Wer flattert wo? Deutschlands Welt der Falter erstmals in einem Atlas
Leipzig/Berlin (dpa) - Wer in Deutschland einen Feuer- oder Apollofalter sehen will, muss unter Umständen weit reisen: Beide Schmetterlinge kommen nur noch in einzelnen Gebieten vor.
Das geht aus einem neuartigen Verbreitungsatlas der Schmetterlingswelt Deutschlands hervor, den Forscher in jahrelanger Arbeit erstellt haben. Bislang habe es systematische Daten zur räumlichen und zeitlichen Verbreitung von Schmetterlingen nur auf regionaler Ebene gegeben.
"Die Karten zeigen aber auch sehr deutlich, wo welche Arten im Laufe des 20. Jahrhunderts verschwunden sind", erklärt Schmetterlingsexperte Josef Settele vom UFZ. Das sei vor allem für den Naturschutz interessant. So werde man bei der Erstellung künftiger Roter Listen auf diese Informationen zurückgreifen.
Der Blauschillernde Feuerfalter zum Beispiel sei ein Verlierer des Klimawandels - größere Vorkommen gebe es nur noch in der Eifel und im Westerwald sowie im Voralpenraum. Als Feuchtgebietsbewohner verliere er durch Entwässerung und Aufforstung seinen Lebensraum. Falls Schutzmaßnahmen nicht greifen sollten, habe Deutschland in vermutlich nicht allzu ferner Zukunft eine Falterart weniger.
Auch der Apollofalter mit seinen schwarzen und roten Flecken an den Flügeln habe bereits viele Lebensräume in den sonnigen, blütenreichen Felslandschaften verloren. Er kommt nur noch in vereinzelten Gebieten in Bayern, Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg vor. Der 2008 aus der Schweiz eingewanderte Karst-Weißling breitet sich unterdessen immer mehr aus. Ihn beschreiben die Forscher als wärmeliebend.
Sehr gute Chancen haben Falter-Beobachter demnach auch beim Schwalbenschwanz. Bis auf einige Lücken im Norden und Nordwesten flattert er bundesweit durch zahlreiche offene Landschaften und lässt sich immer wieder auch in Gärten sehen.
Überhaupt, die Gärten: Dem Gelbwürfeligen Dickkopffalter etwa hilft es, wenn auch altes Gras stehen bleibt, erklären die Forscher. Monotone Landschaften machen ihm dagegen das Leben schwer. Noch sei der Falter im Süden und der Mitte Deutschlands aber gut verbreitet.
Der Atlas ist ein echtes Mammutwerk: "Als wir vor etwa zehn Jahren die Idee und das Konzept für den Atlas entwickelten, war nicht abzusehen, welchen materiellen, technischen, personellen und administrativen Aufwand es zu bewältigen galt", sagt Erst-Autor Rolf Reinhardt aus Mittweida in Sachsen als Vertreter der Entomofaunistischen Gesellschaft.
Nur dank der meist ehrenamtlichen Mitarbeit zahlreicher Falter-Enthusiasten aus ganz Deutschland habe man das Projekt überhaupt realisieren können. Die insgesamt etwa sechs Millionen Datensätze kommen von Landesämtern, Behörden, Vereinen, Museen, Arbeitsgemeinschaften, wissenschaftlichen Projekten oder Privatleuten.
Das nach Ansicht der Forscher bislang einzige mit dem neuen Buch vergleichbare Werk stammte noch aus den 1980er Jahren und beschränkte sich auf die DDR. Ansonsten war die Falter-Welt nur für einzelne Bundesländer oder Regionen genau erfasst worden.
Beteiligt an dem Projekt waren unter anderem Forscher aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Der Verbreitungsatlas bietet detaillierte Karten und Informationen zu über 208 Schmetterlingsarten - 184 Tagfalter und 24 Widderchen. Letztere sind fast alle tagsüber aktiv, gehören aber zu den Nachtfaltern.