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Ukraine: Solidarität bröckelt? So zynisch kalkuliert Putin


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Solidarität mit Ukraine bröckelt
Meister der Niedertracht

MeinungVon Christoph Cöln

Aktualisiert am 21.09.2023Lesedauer: 3 Min.
Der russische Autokrat Putin bei einem Empfang im Mariinsky Theater in St. Petersburg.Vergrößern des Bildes
Der russische Autokrat Putin bei einem Empfang im Mariinsky-Theater in St. Petersburg. (Quelle: Contributor/Getty Images)
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Im westlichen Bündnis mit der Ukraine zeigen sich erste Risse. Die Eskalation zwischen der Ukraine und Polen kommt nicht von ungefähr.

Das Undenkbare wird nun zum ersten Mal doch denkbar: Die Unterstützung der Ukraine könnte schwinden. Westliche Verbündete könnten ihre Solidarität mit Kiew einschränken. Sogar erheblich. Seit Mittwochabend ist das keine düstere Prophezeiung mehr, sondern eine reale Möglichkeit.

Ob es nur die unglückliche Formulierung eines Spitzenpolitikers gewesen ist oder doch eine kalkulierte Provokation: Der Satz, den Polens Ministerpräsident fallen ließ, dürfte in Kiew ein mittleres Erdbeben ausgelöst haben. Morawiecki hatte in einem TV-Interview davon gesprochen, dass Polen keine Waffen mehr an das bedrängte Nachbarland liefere. Ausgerechnet Polen. War das Land zuvor doch als einer der zuverlässigsten Partner im Krieg gegen Russland aufgetreten.

Aber in Polen ist Wahlkampf. Und die rechtskonservative Partei von Morawiecki (PiS) stützt sich zu einem Gutteil auf die Landbevölkerung, auch auf die Bauern und die in der Agrarwirtschaft Beschäftigten. So stellte Morawiecki nun nicht nur die Militärhilfen für Kiew infrage, seine Regierung eskalierte auch den Handelsstreit ums Getreide.

Demnach will Polen das am vergangenen Freitag ausgelaufene EU-Embargo für ukrainisches Getreide eigenmächtig verlängern, um die heimischen Landwirte vor ukrainischen Billigimporten zu schützen, wie es heißt. Vermutlich erhofft Morawiecki sich davon, ebenjene Stimmen einzusammeln, die ihm den Machterhalt auch nach dem Wahltag am 15. Oktober sichern.

Die Ukraine wiederum geht auf das zynische Spiel ein. Präsident Wolodymyr Selenskyj warf dem Verbündeten in seiner Rede vor den Vereinten Nationen nicht nur Scheinheiligkeit vor, er unterstellte der polnischen Regierung indirekt auch, sich vor den Karren Putins spannen zu lassen, wenn sie das Getreideembargo fortführe. Diplomatische Zurückhaltung sieht anders aus.

Putin ist ein Meister der Niedertracht

Das zeigt, wie prekär die Situation bereits ist. Schließlich liegt die ukrainische Wirtschaft am Boden, die militärische Gegenoffensive läuft nur schleppend, jeden Tag sterben viele Ukrainer, und Partner wie Deutschland und die USA zögern in der Frage weitreichender Waffen. Selenskyjs Gepoltere auf der Weltbühne ist menschlich verständlich. Aber politisch schädlich.

Wenn Europa sich tatsächlich in der Ukraine-Frage auseinanderdividieren lässt, würde Wladimir Putins perfide Saat aufgehen. Angesichts des mitunter desolaten Zustands seiner Armee dürfte der Diktator im Kreml seit geraumer Zeit darauf bauen, den Krieg nicht mit militärischen Mitteln zu gewinnen. Seine Taktik läuft vielmehr darauf hinaus, die Stimmung in den westlichen Staaten gegen das Bündnis mit der Ukraine zu drehen – dafür bietet die Wirtschaft immer noch die beste Angriffsfläche.

Was beim Gas noch nicht geklappt hat – Europa die Solidarität mit einem Kältewinter auszutreiben – könnte nun mit dem Getreide klappen. Weil Putin das Getreideabkommen nicht verlängerte und seine Truppen seit Monaten die Ausweichrouten ukrainischer Schiffe bombardieren lässt, ist die Ukraine noch mehr auf die stark subventionierten europäischen Absatzmärkte wie Polen und die Slowakei angewiesen. Fallen diese dauerhaft weg, stellt das Kiew vor große Probleme.

Putin mag vielleicht kein Meister auf dem Schlachtfeld sein, aber er besitzt ein ausgeprägtes Gespür für politische Manipulation. Und er denkt in langen Zeiträumen. So versucht er, einen Keil zwischen die Ukraine und ihre Verbündeten zu treiben. Ein ebenso niederträchtiges wie effektives Vorgehen, das der KGB-Schule der späten 80er-Jahre entstammt: Was politisch nicht zu lösen ist, wird eben ökonomisch geregelt.

Der russische Machthaber wird sich angesichts des offenen Streits zwischen Ukraine und Polen die Hände reiben. Denn sollte das Beispiel Morawiecki Schule machen, muss die Welt nicht erst bis zu den US-Wahlen im kommenden Jahr warten, bis die Ukraine in ernsthafte Schwierigkeiten gerät. Dann wird das Land schon bald mit dem Rücken zur Wand stehen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung
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