Talk-Kritik Klimaleugner sorgt für Krawall bei "Maischberger"
Können die Deutschen aus ihrer Pflicht entlassen werden, gegen den Klimawandel anzukämpfen? Und was hat die Wissenschaft heute eigentlich noch für einen Wert? Eine lehrreiche Diskussion bei Sandra Maischberger brachte eine Erkenntnis: Am Ende geht es um die Zeit.
Die Gäste
- Jörg Kachelmann, Meteorologe
- Dorothee Bär, CSU-Staatssekretärin
- Bärbel Höhn, Bündnis90/Die Grünen
- Hans Joachim Schellnhuber, Physiker
- Alex Reichmuth, Journalist
Das Thema
Xavier in Deutschland, mehrere Hurrikans in Mittel- und Nordamerika, dazu Klimaleugner Donald Trump und die Frage: Was kann oder soll Deutschland tun im Kampf gegen den Klimawandel?
Tiefpunkt des Abends
Die Szene erinnerte an den US-Senator James Inhofe, der im vergangenen Jahr einen Schneeball in eine Anhörung zum Klimawandel mitbrachte, um zu beweisen, dass der Klimawandel ein Schwindel ist. Es klingt absurd, aber nicht weniger absurd war es, dass der Journalist Alex Reichmuth den Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber unterbrach, als dieser einen Prozess der Eisschmelze wissenschaftlich erklären wollte. Reichmuth, ein Journalist der rechtskonservativen Schweizer "Weltwoche", wusste es angeblich besser und wollte nicht hinhören. Er hätte ja was lernen können.
Es war der Beweis für das immer weiter verbreitete Phänomen – nicht nur in Sachen Umwelt – Wissenschaftler als Lügner darzustellen und Fakten sowie Studien mittels Verschwörungstheorien zu diffarmieren. Barack Obama hatte dies am Inhofe-Beispiel im vergangenen Jahr humorig beschrieben: "Stell dir vor, du gehst zu hundert verschiedenen Ärzten und 99 von ihnen sagen dir: 'Du hast Diabetes, du musst aufhören jeden Tag Speck und Donuts zu essen.' Du würdest doch nicht sagen: 'Das ist eine Verschwörung. Die 99 Ärzte erfinden das doch nur, die haben sich mit Obama abgesprochen, um mir Speck und Donuts zu verbieten.' Niemand würde das machen. Das Problem: Hier geht es um den Klimawandel."
Die Fronten
Dieser kurze Ausschnitt macht aber auch klar, worum es am Mittwoch zunächst ging: um jene Verschwörungstheorien, die Menschen wie Reichmuth verbreiten und denen Maischberger viel zu viel Platz einräumte. Für den Schweizer, der sich selbst als Klimaleugner bezeichnet, seien die Berechnungen der vielen tausend Wissenschaftler "getürkt" und, weil "unter Laborbedingungen erzeugt", nicht in der Natur zu belegen. Vor allem das Argument, dass die Menschen auch die nächsten Generationen im Blick haben müssten, würde "ein flaues Gefühl" der Täuschung und Manipulation bei ihm hinterlassen.
Derweil versuchte er selbst fröhlich zu manipulieren, war sich sogar nicht zu schade, die wissenschaftlichen Studien der Klimaforscher mit den Weltuntergangs-Prognosen der Zeugen von Jehova zu vergleichen, von denen er gleich ein Prospekt mitgebracht hatte, um sein Argument populistisch anschaulich zu unterstreichen. Reichmuth lieferte den Beweis für den Anspruch der deutschen Polit-Talkshows, in denen es zunehmend nur noch um Krawall geht. Frank Plasberg hatte dies zuletzt in einem "Spiegel"-Interview offen zugegeben. Maischberger und die ARD lieferten mit Reichmuths Einladung ein Paradebeispiel. Dabei hätte ein echter Kritiker des Klimawandels, jemand, der mit Sachargumenten versucht hätte zu punkten, in der Diskussionsrunde einen wichtigen Beitrag leisten können.
Moderatoren-Moment
Denn tatsächlich trafen sich die Experten mit Maischberger an einem interessanten Punkt: bei der Frage, ob deutsche Verbraucher überhaupt etwas zu einem besseren Klima beitragen könnten. "Habe ich Sie richtig verstanden", fragte Maischberger nach einer längeren Diskussion um Energie, Mobilität, Lieferketten und Essen, "dass Sie die Verbraucher vom Haken lassen?" In der Tat, ja.
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Jörg Kachelmann befand, es sei "schwierig, das Problem an die Bürger zu delegieren. Ich erwarte, dass die Politik den Laden schmeißt." Dorothee Bär und Bärbel Höhn lieferten sich zwar öffentliche Koalitionsverhandlungen, doch beide kamen zum Schluss: Die Politik und die Wirtschaft müssen den Rahmen geben und Lösungen präsentieren, um die Konsumenten im Land automatisch zu klimafreundlicheren Verhalten zu bringen.
Das Streichen klimaschädlicher Subventionen, der Ausbau der öffentlichen Verkehrs- und digitalen Infrastruktur in ländlichen Gebieten, das Vorantreiben der Innovationen in Stromspeicherung und Energiegewinnung – Schellnhuber machte deutlich: "Wenn wir in Deutschland unsere Trümpfe ausspielen würden, würden wir den Klimazielen zuarbeiten und dazu beitragen, dass es den Menschen in aller Welt besser geht." Als Beispiel nannte er die Massentierhaltung: "Es geht nicht darum, dass die Menschen weniger Rindfleisch essen, sondern dass es anders produziert werden muss."
Fakt des Abends
Die Erklärungen des Abends lieferten Kachelmann und Schellnhuber, die in der nötigen Sachlichkeit darlegten: Erstens nehmen Hurrikans, Tornados, Orkane, Waldbrände und Überschwemmungen in den letzten Jahren nicht signifikant zu. Dieses Jahr, so Kachelmann, sei zwar ein "aktives Jahr", aber kein Rekordjahr. "Die Temperaturen steigen, dadurch steigen die Taupunkte. Das ist es, was die Menschen als Schwüle empfinden. Es ist mehr Wasser in der Luft und im Erdreich."
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Schellnhuber ergänzte: "Mit jedem Grad mehr kann die Luft sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Die kommt dann auf die eine oder andere Art wieder runter." Und während es zwar keine Zunahme an Klima-Katastrophen gäbe, gäbe es "einen klar messbaren Trend, dass es jedes Jahr wärmer wird, die Meeresspiegel und die Tiefen-Temperaturen in den Gewässern steigen."
Was offen bleibt
Solche Fakten kann die Wissenschaft liefern. Die Erklärungen dafür sind allerdings vielfältig und nicht in Gänze bei den Menschen zu suchen. Und doch beginnt man eben vor der eigenen Haustür zu kehren. Weder wird – auch, wenn es für Verschwörungstheoretiker wie eine frische Brise klingt –die Förderung alternativer Energie hunderte Millionen Menschen wieder ins Mittelalter zurückversetzen. Noch würde die heimische Wirtschaft kollabieren, würde man in Forschung und Innovation investieren.
Doch dazu muss man an die Wissenschaft glauben. Dann könnte gelingen, Menschen das zu bieten, wonach sie eigentlich streben, wenn sie bisher mit dem Auto fahren oder immer häufiger direkt in China online bei Alibaba einkaufen: "Ihnen geht es um Zeit", sagte Bär. Zeit, eine immer wichtigere Maßeinheit, ein Wert, auf den Konsumenten immer mehr achten und der auch in der Wirtschaft und im Klimaschutz eine essentielle Rolle spielt.