Corona-Pandemie Stiko rät zu Impfauffrischung für viele Menschen
Berlin (dpa) - Die Ständige Impfkommission (Stiko) erweitert ihre Empfehlungen für Corona-Auffrischimpfungen in der Pandemie stark. Der Rat zu einer weiteren Impfung richtet sich an alle Senioren ab 70, Pflegepersonal und medizinisches Personal.
Zudem sollten Menschen, die den Impfstoff von Johnson & Johnson bekommen hatten, demnach eine zweite Impfung erhalten. Die Empfehlungen gehen nun für eine Stellungnahme in Fachgremien und an die Bundesländer, so dass es noch Änderungen geben kann. Bisher gab es eine Empfehlung für eine Auffrischimpfung allein für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Was bedeutet das für die betroffenen Gruppen?
Was Auffrischung heißt
Bei einem sogenannten Booster erhalten vollständig geimpfte Menschen eine weitere Dosis eines zugelassenen Impfstoffs gegen Covid-19. Die Stiko empfiehlt hier ein mRNA-Vakzin unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor gespritzt wurde. Im besten Fall ist es dasselbe, das bereits zur Grundimmunisierung verwendet wurde, also zum Beispiel Impfstoffe der Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna. Jeder Booster stärkt das Immunsystem generell nochmals gegen Sars-CoV-2.
Die Senioren ab 70
Im höheren Alter falle die Immunantwort nach Impfungen insgesamt geringer aus und Impfdurchbrüche könnten häufiger auch zu einem schweren Verlauf führen, heißt es in der Begründung der Stiko. Die Altersgrenze 70 ist dabei nicht in Stein gemeißelt. In Pflegeeinrichtungen könne eine Auffrischimpfung wegen eines erhöhten Ausbruchsrisikos auch Senioren unter 70 Jahren gespritzt werden. Für Senioren in Deutschland sind Booster nicht neu. Denn bereits seit Anfang September gibt es die politische Freigabe für ältere Senioren. Bisher haben rund 921 000 Menschen ihren Impfschutz auf diese Weise erneuert. Aufgefrischt wird in der Regel nach rund sechs Monaten.
Mit Johnson & Johnson Geimpfte
Generell schützten die Covid-19-Impfstoffe in Deutschland effektiv und anhaltend vor schweren Verläufen und Tod, betont die Stiko. Beim Hersteller Johnson & Johnson und seinem Vakzin namens Janssen ist dabei nur eine Dosis vorgesehen, während bei allen anderen zugelassenen Impfstoffen zwei Spritzen mit Zeitabstand nötig sind.
Man sehe einen deutlich höheren Anteil von Durchbruchinfektionen bei den Jüngeren, die nur einmal damit geimpft worden seien, sagte Stiko-Leiter Thomas Mertens am Mittwoch in Berlin. Jüngere hätten den Einmalimpfstoff teils gewählt, um schnell einen ausreichenden Schutz für die Ferien zu haben. Zudem nutzten ihn häufig mobile Impfteams, um schwer erreichbare Gruppen wie Wohnungslose zu immunisieren.
Die Wirksamkeit gegen die hierzulande nun vollständig dominierende Delta-Variante sei im Unterschied zu den anderen Corona-Impfstoffen aber vergleichsweise gering, schränkt die Stiko ein - sie spricht letztlich von ungenügendem Impfschutz. Zur Optimierung des Impfschutzes empfiehlt die Stiko nun die Gabe eines mRNA-Impfstoffs ab vier Wochen nach der Einmalimpfung. In Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) mit Stand Donnerstag sind bislang mehr als 3,2 Millionen Impfungen mit Johnson & Johnson verzeichnet.
Das Pflegepersonal
Das größte Ansteckungsrisiko in Pflegeeinrichtungen kommt oft von außen: über Personal und auch Besucher. Für beide Gruppen gibt es neben Impfangeboten auch aktuelle Testmöglichkeiten. Der neue Rat zur Auffrischimpfung gilt nun speziell für das Pflegepersonal in ambulanten und stationären Einrichtungen für Ältere und andere Covid-Risikogruppen. Für Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, ist dieser Ratschlag allerdings "meilenweit von der Realität entfernt". Oftmals sei bisher, wie eine Studie aus Niedersachsen belege, erst rund die Hälfte des Pflegepersonals überhaupt gegen Covid-19 geimpft, sagte Brysch am Donnerstag. Er wünsche sich weitaus größeren Zuspruch zum Schutz der Bewohner und auch des Personals.
Das medizinische Personal
Hier sieht die Grundimmunisierung gegen Covid-19 - etwa laut einer RKI-Befragung zu Krankenhauspersonal in Deutschland - deutlich besser aus: Demnach waren im Sommer nur noch fünf Prozent nicht geimpft. Das kann auch daran liegen, dass viele Ärzte, Ärztinnen und das Pflegepersonal in Kliniken das Leiden von Corona-Patienten unmittelbar miterleben und sich auch selbst schützen wollen. Medizinischem Personal mit direktem Patientenkontakt empfiehlt die Stiko nun auch einen Booster.
Für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach sind die Stiko-Ratschläge richtig und sinnvoll. "Mit dieser Strategie lassen sich zahlreiche Durchbruchinfektionen im Winter vermeiden, auch die Inzidenz wird gesenkt", twitterte er am Donnerstag. Generell sind die Auffrischimpfungen in reichen Ländern nicht unumstritten, etwa weil in ärmeren Ländern viele Menschen noch nicht einmal mit einer ersten Dosis Schutz vor dem Virus haben.