Kopfschmerz-Report der TK Neue Migräne-Medikamente oft nicht zielgerichtet eingesetzt
Berlin (dpa) - Spezielle Antikörper-Medikamente gegen Migräne werden laut Techniker Krankenkasse (TK) immer häufiger, aber nicht immer bedarfsgerecht eingesetzt.
Die neuen, vergleichsweise teuren Mittel hätten nur dann einen Zusatznutzen, wenn keine der sechs verfügbaren Vortherapien wirke, heißt es von der TK, die ihren Kopfschmerz-Report vorstellte.
Die TK verweist dabei auf eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. "Wir sehen in unseren Daten jedoch, dass diese neuen Medikamente nicht immer zielgerichtet eingesetzt werden und die Patienten deutlich weniger Vortherapien erhalten haben", sagte der Vorstandsvorsitzende Jens Baas. Der Auswertung zufolge hatten knapp 52 Prozent der Versicherten, die die sogenannten CGRP-Antikörper verordnet bekamen, gar keine Vortherapie erhalten, weitere 25 Prozent nur eine. Baas sieht Handlungs- und Aufklärungsbedarf. Der erste CGRP-Antikörper kam im November 2018 auf den Markt.
Die Antikörper in den Medikamenten wirken gegen den Botenstoff CPRG, ein Eiweißmolekül, das bei einem Migräneanfall verstärkt ausgeschüttet wird - oder gegen dessen Rezeptoren an den Gefäßwänden. Ein möglicher Migräneanfall kann durch die Antikörper verhindert werden. Laut Hartmut Göbel, Facharzt für Neurologie und Spezielle Schmerztherapie an der Schmerzklinik Kiel, verschwindet die Migräne aber auch damit nicht vollständig: "Die Behandlungen helfen, einen Teil der Attacken zu reduzieren." Im Durchschnitt sei die neue Therapieform nicht wirksamer als bisherige Verfahren. Wichtig sei auch ein gesunder Lebensstil.
Zu den möglichen Vortherapien zählen unter anderem Behandlungen mit Betablockern, mit Topiramat (Wirkstoff gegen Epilepsie und Migräne) oder auch mit Carbonsäure oder Botox (bei chronischer Migräne).
"Die CGRP-Antikörper sind für Patienten mit monatlich mindestens vier Migränetagen gedacht, die auf bisherige zugelassene Medikamente zur Prophylaxe nicht ansprechen, sie nicht vertragen oder aufgrund anderer Krankheiten nicht einnehmen können", betont Göbel.
Nach Berechnungen der TK bekamen gesetzlich Versicherte im Januar 2019 rund 200.000 Tagesdosen dieser Medikamente verschrieben, im Oktober 2019 waren es mit etwas mehr als 500.000 Tagesdosen mehr als doppelt so viele. Auch die monatlichen Kosten sind stetig gestiegen und lagen demnach im Oktober 2019 hochgerechnet auf die gesamte gesetzliche Krankenversicherung bei etwa 9,4 Millionen Euro.
Bei der Behandlung der Migräne seien Medikamente nur ein Baustein der Therapie, heißt es in dem Bericht der TK. Auch regelmäßiger ausreichender Schlaf, Stressabbau, Entspannungsübungen, Bewegung, Vermeidung von Umweltreizen wie Lärm oder grellem Licht sowie der Verzicht auf Nahrungsmittel, die Migräne auslösen können, gehörten zum Behandlungskonzept.
Der TK-Auswertung zufolge leiden sieben Prozent der Frauen und rund zwei Prozent der Männer unter Migräne. Bei diesen Zahlen handelt es sich um ärztlich dokumentierte Diagnosen und damit in der Regel um besonders schwere Fälle.