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Brutaler Axt-Mord in Berlin-Lichtenberg: Das sagen die Nachbarn im Plattenbau


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Axtmord in Lichtenberger Platte
Frau in Todespanik: Aber die Nachbarn öffneten ihr nicht die Tür


Aktualisiert am 07.09.2022Lesedauer: 5 Min.
Stand plötzlich vor seiner zersplitterten Wohnungstür: Ümit Celik.Vergrößern des Bildes
Stand plötzlich vor seiner zersplitterten Wohnungstür: Ümit Celik. (Quelle: Antje Hildbrandt)
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Einen Tag nach dem Axt-Mord an einer 27-Jährigen stehen die Nachbarn unter Schock. In dem Haus gehört Gewalt zum Alltag. t-online war vor Ort.

Die Wohnungstür von Ümit Celik ist zersplittert. Handwerker haben sie am Montagmorgen gegen eine neue ausgetauscht, sie lehnt im Flur an der Wand. Doch Ümit Celik kann das nicht beruhigen. Er steht noch immer unter Schock.

Er sagt, er habe seinen Augen nicht getraut, als er am Sonntag gegen 10 Uhr von seiner Schicht als Barmann zurückkam und den langen Flur in der 9. Etage des Plattenbaus in der Löwenberger Straße 2/4 hinunterlief. Blut, überall Blut.

Eine Spur der Verwüstung zieht sich noch immer durch den linken Flügel, dort, wo Celik seit 2012 lebt. Tür an Tür mit Menschen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Chance hätten, eine Bleibe zu finden. Das Blut war an Wände und Wohnungstüren gespritzt. Seine Tür war nicht die einzige, in der ein großes Loch klaffte – hineingeschlagen mit der Axt. Er habe nicht glauben wollen, was er da sah, sagt Celik: "Ich dachte, hier ist der 3. Weltkrieg ausgebrochen."

Schreie hallten durchs ganze Haus

Was passiert war, hat er inzwischen aus den Nachrichten erfahren. Ein 23-jähriger Mann soll eine 27-jährige Frau aus der Ukraine in einer Wohnung in der 9. Etage mit einer Axt erschlagen haben. Die Schreie der Frau waren vorher schon durchs ganze Haus gehallt. Auf der Flucht vor dem Mann soll sie gegen die Türen der Nachbarn gehämmert haben.

"Der hat die mit der Axt über den Flur gejagt und dabei auf alles eingeschlagen, was ihm in den Weg kam", sagt Marta, eine polnische Produktdesignerin, die drei Etagen tiefer wohnt. Sie hatte gerade eine Freundin weggebracht, als gegen 7.40 Uhr ihr Handy vibrierte. Eine Bekannte aus der 9. Etage, die von dem Lärm wach geworden war, schrieb ihr eine WhatsApp-Nachricht. "Hier rennt ein Irrer mit einer Axt herum."

Der Täter soll Probleme mit Drogen gehabt haben

Als Marta zurückkam, war die Polizei schon da. Es soll einen Warnschuss gegeben haben. Offenbar hatte der Mann die Ukrainerin zurück in die Wohnung gejagt. Die Beamten sollen den Mann angeschrien haben, er solle die Waffe niederlegen, sagt Marta. Den Rest kennt auch sie nur aus den Nachrichten: Der mutmaßliche Täter habe nicht aufgehört, blindwütig mit der Axt auf die auf dem Boden liegende Frau einzuschlagen. Zwei Beamten hätten ihn am Ende erschossen.

Marta holt ihr Handy heraus. Sie hat viele Fotos gemacht an diesem Tag. Zwei Stunden, nachdem die Polizei gekommen war, platzte ein Rohr. Man sieht Flure, die voller Wasser stehen und Tapete, die von den Wänden kommt. Ob der Mann auf seiner Jagd auf die Frau auch Leitungen beschädigt hat, darüber wird jetzt im Haus gerätselt. Merkwürdig nur: Der Schaden soll in der 10. Etage entstanden sein. Danach fiel auch noch der Strom aus.

Marta scrollt weiter durch ihre Fotos. Eines zeigt den Balkon der Wohnung, in der die Frau auf bestialische Weise getötet wurde. Ein Fenster hängt schief in der Angel. Eine Scheibe ging zu Bruch. Marta sagt, der Mann sei zuvor nur einige Male im Haus gesehen worden. Es sei ein Albaner aus dem Kosovo. Die "Bild" schreibt, er habe Probleme mit Alkohol und Drogen gehabt.

Marta habe den Mann dabei ertappt, wie er betrunken in den Fahrstuhl gepinkelt habe

In welcher Beziehung Täter und Opfer zueinander standen, wird jetzt von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Auch was sie in der Wohnung zu suchen hatten, soll geklärt werden. Auf dem Klingelschild" steht ein "deutscher Name. Marta sagt, der Mieter sei ein alter Mann, der dafür bekannt sei, alkoholabhängig zu sein. Einmal habe sie ihn dabei ertappt, wie er betrunken in den Fahrstuhl gepinkelt habe. Sie rümpft die Nase.

Im Haus erzählt man sich, der Mann habe die Wohnung hinter dem Rücken der Hausverwaltung an eine obdachlose Ukrainerin untervermietet. Der Albaner soll in sie verliebt gewesen sein und ihr schon einige Male nachgestellt haben. "Die Frau wollte aber nichts von ihm wissen", sagt Marta. Der "Bild" liegt angeblich eine Audio-Datei vor, die die Jagd auf die Frau auf dem Flur dokumentiert. Danach soll der mutmaßliche Täter geschrien haben: "Du wirst heute sterben. Ich ficke deine Schwester. Heut ist es so weit."

Die Nachbarn sind schockiert

Wer die Ukrainerin ist, seit wann sie schon in der Platte wohnt und was sie gemacht hat, die Frage kann oder will keiner im Haus beantworten. Von den Nachbarn in der 9. Etage macht kaum einer auf, wenn man klingelt. Nur eine Frau öffnet kurz die Tür, schlägt sie dann aber schnell wieder zu und schiebt eine Kette vor die Tür. "Die Leute sind total geschockt", sagt Marta.

Erst der grausame Tod der Ukrainerin. Dann die Schüsse auf den Täter. Und dann der Rohrbruch, der das ganze Haus unter Wasser setzte. Der Stromausfall. Marta sagt: "Ich verstehe nicht, warum die Bewohner nicht alle evakuiert werden." Am Montagvormittag sind zwar Handwerker im Haus unterwegs. Aber es gibt immer noch keinen Strom. Marta hat schon den ganzen Tag versucht, jemanden von der Hausverwaltung zu erreichen. Aber die Service-Hotline ist nicht besetzt.

Die Hausverwaltung reagiert nicht auf Beschwerden

Das Gebäude mit 360 Wohnungen gehört zur Adler-Group. Auf der Homepage des Unternehmens heißt es, mit 27.500 Wohnungen sei es eines der "führenden Wohnungsunternehmen Deutschlands." Es entwickelt Vorzeige-Projekte wie den VAI-Campus auf dem Gelände des ehemaligen IBM-Headquarter in Stuttgart.

Eine Anfrage von t-online an die Pressestelle bleibt unbeantwortet. Die Mieter wundert das nicht. Klagen über die Hausverwaltung sind nicht neu. Marta sagt, von zwei Aufzügen sei einer schon lange kaputt. 360 Mieter müssten sich einen teilen. Auch die Eingangstüren ließen sich nicht mehr schließen.

Die Folge: Jede Nacht richteten sich Obdachlose auf den Etagen häuslich ein. Und einige verrichteten ihr Geschäft mitten auf den Fluren oder im Aufzug. Beschwerden darüber verhallten in der Regel ungehört. Marta sagt, sie zahle 500 Euro für ihre 25-Quadratmeter große Wohnung. Viel zu viel, findet sie. Und was jetzt passiert sei, sei ein absoluter Albtraum.

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"Ich glaube, ich muss hier weg"

"Ist das wirklich mitten in Deutschland passiert?", fragt Francesca, eine Italienerin aus der 9. Etage, die jetzt zum Aufzug geht. Auch sie hat die Hilfeschreie am Sonntagmorgen gehört. Und auch sie hat nicht die Polizei alarmiert. Francesca sagt, jetzt quäle sie ihr schlechtes Gewissen. "Ich fühle mich wie ein Stück Scheiße." Aber Schlägereien gehörten in diesem Haus zum Alltag. Und auch Schreie erschreckten hier niemanden mehr.

Dass aber eine Frau mit einer Axt erschlagen wurde, das hätte sie sich nie vorstellen können, sagt Francesca mit Blick auf die Blutspritzer an den Türen. Es übersteigt auch jetzt noch ihre Fantasie. Sie sagt: "Ich glaube, ich muss hier weg."

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
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