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Mario Adorf als Bruno Lüdke: Der Serienmörder, den die Nazis erfanden


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Verfilmt mit Mario Adorf
Der Serienmörder, den sich die Nazis herbeifantasierten


Aktualisiert am 17.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Mario Adorf heute und 1957 im Film "Nachts, wenn der Teufel kam": Der von ihm gespielte angebliche Serienmörder Bruno Lüdke war unschuldig.Vergrößern des Bildes
Mario Adorf heute und 1957 im Film "Nachts, wenn der Teufel kam": Der von ihm gespielte angebliche Serienmörder Bruno Lüdke war unschuldig. (Quelle: C. Hardt/United Archives/imago-images-bilder)
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Bruno Lüdke galt als schlimmster deutscher Serienmörder, 1957 verkörperte ihn Mario Adorf in einem Film. Später erfuhr der Schauspieler die Wahrheit. Eine Dokumentation spürt den Lügen der Nazis nach.

Ein Mann hetzt durch den Wald. "Na warte, du Luder!", droht der Bösewicht, "Dir krieg ick schon". Schließlich erreicht er sein Opfer. Mit unheilverkündender Fratze beugt er sich darüber. Dann schwenkt die Kamera gen Himmel, was am Boden geschieht, bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen. Nichts Gutes, so viel ist gewiss.

Es waren Szenen wie diese, deretwegen zahlreiche Deutsche 1957 in die Kinosäle strömten. "Nachts, wenn der Teufel kam" lautet der Titel des Films, der faszinierte und gruselte zugleich. Denn von nichts weniger als der Überführung eines der angeblich schlimmsten Serienmörder der deutschen Geschichte handelt der Film: Bruno Lüdke, der seit seiner Verhaftung im März 1943 mehr als 80 Morde gestanden hatte.

Zur Sterilisation gezwungen

Verkörpert wurde dieser Unhold vom jungen Mario Adorf, der mit "Nachts, wenn der Teufel kam" seinen großen Durchbruch feierte. Überragend schaurig spielte Adorf den Killer, Preis reihte sich an Preis für den Film bis hin zur Oscarnominierung im fernen Hollywood. Doch heute ist "Nachts, wenn der Teufel kam" für den mittlerweile 90-jährigen Adorf vor allem eines: ein Film, mit dem er hadert. Denn viele, viele Jahre nach Ende der Dreharbeiten erfuhr der Schauspieler, dass Bruno Lüdke die ihm vorgeworfenen Taten niemals begangen hatte. Sondern dass er ein Opfer der Nationalsozialisten gewesen ist.

Sendehinweis: " " von Dominik Wessely und Jens Becker – Mittwoch, 17. Februar 2021 um 22.05 Uhr auf "Arte"

"Hätte ich in den 50er-Jahren die wahre Geschichte Brunos gekannt, dann hätte ich diese Figur ganz anders gespielt", resümiert Adorf nun in der "Arte"-Dokumentation "Die Erfindung eines Mörders" von Dominik Wessely und Jens Becker, die am heutigen 17. Februar um 22.05 Uhr ausgestrahlt wird. Minutiös rekonstruiert die Sendung, wie Lüdke Mordtat für Mordtat von den Kriminalisten des "Dritten Reichs" angehängt worden ist. Dabei kommen neben Adorf mit der Kulturwissenschaftlerin Susanne Regener und den Historikern Axel Doßmann und Jens Dobler diejenigen zu Wort, die die Vorwürfe gegen den "Serienmörder" als das entlarvt haben, was sie sind: Lügen.

Lügen, die bald nach Lüdkes Verhaftung wegen Mordes im März 1943 zu einem Gespinst ausarteten, aus dem er nicht mehr entkommen sollte. Der Polizei war Lüdke damals schon seit längerem bekannt, er hatte kleinere Straftaten begangen, die allerdings schwerwiegende Folgen zeitigten. Denn dem geistig Eingeschränkten wurde "angeborener Schwachsinn" attestiert, es folgte eine Zwangssterilisation aufgrund des nationalsozialistischen Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.

"Haben Sie noch mehr Frauen totgemacht?"

Als "blöd" und "tierisch" bezeichnete ein rassistisches "Gutachten" Lüdkes Gesichtsausdruck, er sei ein "hochgradig Schwachsinniger". Eine Beurteilung, die auch der Kriminalbeamte Heinrich Franz kannte. Er war es, der Lüdke nach der Ermordung einer Frau in Köpenick immer wieder verhörte, im Laufe der Zeit ein Geständnis nach dem anderen aus dem eigentlich Unschuldigen "rausholte". Erst aller Wahrscheinlichkeit nach mit Schlägen, später in Lüdkes Versuch, dem Polizisten zu gefallen. "Haben Sie sonst noch mehr Frauen totgemacht?", zitiert die Dokumentation "Die Erfindung eines Mörders" aus den Akten.

Denn Lüdke wähnte sich geschützt: Laut Paragraf 51 des Strafgesetzbuches war er schuldunfähig. Ein Mord nach dem anderen "bereicherte" so allmählich die Akte Lüdke, erst in Berlin, dann dachten der Ermittler Franz und Konsorten "groß" und legten dem Gefangenen auch Taten weit außerhalb der Hauptstadt zur Last – auch nach Hamburg soll Lüdke zum Morden gereist sein. Ein dortiger Kriminalist sah das Treiben der Berliner Kollegen kritisch, zweifelte mit Fug und Recht an, dass Lüdke der Mörder war, als den ihn Franz konstruierte.

Doch der Zweifel blieb folgenlos. Der Fall Lüdke war längst politischer, besser gesagt, ideologischer Natur. In ihren Wahn nach einer "reinen Rasse" passte sich der "tierische" Mörder Lüdke den Nationalsozialisten als Feindbild perfekt ein. Als "Ärzte am Volkskörper" sollten Kriminalpolizisten seit langem alles ausschalten, was als "Bedrohung" empfunden wurde.

Die Wahrheit war nicht gefragt

Damit war in gewisser Weise Lüdkes Ende vorherbestimmt. 84 Morde wurden Lüdke vorgeworfen, verteilt waren die Tatorte über weite Teile des Landes – die Beweislage war mickrig, die Chance für eine Verurteilung in einem Prozess schlecht. Selbst in der NS-Diktatur. So wurde Lüdke stattdessen schließlich zu schmerzhaften und entwürdigenden "Untersuchungen" nach Wien gebracht, zum Kriminalmedizinischen Zentralinstitut der Sicherheitspolizei. Er sollte nicht zurückkehren, ein Prozess nie stattfinden.

Damit war die Geschichte des vermeintlich schlimmsten deutschen Massenmörders zu Ende. Eigentlich. Doch die Legende, die auf dem Rassenwahn und dem Hass des Nationalsozialismus basiert, erwies sich als hartnäckig. 1950 griff das Nachrichtenmagazin "Spiegel" die Geschichte auf, später auch die "Münchner Illustrierte". Die Realität spielte dabei keine Rolle.

Schließlich resultierte daraus der Presserummel in "Nachts, wenn der Teufel kam". Regie führte der einst vor den Nazis geflohene Robert Siodmak. Mario Adorf nahm seine Verantwortung als Schauspieler ernst, versuchte sich in die Person Lüdke hineinzufühlen. Derart spielte er auch die anfangs beschriebene atemlose Jagd im Wald, in der Lüdke den Polizisten einst den Ablauf eines Mordes demonstrierte, den er aber nie begangen hatte. Nur ein wichtiges Detail fehlte dem jungen Mario Adorf für seine Vorbereitung: die Tatsache, dass Bruno Lüdke eben unschuldig gewesen ist.

So ist die sehenswerte Dokumentation "Die Erfindung eines Mörders" auch ein weiterer Schritt, um das Andenken Bruno Lüdkes zu rehabilitieren. Und eine Anklage gegen ein System, in dem Ideologie wichtiger war als die Wahrheit.

Zum Anschauen: "" – Mittwoch, 17. Februar 2021 um 22.05 Uhr auf "Arte"

Verwendete Quellen
  • "Arte"-Dokumentation: Die Erfindung eines Mörders. Der Fall Bruno Lüdke" von Dominik Wessely und Jens Becker
  • Eigene Recherchen
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