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Zum journalistischen Leitbild von t-online.RBB-Affäre Dieser umstrittene Anwalt vertritt Patricia Schlesinger
Die Ex-RBB-Intendantin Schlesinger hat sich einen Anwalt genommen, der auch die AfD vertreten hat und Sprecher der rechten Werteunion war. Wer ist der Mann?
Die Vorwürfe gegen die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger haben ein juristisches Nachspiel, die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt. Schlesinger lässt sich in der Affäre nicht nur von einem Strafrechtler vertreten, sondern hat sich auch einen Anwalt für Presserecht genommen. Man habe "erst heute für Schlesinger einen BILD-Quatschbericht abgemahnt", schrieb der Medienanwalt Ralf Höcker am Dienstag auf Twitter.
Schlesingers Entscheidung, sich von Höcker vertreten zu lassen, schlägt einige Wellen. Der RBB-Medienjournalist Jörg Wagner etwa bezeichnete die Nachricht als "Höhepunkt des unwürdigen Abgangs der ehemaligen Intendantin". Die "Bild" bezeichnet Höckers nach ihm benannte Kanzlei als "halbseiden". Aber warum ist Höcker so umstritten?
Der 51-Jährige gehört auf seinem Gebiet zu den bekanntesten Juristen Deutschlands. Er und seine Kanzlei hatten schon einige prominente Mandanten wie etwa den ehemaligen Fußballstar Günter Netzer, Papst Benedikt XVI., Kardinal Woelki, Jörg Kachelmann oder Heidi Klum. Von 2009 bis 2011 trat er gemeinsam mit Moderatorin Andrea Kiewel in der RTL-Sendung "Einspruch! Die Show der Rechtsirrtümer" auf.
Schlesinger-Anwalt vertrat auch Erdoğan und die AfD
Auch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat Höcker mehrmals in Deutschland vertreten. Und die AfD, etwa im Verfahren gegen den Bundesverfassungsschutz. Dieses Verfahren hatte auch zur Folge, dass Höcker die Zusammenarbeit mit einer weiteren umstrittenen Person beendete: Wegen eines möglichen Interessenskonflikts verließ der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Anfang 2021 Höckers Kanzlei, für die er bis dahin gearbeitet hatte.
Auf einer von der AfD veranstalteten Konferenz im Bundestag, bei der auch prominente Vertreter der Neuen Rechten wie Götz Kubitschek und Ellen Kositza geladen waren, hielt Höcker 2019 einen Vortrag mit dem Titel: "Journalistische Ethik und Sorgfalt in Zeiten von Fake News: Wie man presserechtlich und journalistisch sauber arbeitet".
Auf kritische Nachfragen zu seiner Mandantenauswahl betont Höcker stets, dass er für jeden arbeiten würde, unabhängig von der politischen Gesinnung. Die Mehrzahl der politischen Mandate seien für andere Parteien. "Ich habe bei meiner Arbeit keine politische Agenda", sagte Höcker kürzlich in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung".
Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Selbst äußert Höcker sich aber häufig politisch. Bis zu seinem Rücktritt 2020 tat er das etwa als Sprecher der Werteunion, eigenen Angaben zufolge eine "konservative Basisbewegung" in der CDU/CSU, die vor allem für eine restriktive Migrationspolitik eintritt. In der Union ist diese Gruppierung höchst umstritten. Der CDU-Arbeitnehmerflügel bezeichnete sie als "AfD-Hilfstruppe" und forderte die Auflösung, CDU-Politiker Elmar Brok nannte die Werteunion ein "Krebsgeschwür".
Im Zusammenhang mit dem Schlesinger-Mandat ist besonders interessant, dass Höcker immer wieder als scharfer Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auftritt. Bei Twitter etwa bezeichnete er die Rundfunkgebühren als "Zwangsgebühren" oder schrieb über den WDR, dass in der Redaktion "eh alle links" seien. In seine Amtszeit als Werteunion-Sprecher fiel auch eine Pressemitteilung, in der die Halbierung der Rundfunkgebühren und vom Bundesschatzmeister der Gruppe die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks "in seiner jetzigen Form" gefordert wurde. Im Februar 2020 trat Höcker als Pressesprecher zurück und aus der Werteunion aus.
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In weiteren Tweets schrieb Höcker, die ehemalige Familienministerin Anne Spiegel wirke "dümmlich" und "stammelt wie eine von Mutti beim Rauchen ertappte 14-jährige". Ein Selfie von Klimaaktivistin Luisa Neubauer bezeichnete er als "verblödete Dekadenz".
"Jeder hat das Recht, Journalisten zu drohen"
Für RBB-Journalist Wagner gibt es aber einen anderen Grund, warum ihn Schlesingers Anwaltswahl so empört. 2012 schrieb Höcker in einer Kolumne: "Jeder hat das grundgesetzlich verbriefte Recht, Journalisten zu beeinflussen und ihnen zu drohen!" Damals war ein CSU-Sprecher zurückgetreten, nachdem er versucht hatte, per Anruf Einfluss auf die Berichterstattung des ZDF zu nehmen.
Warum Schlesinger sich dafür entschieden hat, sich von Höcker vertreten zu lassen, ist bisher nicht bekannt. Eine Anfrage dazu, die t-online Schlesinger über ihren Anwalt Höcker zukommen ließ, blieb in diesem Punkt unbeantwortet.
Höcker selbst äußerte sich auf Anfrage wie folgt: "Wie es sich im Rechtsstaat gehört, vertrete ich jeden und mache mich nie mit Mandanten gemein." Und weiter: "Ich bin Atheist und berate höchste kirchliche Würdenträger. Ich vertrete Tierschützer genauso wie Pelzfarmer. Frau Schlesinger bedauert, dass ich ihre nach wie vor sehr positive Sicht auf den ÖRR nicht uneingeschränkt teile, vertraut aber darauf, dass ich sie dennoch gewissenhaft vertrete."
- rbb24.de: "Ein unwürdiger Abgang"
- deutschlandfunk.de: "Rechtssuche, wo rechts ist"
- twitter.com: Tweet von Hans-Georg Maassen
- twitter.com: Tweets von Ralf Höcker
- vocer.org: "Journalisten-Bedrohung ist okay!"
- merkur.de: "'Krebsgeschwür' der CDU? Das steckt hinter der umstrittenen Werteunion"
- correctiv.org: "Wie die AfD rechte Blogger und Identitäre in den Bundestag einlud"
- nzz.ch: "Aktivisten der Cancel Culture operieren oft mit einem totalen Vernichtungswillen"
- Schriftliche Anfrage an Ralf Höcker