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Ukraine-Krieg im Winter: Putin geht Munition aus – Bricht Front zusammen?


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Krieg in der Ukraine im Winter
Putin bringt die Pest


Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Ukrainische Soldaten der 3. Sturmbrigade an der Frontlinie in der Nähe von Andrijewka in der Region Donezk.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Soldaten der 3. Sturmbrigade an der Frontlinie in der Nähe von Andrijewka in der Region Donezk. (Quelle: Mstyslav Chernov/dpa)
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Die ukrainische Gegenoffensive erzielt langsame Erfolge, aber Russland und die Ukraine richten sich auf einen blutigen Kriegswinter ein. Droht Wladimir Putin in den kommenden Monaten ein Zusammenbruch der Front?

Die Temperaturen fallen, der Winter kommt bedrohlich näher. Angesichts des russischen Angriffskrieges richten sich die ukrainische Bevölkerung und die Armee erneut auf eine harte kalte Jahreszeit ein. Doch die könnte, Stand jetzt, weniger dramatisch ausfallen als im vergangenen Jahr.

Hauptgrund dafür: die fortschreitende Gegenoffensive der Ukraine führt langsam, aber allmählich zu kleinen Erfolgen. Seit Wochen schon drängt die Ukraine die russischen Truppen zurück, die Anzeichen dafür, dass Putins Front bröckelt, mehren sich. Die größte Herausforderung für die Ukraine bleibt dabei allerdings, die aktuelle Dynamik im Kampfgeschehen aufrechtzuerhalten, damit Russland seine Verteidigungslinien nicht weiter ausbauen kann. Und das wird im Winter schwieriger.

Nicht auszuschließen ist deshalb, dass sich im Winter eine Pattsituation in dem Krieg verfestigt – ähnlich wie im vergangenen Jahr, als im Winter eine russische Offensive scheiterte. Die kalte Jahreszeit wird auch für die russischen Angreifer nicht einfach. Denn: Auch Russlands Soldaten werden nun monatelang in ihren Schützengräben frieren, auch ihre Panzer werden in einigen Landesteilen im Schlamm steckenbleiben.

Das weiß auch Wladimir Putin. Deswegen wird der Kremlchef in den kommenden Wochen die Pest zurück in die Ukraine bringen: russische Raketen- und Drohnenangriffe auf kritische Infrastruktur in der Ukraine, um die Kälte als Waffe gegen die Zivilbevölkerung einzusetzen. In den kommenden Wochen droht der nächste russische Raketenhagel.

Ist die ukrainische Offensive gescheitert?

Im Detail hängt die Lage für die Ukraine deshalb davon ab, wie sich der Krieg bis zum tatsächlichen Wintereinbruch entwickelt.

Eine Bewertung ist aktuell ungemein schwierig. Fest steht nur: Die Ukraine hat noch immer die Initiative, Russland ist in der Defensive. Zudem scheint die ukrainische Armee nicht alle ihre Kräfte blindlings in diese Offensive werfen zu wollen.

Aus Sicht vieler Experten ein logisches Vorgehen, denn: Die ukrainische Führung muss mit den Soldaten und dem modernen westlichen Gerät haushalten – und Putin sind im Zweifel menschliche Verluste eher gleichgültig. "Es geht nicht darum, in selbstmörderischer Art durch Gräben und Minenfelder durchzubrechen – das wäre militärisch unsinnig", meinte der Militärökonom Marcus Keupp in der Sendung "ZDFheute live" und kritisierte den "einseitigen Fokus" auf Geländegewinne im Westen. Seine These: Die Ukraine macht sorgsam Fortschritte. Langsam, aber dafür mit möglichst wenig Verlusten.

Grund zur Hoffnung für die Ukraine

Kritischer analysiert Markus Reisner die gegenwärtige militärische Lage für die Ukraine. "Die Offensive, die seit dem 4. Juni läuft, hat bis jetzt nicht den gewünschten Erfolg gebracht, nämlich genau diesen Durchbruch, der wie ein Dammbruch funktionieren sollte", sagte der Oberst des österreichischen Bundesheeres auf "ntv.de". "In Anbetracht des bald eintretenden Regens ist die ukrainische Offensive praktisch vom Scheitern bedroht."

Trotz der überschaubaren Zugewinne kann die Ukraine allerdings auch Erfolge vermelden. Vor allem um die Städte Bachmut und Robotyne konnte die ukrainische Armee Geländegewinne erzielen. In Bachmut hat die Ukraine in den vergangenen Wochen mehrere Ortschaften befreit und um die Stadt strategisch-wichtige Hügel besetzt, von denen sie die russischen Truppen mit Artillerie unter Beschuss nehmen kann. Dabei wurde die 72. russische Brigade offenbar eingekesselt und vernichtet.

Das ist in diesem Krieg selten, weil vor einer Einkesselung eigentlich stets ein Rückzug befohlen wurde. Doch Putin wirkt entschlossen, die Stellungen in und um Bachmut um jeden Preis halten zu wollen – ungeachtet der Verluste.

Außerdem verlegte Russland im September Luftlandetruppen, Elite-Einheiten, in den Raum Robotyne, um die Front hier noch halten zu können. Laut dem britischen Geheimdienst sollten diese Einheiten in voller Stärke aus etwa 10.000 Elite-Fallschirmjägern bestehen. Beinahe alle Einheiten seien aber mit großer Wahrscheinlichkeit dramatisch unterbesetzt.

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Man könnte sagen: Putin muss Löcher stopfen.

Das mag vor allem daran liegen, dass die Artillerie der Ukraine in der vergangenen Monaten immer mehr an Überlegenheit gewinnt. Die Ukraine schieße russische Artillerie laut Keupp im Hinterland "reihenweise ab". Dabei nutze ihr vor allem die US-Clustermunition. Ob das für Putin zum Problem wird, wird wohl davon abhängen, ob er rechtzeitig Artillerienachschub bekommen kann, nicht zuletzt aus Nordkorea.

Russland plant weiteren Terror

Die ukrainische Zivilbevölkerung muss sich derweil auf weiteren Raketen- und Drohnenterror einstellen. Gelingt den ukrainischen Streitkräften in den nächsten Wochen nicht der erhoffte Durchbruch, wird Russland die zivile Infrastruktur, insbesondere Strom und Heizsysteme unter Beschuss nehmen.

Für mögliche Verhandlungen im Winter gibt es dagegen keine Anzeichen, im Gegenteil: Mit dem Leid der Menschen in der Ukraine möchte die russische Führung nicht nur die ukrainische Gesellschaft zermürben, sondern auch den Westen. Damit das klappt, müssten allerdings die russischen Verteidigungslinien halten. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass Russland seine Linien verstärkt, weitere Gebiete vermint. Jede Verschnaufpause in dem Krieg würde Russland dabei helfen.

Doch auch Offensivoperationen der russischen Armee sind nicht auszuschließen. Im Nordosten bei Kupjansk sollen sich laut ukrainischen Angaben Zehntausende russische Soldaten gesammelt haben. Das ergibt militärisch keinen Sinn, weil die Kräfte an anderen Frontabschnitten eigentlich zur Verteidigung gebraucht werden. Aber Putins politische Ziele ordnen sich nicht immer der militärischen Logik unter.

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Ukraine wartet auf Deutschland und die USA

In jedem Fall wird der kommende Winter erneut den Widerstandswillen der Ukraine testen. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass man die Bevölkerung dazu bringt zu sagen: 'Okay, wir geben jetzt auf'", sagte der Militärexperte Christian Mölling "stern.de". Terror gegen die Zivilbevölkerung gehöre zur russischen Strategie. Dadurch könne unter anderem erreicht werden, dass die Ukrainer Ressourcen und Aufmerksamkeit für den Schutz der Menschen einsetzen müssten.

Der Ukraine stehen nun mehr Drohnen, mehr westliche Flugabwehrsysteme und mehr Ressourcen zur Wiederherstellung der Infrastruktur zur Verfügung. Dabei versucht der Westen, die ukrainische Luftabwehr zu stärken. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) spricht von einem "Winterschutzschirm", der gespannt werden müsse. Hinzu kommen die F-16-Kampfflugzeuge amerikanischer Bauart, die im Winter die Ukraine besser schützen könnten.

Problem dabei bleibt, dass die Ukraine flächenmäßig groß ist. Deswegen erwartet die Ukraine sehnsüchtig ATACMS aus den USA oder Taurus aus Deutschland. Diese Marschflugkörper mit höherer Reichweite können russische Versorgungslinien und Waffendepots weitreichend attackieren. Das wiederum sind Angriffe auf die Raketenarsenale, die ukrainische Städte treffen werden, wenn sie nicht aufgehalten werden. Das könnte am Ende für die Ukraine entscheidend sein, um weiteres Staatsgebiet befreien zu können. Auch im Winter.

Verwendete Quellen
  • edition.ccn.com: Winter is coming to Ukraine, but Kyiv is adapting its tactics (engl.)
  • theguardian.com: Ukraine tries to protect electricity supply before winter (engl.)
  • economist.com: Can Russia repeat its winter bombing of Ukraine’s electricity grid? (engl.)
  • abc.net.au: The war between Ukraine and Russia will become more difficult as winter brings mud and snow (engl.)
  • n-tv.de: "Putin will die ukrainische Offensive vor dem Winter stoppen"
  • zdf.de: Was der Ukraine im Winter droht
  • stern.de: Sicherheitsexperte Mölling erwartet im Winter Terror gegen ukrainische Zivilisten
  • n-tv.de: Ukraine erwartet den nächsten Raketenhagel
  • zdf.de: "Woche des russischen Blechhaufens"
  • latimes.com: Russia aims to bring winter (engl.)
  • merkur.de: Russland hortet Raketen für den Winter
  • deutschlandfunk.de: "Müssen Winterschutzschirm über Ukraine spannen"
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