort erwähnt wurde, verschwand ihr Name aber aus dem Bericht — und auch der Name der IZDB. Dabei hatte das Gericht in seinem Urteil festgehalten: "Die Beobachtung des Vereins durch den Verfassungsschutz ist dadurch nicht ausgeschlossen."
Nach den Recherchen von ARD, BR und "Zeit" ist der Ball jetzt wieder bei den Sicherheitsbehörden gelandet. Denn die Journalisten fanden Anhaltspunkte dafür, dass es zumindest im Fall der IZDB eine ideologische Nähe zur Muslimbrüderschaft gibt. Als Beispiel wird der Sitz des Vereins im Wedding genannt.
Welche Rolle spielen die Muslimbrüder im Wedding?
Er hat seine Räume in einem mehrstöckigen Fabrikgebäude, das dem britischen European Trust gehört. Recherchen ergaben, dass er die Immobilie samt dem Grundstück 2012 für vier Millionen Euro gekauft hat. Nach einem britischen Parlamentsbericht und nach Einschätzung von deutschen Sicherheitsbehörden gehört der European Trust der Muslimbruderschaft an.
Das IZDB soll in den Räumen aber auch noch 2021 wichtige islamistische Religionsvertreter aus der ganzen Welt eingeladen haben. Und hier schließt sich der Kreis. Unter den Gästen soll auch Ali Al Qaradaghi aus Katar gewesen sein. Er ist der Generalsekretär der Union Muslimischer Gelehrter, einer globalen Organisation, die nach Einschätzung von Experten den Muslimbrüdern nahesteht.
Katars Außenminister weist die Vorwürfe zurück
Versucht Katar, die Muslime in Deutschland gegen den Rechtsstaat aufzuhetzen, indem seine Wohltätigkeitsorganisationen Moscheevereine mit finanzieller Unterstützung ideologisch aufrüsten? Kartars Außenminister, Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani hat das in einem Interview mit ARD, BR und "Zeit" bestritten: "Ich habe wirklich keine Ahnung von den Moscheen der Muslimbruderschaft in irgendeinem Land oder irgendeiner Stadt in Europa."
Mehr dazu um 21.45 Uhr bei "Kontraste" in der ARD. Die Dokumentation "Geld.Macht.Katar." finden Sie ab 16 Uhr in der ARD Mediathek. Hören Sie außerdem den Podcast "Geld.Macht.Katar." in der ARD-Audiothek.
- tagesschau.de: "Millionen für deutsche Moscheevereine?"
- tagesspiegel.de: "Umstrittener Moscheeverein in Neukölln. Verfassungsschutz muss Bericht überarbeiten"