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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Gosch"-Chef im Gespräch Sylt: "Das sind alles wilde Hengste"
Der rote "Gosch"-Hummer ist eine Ikone, nicht nur auf Sylt. Hier erzählt Jürgen Gosch von seinem neuen Restaurant – und was alles auf der Insel schiefläuft.
Er ist der "König der Hummer": Jürgen Gosch, Gründer und Chef der kultigen Sylter Gastronomie-Kette "Gosch". Stilecht mit Kochjacke, Seemannsmütze und Plüsch-Hummer in der Hemdtasche kümmert sich der 81-Jährige noch immer persönlich um das Geschäft, ist jeden Tag in seinem Restaurant am Lister Hafen auf Sylt.
"Denn man will ja schließlich alles in der Hand haben", erklärt der Unternehmer. Und das hat er, seit 55 Jahren. Wie ein Admiral auf seinem Flaggschiff wirkt Jürgen Gosch. Der Unternehmer spricht mit Angestellten und Gästen, löst die vielen kleinen Probleme, die eine so große Restaurantkette mit sich bringt. Und diese Kette soll noch weiter wachsen.
Denn Jürgen Gosch eröffnet bald ein weiteres Restaurant auf Sylt. Und das soll es in sich haben. Nichts mit rustikalem Hafenflair, edel soll es werden. Ein richtiges Nobelrestaurant eben. Eventlocation für Hochzeiten, exklusive Dinner. Das Innendekor wirkt erlesen und modern, ein frei stehender Kamin beherrscht den Raum. "Wir brauchen einfach was, wo wir die Kunden verwöhnen können", so Gosch.
Besonders gut gefällt ihm allerdings die, wie er sagt, wunderschöne Aussicht. Durch die Panoramafenster kann man auf der einen Seite bis nach Norwegen blicken, auf der anderen sieht man den "Ellenbogen" genannten Wurmfortsatz der Insel. Name des neuen Nobelrestaurants: "Jünne". Eine Hommage an Goschs Mutter, wie er sagt. "Wir haben früher nur Plattdeutsch gesprochen, meine Mutter nannte mich von Geburt an nur Jünne, nicht Jürgen."
Noch wird an der Treppe, die zum Restaurant führt, gebaut. Die große Eröffnung ist für Mitte September geplant. Dennoch finden in dem Restaurant schon private Feiern statt. Hochzeiten, Geburtstage, 80 bis 100 Gäste. Teuer war er, der Neubau. Wie teuer genau, will Jürgen Gosch nicht verraten. "Frag nicht nach dem Preis", sagt er und winkt ab.
Sylt: "Wir brauchen dringend Wohnungen"
Es läuft wohl gut für Jürgen Gosch. Nichtsdestotrotz hat der Unternehmer mit Problemen auf der Insel zu kämpfen: "Es ist schwierig, gutes Personal zu finden. Da sind wir aber eigentlich gut aufgestellt. Nur verheiratete Leute kriegen wir hier nicht rüber. Wenn der Mann sagt, er will nach Sylt, hat die Frau Angst um ihn, und natürlich genauso umgekehrt." Der Job in dem Fischrestaurant ziehe eher Junggesellen und Berufsanfänger an, die noch lernen wollen. "Die sind mal auf Mallorca, mal auf Sylt. Das sind alles wilde Hengste. Und die muss man gut im Griff haben." Lücken in der Personaldecke gebe es trotzdem immer wieder.
Doch selbst wenn die richtigen Leute gefunden sind, gibt es noch eine letzte Hürde: "Wir brauchen dringend Wohnungen. Früher haben wir zwei, drei Leute in einer Wohnung untergebracht. Das ist vorbei. Jeder will einzeln wohnen und das geht auch nicht anders. Dadurch braucht man mehr Wohnraum. Und wenn man den nicht hat, hat jeder Probleme hier auf Sylt."
Viele der Wohnungen auf der Insel werden als Ferienwohnungen vermietet, stehen also Touristen zur Verfügung, nicht den neuen Wahl-Syltern. Das Personal komme aus ganz Deutschland auf die Nordsee-Insel. "Wir können nur Fisch, wir sind Fischleute. Viele wollen das lernen, da sind sie richtig bei uns."
Ein weiteres Problem für den Gastronomen: "Wohnungsnot, nur Mietwohnungen." Und Arbeitsmoral: "Als ich angefangen habe, haben wir 60, 70 Stunden in der Woche gearbeitet. Jetzt sind es 30, 35. Deshalb braucht man das Doppelte an Personal. Früher standen wir 12-13 Stunden im Restaurant, das will heute keiner mehr. Ich höre täglich: 'Mir ist übel, ich will nach Hause, ich habe etwas vor, mein Arzt hat mir verboten, so viel zu arbeiten.' Ich lasse sie machen, wir brauchen die Leute. Sie wollen lieber Freiheit statt mehr Geld. Das muss man verstehen. Ich habe aber trotzdem ein paar Leute, die gerne länger arbeiten. Das sind die Stützen in der Firma."
"Gosch" auf Sylt: Handys versauen die Arbeitsmoral
Schuld an der schlechteren Arbeitsmoral: Für den Unternehmer sind es die Mobiltelefone. "Früher hatten die Mitarbeiter keine Handys und waren in der Firma isoliert. Inzwischen verabreden die sich schon mittags. Wenn man dann fragt, ob sie zwei Stunden länger können, haben sie immer schon was vor. Ständig sehen sie, wo die nächste Party ist, wo sie lieber hinwollen als zu arbeiten", so der Unternehmer. "Das macht uns ein bisschen kaputt."
Davon lässt sich der 81-Jährige aber nicht abhalten, seinen lange gehegten Traum zu verwirklichen. "Der eine gönnt sich acht Autos und streichelt sie jeden Morgen, ich gönne mir eben ein Edelrestaurant." Leistungsdruck habe der Unternehmer indes nicht bei dem neuen Laden. "Wenn es läuft, dann läuft es, wenn nicht, mache ich eben wieder zu." Auch sind schon weitere Neubauten in Planung, was genau, bleibt allerdings ein Geheimnis. Als er das erzählt, lacht Jürgen Gosch kurz: "Ich baue einfach zu gerne."
- Interview mit Jürgen Gosch