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Aachen: Der Fall des Hooligans Jens B.


Ex-Hooligan, Ex-Neonazi, Ex-Zuhälter
Der Fall des Jens B. – Darum dauern die Ermittlungen Jahre

Von t-online
12.09.2024Lesedauer: 3 Min.
imago images 1044353809Vergrößern des Bildes
Platzsturm der Alemannia-Fans (Symbolbild): Mehr als fünf Jahre ist die Tat her, die Jens B. zugeschrieben wird. (Quelle: IMAGO/K. Hoeft)

Jens B. wird vorgeworfen, 2019 einen Ordner bei einem Alemannia-Spiel stranguliert zu haben. Erst jetzt gibt es einen Prozess – wegen Landfriedensbruchs. Warum?

Der Fall um Jens B. – einem ehemaligen Hooligan von Alemannia Aachen – zieht sich seit Jahren hin. Im Zentrum steht ein Vorfall aus dem Jahr 2019: Nach dem 3:1-Sieg der Alemannia gegen Fortuna Köln im Mittelrheinpokal-Finale stürmten Hunderte Alemannia-Fans den Platz im Bonner Nordpark. Dabei wurde ein Ordner von einem der Fans bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Die Staatsanwaltschaft Aachen nimmt an, dass Jens B. aus Herzogenrath bei Aachen der Täter ist.

25. Mai 2019: Der Vorfall in der Fankurve

Nach dem 3:1 gegen Fortuna Köln stürmen Hunderte Alemannia-Fans den Platz im Bonner Nordpark. Ein Ordner wird mit seinem eigenen Leibchen von einem der Fans bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, um sich Zugang zum Spielfeld zu verschaffen, so vermutet es die Staatsanwaltschaft.

Jens B., zu diesem Zeitpunkt 33 Jahre alt, soll sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten haben und gerät aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit in den Verdacht, den Ordner gewürgt zu haben. Das berichtet die "Aachener Zeitung" am 19. April 2023.

5. Juli 2019: Die Anklage lautet "versuchter Mord"

Für Oberstaatsanwältin Jutta Breuer war Jens B. nämlich kein Unbekannter. Mitte der 2000er-Jahre fiel Jens B. immer wieder als Neonazi auf. Er bewegte sich zwischen Hooligans, Rockerbanden und Türstehern. 2018 war Jens B. zu einer Größe im Aachener Nachtleben aufgestiegen. Zu diesem Zeitpunkt machte er junge Frauen verliebt und zwang sie in die Prostitution. Dafür wurde er verurteilt: zu drei Jahren und neun Monaten Haft – wegen Zuhälterei, Menschenhandel, Erpressung.

Diese Vergangenheit und das Vorstrafenregister war einer der Gründe, aus dem sich die Staatsanwaltschaft schnell auf Jens B. als Täter beim Bonner Platzsturm festgelegt hatte. Die Anklage lautete: versuchter Mord.

Die mögliche Haftstrafe dafür: lebenslänglich – die Haftstrafe für gefährliche Körperverletzung hingegen hätte für Jens B. maximal zehn Jahre bedeutet. Der Haftbefehl wird am 8. Juli vom Amtsgericht Aachen erlassen. Am 9. Juli wird Jens B. vor seiner Wohnung in Herzogenrath festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht.

30. Oktober 2019: Oberlandesgericht Köln hebt Haftbefehl auf

Nur dreieinhalb Monate später hat das Oberlandesgericht Köln den Haftbefehl gegen Jens B. in letzter Instanz allerdings wieder aufgehoben. Der Grund: Die Beweislage der Staatsanwaltschaft Aachen wird als unzureichend betrachtet. Die Richter am OLG sehen keinen dringenden Tatverdacht für versuchten Mord.

Es wird festgestellt, dass andere Alemannia-Fans ebenfalls als mögliche Täter infrage kommen könnten, da die Beweise, insbesondere die Bildaufnahmen und Zeugenaussagen, keinen eindeutigen Rückschluss auf Jens B. zulassen.

Die Schwurgerichtskammer des Aachener Landgerichts schließt sich an. Laut Beschluss des Richters ließen die ausgewerteten Foto- und Videoaufnahmen nicht die Schlussfolgerung zu, dass Jens B. den Ordner gewürgt habe. Das berichtet die "Aachener Zeitung" am 31. August 2023. Doch Oberstaatsanwältin Breuer führt das Ermittlungsverfahren jahrelang weiter. Der Anwalt von Jens B. macht ihr immer wieder den Vorwurf der fehlenden Objektivität.

2020–2021: Jens B. führt ein unauffälliges Leben

Jens B. heiratet, wird Vater und nimmt eine Arbeit in der Firma seines Bruders auf. Währenddessen sind die Ermittlungen gegen ihn weitgehend inaktiv. Das berichtet die "Aachener Zeitung" am 19. April 2023.

Er stellt sich zudem darauf ein, im Laufe des Jahres 2021 seine restliche Haftstrafe wegen Zuhälterei antreten zu müssen. Familienvater Jens B. hofft auf einen offenen Vollzug in Euskirchen, doch er wird letztlich in die JVA Hagen geschickt, berichtet die "Aachener Zeitung". Offener Vollzug ist hier nicht möglich.

Juli 2022: Jens B. wird auf Bewährung entlassen

Jens B. wird nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Haftstrafe in Hagen auf Bewährung entlassen. Fast gleichzeitig nehmen Jutta Breuer und die Aachener Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Vorfalls beim Mittelrheinpokal-Finale 2019 wieder auf und bereiten erneut eine Anklage wegen versuchten Mordes vor, so heißt es in dem Artikel der "Aachener Zeitung" vom 19. April 2023.

April 2023: Zum zweiten Mal scheitert die Anklage

Die Staatsanwaltschaft erhebt am 19. April Anklage gegen Jens B. wegen versuchten Mordes. Doch die vorgelegten Beweise reichen erneut nicht aus, um die Anklage in diesem Punkt zuzulassen.

September 2024: Einziger Vorwurf Landfriedensbruch

Stattdessen wird der Fall jetzt wegen Landfriedensbruchs vor Gericht verhandelt – nach mehr als fünf Jahren. Landfriedensbruch sei das Einzige, was Jens B. bisher nachzuweisen sei, berichtet die "Aachener Zeitung" am 9. September. Der bevorstehende Prozess ist trotz geringfügiger Straftat auf vier Verhandlungstage angesetzt. Normalerweise dauere ein Prozess wegen Landfriedensbruchs nur wenige Stunden.

Zunächst sollte die Verhandlung am 5. September beginnen, dann wurde sie auf den 11. September verschoben. Jetzt ist der Termin erneut verschoben worden. Der neue Termin wurde allerdings bisher nicht bekannt gegeben. Fest steht bisher nur: Das endgültige Urteil für Jens B. wird sich weiterhin verzögern.

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