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Kiew in der Kritik: "Strategische Fehler" bei Gegenoffensive?


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Hartes Urteil zur Gegenoffensive
"Das verstand selbst ein Betrunkener in Moskau"


Aktualisiert am 04.10.2023Lesedauer: 4 Min.
Ukrainische Soldaten mit einem Panzer in der Region Donetsk (Archivbild): Die Kriegsblogger kritisieren den Verlauf der Gegenoffensive der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Soldaten mit einem Panzer in der Region Donetsk (Archivbild): Die Kriegsblogger kritisieren den Verlauf der Gegenoffensive der Ukraine. (Quelle: STRINGER/reuters)
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Die Gegenoffensive der Ukrainer verläuft schleppend. Pro-ukrainische Kriegsblogger werfen Kiew vor, Fehler gemacht zu haben. Sie sehen auch 2024 kein Ende des Krieges.

Seit mehr als einem Jahr verteidigt sich die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. Die groß angekündigte Gegenoffensive sollte im Frühjahr, spätestens im Sommer, ein Befreiungsschlag werden – doch sie läuft noch immer. Den westlichen Partnern der Ukraine wurde schnell klar, dass die Gegenoffensive trotz stetiger Erfolge der ukrainischen Armee langsamer vorangeht als geplant. Doch nun werfen ukrainische Kriegsblogger Kiew schwere militärstrategische Fehler vor.

Um Bachmut sei es der Ukraine in den vergangenen vier Monaten zwar gelungen "südlich der Stadt Andriiwka und Klischtschiwka zu räumen, was die Möglichkeit eines weiteren Angriffs in Richtung der Straße nach Horliwka eröffnet", berichten Blogger des Telegramkanals "DeepState", die den Krieg gegen die Ukraine seit der russischen Invasion beobachten.

Auch das US-amerikanische "Institute of the Study of War" (ISW) bestätigte unter Berufung auf geolokale Aufnahmen vom 30. September und 1. Oktober, dass die Ukraine geringfügige Fortschritte östlich und nordöstlich von Andriiwka (10 km südwestlich von Bachmut) macht.

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"Kam uns teuer zu stehen"

Doch an der Nordfront von Bachmut sehe es schlecht aus, so die "Deepstate"-Blogger. "Der strategische Fehler, in das im Tiefland gelegene Berkhiwka vorzustoßen, kam uns teuer zu stehen", urteilen sie. Auch die Versuche, die feindlichen Stellungen bei Zaliznyanske und Razdolivka zu durchbrechen, hätten keinen nennenswerten Erfolg gebracht. Von ihrem Ziel, Bachmut zu umstellen, dürfte die ukrainische Armee dem Urteil der Blogger nach somit noch weit entfernt sein. Für den Feind Russland sei Bachmut eine "Hochburg, in der Tausende von Kämpfern konzentriert sind", schreiben diese.

Auch der Sprecher der ukrainischen Ostgruppe der Streitkräfte, Ilja Jewlasch, erklärte zuletzt, dass die russischen Streitkräfte über 10.000 Mann in Bachmut konzentriert hätten. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht.

"Tragödie" nahe Donezk und Saporischschja?

Noch schlechter laufe die Gegenoffensive laut der Analyse der Kriegsblogger südlich von Welyka Nowosilka, an der Grenze der von Russland besetzten Regionen Donezk und Saporischschja, in Richtung Mariupol. Zwar sei es der ukrainischen Armee gelungen, das Dorf Robotyne in Saporischschja unter ihre Kontrolle zu bekommen, "aber bisher ist es uns nicht gelungen, Werbowe und Kopani einzunehmen oder den Keil tiefer zu treiben", so die Blogger. Die Ukraine hatte Ende August die erfolgreiche Rückeroberung Robotynes verkündet, dies gilt mittlerweile als bestätigt.

Die Front zu durchbrechen, sei dort zwar "erfolgreich umgesetzt" worden, so die Blogger, dann aber habe sich eine "Tragödie" einer ukrainischen Brigade abgespielt, die dazu geführt habe, dass weitere Offensivaktionen erschwert wurden, behaupten sie. Worauf sie sich genau beziehen, führten sie nicht aus.

"Sie machen Fortschritte"

Doch teilen auch andere Experten die Ansichten von "Deepstate"? Sicherheitsexperte Nico Lange von der Zeitenwende-Initiative der Münchner Sicherheitskonferenz kam jüngst bei einer Analyse auf der Konferenz der Kiewer Gespräche zu einem etwas anderen Urteil. Zwar bestätigte er, dass die ukrainische Armee in der Region zunächst Probleme gehabt habe, da die russische Verteidigungslinie stark befestigt sei. Doch seit fünf bis sechs Wochen machten die Ukrainer beständig Fortschritte, "auf eine mühevolle Art und Weise, meistens zu Fuß", so Lange. "Aber sie machen Fortschritte und erreichen die Wegmarken, und die Russen verlieren Wegmarken."

Eine aktuelle Analyse des ISW stützt seine Aussagen: Geolokalisierte Aufnahmen, die am 2. Oktober veröffentlicht wurden, deuten demnach darauf hin, dass ukrainische Streitkräfte nordwestlich von Novomayorsk, nur wenige Kilometer von Welyka Nowosilka entfernt, geringfügig vorgerückt seien. Die russischen Streitkräfte erzielten indes keine bestätigten Fortschritte. So schlimm, wie es die ukrainischen Blogger behaupten, steht es demnach offenbar nicht um die ukrainische Gegenoffensive in der Region, wenngleich die Fortschritte gering sind.

"Das verstand selbst ein Betrunkener in Moskau"

Weiter kritisieren die Blogger das Agieren der ukrainischen Armee nahe Tokmak. Als Knotenpunkt der russischen Armee für Munitionsnachschub gilt die Stadt in Saporischschja derzeit als eines der Hauptziele der ukrainischen Armee. Doch statt in ihrer Gegenoffensive auf einen "Blitzkrieg" zu setzen, habe "selbst ein Betrunkener in Moskau verstanden, warum Leopard-Panzer und Bradley-Schützenpanzer in der Region auftauchten", so "DeepState", mit Blick auf die Militärelite des Kreml.

Russland habe die Region um Tokmak schnell als mögliches Ziel der Ukrainer für einen Durchbruch ausmachen können, und so habe die russische Armee bereits im vergangenen Winter und Frühjahr alles ausgegraben und vermint. Auch nun errichte sie östlich von Tokmak bereits eine neue Verteidigungslinie. "Man darf die Russen in Sachen Technik nicht unterschätzen", senden die Aktivisten eine Warnung in Richtung Kiew.

Gestützt wird ihre Aussage von einem Bericht des britischen Verteidigungsministeriums, das regelmäßig Updates zur Lage im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt: Schon Mitte September habe Russland seine Verteidigungslinie demnach durch neue Panzerabwehrsysteme und Schützengräben in der Region verstärkt. "Tokmak bereitet sich darauf vor, zum Dreh- und Angelpunkt der zweiten Hauptverteidigungslinie Russlands zu werden", so das Ministerium vor wenigen Wochen.

"Krieg wird im Jahr 2024 nicht zu unseren Bedingungen enden"

Alles in allem kommen die Kriegsblogger zu einem enttäuschten Fazit: "Der Sommer hat gezeigt, dass der Krieg im Jahr 2024 nicht zu unseren Bedingungen enden wird", so die Kriegsblogger unter Anspielung auf das von Wolodymyr Selenskyj gesetzte Ziel, die Ukraine bis Ende des Jahres zu befreien. 2023, so der Präsident der Ukraine zu Beginn des Jahres, werde "das Jahr des Sieges" werden.

Daraus aber wird wohl nichts werden. "Der ukrainische Staat muss sich auf neue Herausforderungen vorbereiten, denen er sich bald stellen muss", schreiben die Kriegsblogger mit Blick auf den bald drohenden Wintereinbruch. Dieser wird die Gegenoffensive der Ukrainer nochmals erschweren.

Verwendete Quellen
  • t.me: @DeepStateUA
  • understandigwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, October 2, 2023 (englisch)
  • understandigwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, October 1, 2023 (englisch)
  • twitter.com: @nicolange_
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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