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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In ukrainischer Gefangenschaft Dieser Coup könnte den Krieg entscheidend ändern
Ukrainischen Spezialkräften ist offenbar ein großer Coup gelungen: Nahe Cherson sollen sie einen russischen Kommandeur in eine Falle gelockt haben.
Tagelang wurde der russische Kommandeur für die Region rund um die Stadt Cherson vermisst. Nun ist Major Tomov in Videos in den sozialen Netzwerken aufgetaucht und befindet sich offenbar in ukrainischer Gefangenschaft.
Über eine Karte gebeugt soll er dabei die Standorte russischer Stellungen und Befestigungen verraten. Es wäre ein großer Coup für die ukrainische Armee und könnte ein entscheidender Vorteil in der Region werden.
Um Major Tomov gefangen zu nehmen, griffen ukrainische Spezialkräfte offenbar zu einer List. Im anschließenden Verhör, das mit einem Handy gefilmt wurde, übt der russische Kommandeur scharfe Kritik an Präsident Wladimir Putin.
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Der Ukraine könnte im Kampf gegen die russischen Besatzer ein echter Coup gelungen sein. Denn dieses Video zeigt angeblich den tagelang vermissten Major Tomov. Er ist Kommandeur der russischen Streitkräfte für die Region rund um die Stadt Cherson und befindet sich diesen Aufnahmen zufolge in ukrainischer Gefangenschaft.
Laut Berichten einiger Militärblogger sollen ukrainische Spezialkräfte den Fluss Dnipro überquert und dort einen Hilferuf russischer Truppen imitiert haben. Major Tomov soll daraufhin mit einigen Soldaten in den Ort Kosatschi Laheri geeilt sein und wurde dort offenbar überwältigt.
Dieses Video zeigt den gefangenen Kommandeur nun mit einer Karte des Gebiets. Darauf soll er den ukrainischen Truppen die Standorte russischer Positionen und Befestigungen verraten haben.
In seinem Verhör berichtet Tomov von erheblichen Verlusten seines Bataillons innerhalb weniger Tage. Er beklagt schlechte Ausbildung und Moral innerhalb der russischen Streitkräfte. Zahlreiche Soldaten würden mittlerweile die Befehle verweigern. Zudem sei er vom Kreml getäuscht worden. Denn anders als ihm erzählt worden sei, habe er in der Ukraine kein Nazi-Regime vorgefunden, das die eigene Bevölkerung unterdrücke.
“Ich habe daher festgestellt, dass der Krieg, den Wladimir Putin begonnen hat, überhaupt nicht der Strategie entspricht, die wir hier verfolgen sollten. Es handelt sich hier um eine Besatzung, einen grausamen Krieg, der nicht vor der Zivilbevölkerung Halt macht und das Leben der Bürger in Russland und in der Ukraine gefährdet.”
Tomov berichtet weiter, dass es ihm zunehmend schwer gefallen sei, seine Soldaten zu befehligen, wissend, dass er viele von ihnen in den sicheren Tod schicke. Er habe im Laufe der Monate immer mehr am Sinn des Kriegs gezweifelt.
“Ich fühle großen Schmerz und Unverständnis angesichts dessen, was durch die gedankenlose, fanatische Politik von Präsident Wladimir Putin passiert. Ich verstehe nicht, wie sich die Weltanschauung der Menschen um 180 Grad drehen konnte und Leute, die von einem friedlichen Leben träumten, sich nun gegenseitig umbringen. Und das für Ideale, die nichts mit der Realität zu tun haben.”
Unter welchen Umständen diese Aussagen von Major Tomov im Verhör entstanden sind, ist nicht abschließend zu klären. Sie sollten daher mit Vorsicht behandelt werden.
Sollte der Kommandeur der ukrainischen Armee tatsächlich die Standorte russischer Positionen verraten haben, könnte dies aber tatsächlich ein entscheidender Vorteil an der Frontlinie rund um Cherson sein.
- Videos der ukrainischen Armee via Twitter