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Aachen: So schlecht sind die Zustände in der JVA


Untersuchen zu Folter
So schlecht sind die Zustände in der JVA Aachen

Von t-online, kk

10.09.2024Lesedauer: 3 Min.
JVAVergrößern des BildesEin Vollzugsbeamter in einer JVA (Archivbild): Die Prüfstelle übt scharfe Kritik. (Quelle: Ronald Wittek/Archiv/dpa)

Im Jahresbericht zur "Verhütung von Folter" wird unter anderem die JVA Aachen scharf kritisiert. Das NRW-Justizministerium zeige sich derweil beratungsresistent.

Haftstrafen werden oft hinter verschlossenen Türen und fernab der öffentlichen Wahrnehmung verbüßt. Doch was passiert wirklich in deutschen Gefängnissen, Psychiatrien und Polizeizellen?

Der Jahresbericht 2023 der "Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter" blickt hinter die Mauern der Anstalten und prüft, wo Menschenrechte verletzt, Gefangene unwürdig behandelt und dringend notwendige Standards missachtet werden. 66 Einrichtungen wurden im vergangenen Jahr unter die Lupe genommen.

Das sind die Zustände in der JVA Aachen

17 davon waren Justizvollzugsanstalten. Am 25. August wurde auch die JVA Aachen inspiziert. Im Rahmen der Besuche hat die Stelle festgestellt, dass mit identischen Problemen bundesweit sehr unterschiedlich umgegangen wird.

In dem Bericht über die Zustände in den JVAs vermerken die Experten grundsätzlich positiv, dass bundesweit immer mehr Kameras mit einer Verpixelung des Toilettenbereichs im besonders gesicherten Haftraum ausgestattet seien. Und dass in einigen JVAs sogar gänzlich auf Kameraüberwachung verzichtet werde. Doch diese positive Entwicklung gilt nicht für die JVA Aachen, oder irgendeine andere JVA in NRW.

Der Toilettenbereich wird kameraüberwacht

Hier wird laut Bericht der Toilettenbereich weiterhin völlig unverpixelt auf den Überwachungsmonitoren dargestellt. Eine Verpixelung des Toilettenbereichs in den besonders gesicherten Hafträumen werde vom Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen entschieden abgelehnt – aus Aspekten der Sicherheit.

In dem Bericht heißt es: "Dies ist vor dem Hintergrund des bundesweiten Vergleichs – insbesondere gemäß den Erfahrungen der Einrichtungen, in denen die Empfehlungen der Nationalen Stelle umgesetzt wurden –, nicht nachvollziehbar."

Kopfunterlage und Decke fehlen

In besonders gesicherten Hafträumen sei laut Bericht zudem darauf zu achten, dass die Ausstattung der Räume die Menschenwürde nicht beeinträchtigt. Deswegen sollten sie grundsätzlich mit einer Matratze, einer Decke und einer Kopfunterlage ausgestattet sein.

In Bezug auf die JVA Aachen teilte das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen lediglich mit, dass die Beschaffung von Kopfunterlagen in den Anstalten Aachen und Dortmund geprüft werde.

Fesselung per Handschellen aus Metall

Die Verwendung von metallenen Fesseln, so heißt es in dem Bericht weiter, berge für die Gefangenen ein hohes Verletzungsrisiko. Um das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu schützen, empfiehlt die Stelle sogenannte Fixiergürtel aus Textil.

Doch das Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen lehne das Verwenden von Fixiergürteln in der JVA Aachen und allen anderen JVAs in NRW ab. Die Begründung: Das Anlegen von Textilfesseln sei deutlich aufwendiger als das der Fesseln aus Metall.

Werden Fixierungen verfassungsrechtlich durchgeführt?

Im Großteil der JVAs in Deutschland werden Fixierungen als "bewegungsfreiheitsentziehende Maßnahme" durchgeführt. Fixierungen dürfen aber eigentlich nur dann durchgeführt werden, wenn die verfassungsrechtlichen Anforderungen gewährleistet werden können.

Die erste Anforderung: eine ständige Eins-zu-eins-Betreuung der fixierten Person durch Pflege-Personal. Die zweite Anforderung: Für eine nicht nur kurzfristige Fixierung ist eine richterliche Entscheidung erforderlich.

Die dritte Anforderung: Die Maßnahme soll mit der fixierten Person nachbesprochen werden können. Zudem soll der Gefangene nach Beendigung der Maßnahme auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass er die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen lassen könne.

Mindestanforderungen gelten nicht für NRW

Allerdings wurde der "Nationalen Stelle" auch im Jahr 2023 vom Justizministerium in NRW mitgeteilt, dass eine ständige Eins-zu-eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal im Justizvollzug nicht gewährleistet werden könne. Das jeweilige Landesrecht Nordrhein-Westfalens stehe nicht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen.

Im Bericht heißt es dazu: "Wenn die Mindestanforderungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Justizvollzug nicht umsetzbar sind, dürfen Fixierungen dort nicht durchgeführt werden."

Schutz der Privats- und Intimsphäre

Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung und Inaugenscheinnahme des Schambereichs verbunden sind, stellen nach dem Bundesverfassungsgericht einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Sie dürfen nicht routinemäßig und unabhängig von fallbezogenen Verdachtsgründen, durchgeführt werden.

Laut Bericht ist sicherzustellen, dass eine Durchsuchung, die mit einer Entkleidung und Inaugenscheinnahme des Schambereichs einhergeht, jeweils aus einer Entscheidung im Einzelfall hervorgeht. Die Bediensteten seien hierfür zu sensibilisieren. Ist eine vollständige Entkleidung erforderlich, solle eine die Intimsphäre schonende Praxis der Entkleidung, z.B. in zwei Phasen, stattfinden, bei der jeweils eine Körperhälfte bekleidet bleibe.

Durchsuchung bei vollständiger Entkleidung

In nahezu allen besuchten JVAs wurde der "Nationalen Stelle "berichtet, dass sämtliche neu aufgenommenen Personen unter vollständiger Entkleidung durchsucht würden – so auch in der JVA Aachen. Eine solche körperliche Durchsuchung mit Entkleidung finde ebenfalls nach Kontakten mit Besucherinnen und Besuchern statt.

Das NRW-Justizministerium betont trotz der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die unbedingte Notwendigkeit einer Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung aller neu aufgenommenen Gefangenen. Das Ministerium lehnt die Vorgehensweise der Halbentkleidung aus Sicherheitsgründen explizit ab.

Im Jahresbericht heißt es dazu: "Von einem gestiegenen Sicherheitsrisiko berichtete keine der Einrichtungen, in denen Durchsuchungen mit Entkleidung in zwei Phasen durchgeführt werden."

Verwendete Quellen
  • nationale-stelle.de: Jahresbericht 2023
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