Russlands Debakel bei Wuhledar Aus der Todeszone gibt es kein Zurück
Vor Wuhledar haben die Ukrainer innerhalb weniger Wochen 137 russische Panzer zerstört. Die oft unerfahrenen Angreifer laufen immer wieder in deren tödliche Hinterhalte.
Seit Ende Januar stürmt die russische Armee gegen Wuhledar im Südosten der Ukraine an, ohne dem Ort auch nur näher zu kommen. Die Ukrainer haben die Kleinstadt auf einem Hügel zur Festung ausgebaut und kontrollieren mit ihrer Artillerie die Umgebung – die Landschaft ist inzwischen übersät mit den Leichen russischer Soldaten und den Wracks ihrer Panzerfahrzeuge, wie Drohnenaufnahmen zeigen. Dabei scheitert die russische Offensive offenbar nicht nur an der ukrainischen Artillerie.
"Wir haben uns angeschaut, welche Straßen sie für ihre Angriffe meistens benutzen. Dann haben wir uns auf die Lauer gelegt und gewartet", berichtet Artjom Knignitskij in der "New York Times" von einem seiner jüngsten Einsätze gegen eine Kolonne russischer Angreifer. Knignitskij gehört zur Besatzung eines sowjetischen T-64-Panzers, mit dem die Ukrainer Wuhledar verteidigen. "Wir haben den Panzer in einer Baumreihe versteckt", ergänzt der erst 20 Jahre alte Panzerkommandeur Hrebenok. "Es ist jedes Mal beängstigend, aber wir müssen sie zerstören."
"Gesprengte Fahrzeuge wirken wie Sperren"
Schon im Herbst war ein russischer Angriff auf Wuhledar unter massiven Verlusten gescheitert. Zuletzt haben die Ukrainer nach eigenen Angaben fast 140 russische Panzer und gepanzerte Truppentransporter bei Wuhledar zerstört, 5.000 Soldaten soll der Kreml dort seit Januar verloren haben. Ukrainische Drohnen haben das Debakel für Putins Truppen gut dokumentiert, ihre Aufnahmen zeigen den scheinbar immer gleichen Ablauf: Russische Fahrzeuge, die auf Minen fahren, und Soldaten, die panisch fliehen. Allerdings zeigen die Bilder nicht, wie die Ukrainer ihre Hinterhalte vorbereiten.
"Die Panzerkolonne ist am verwundbarsten, wenn die ersten Schüsse fallen, die Fahrer in Panik versuchen umzudrehen – und dann auf die Minen am Straßenrand auffahren", erklärt Wladislaw Bajak, ein ukrainischer Kommandeur bei Wuhledar, der "New York Times". "Gesprengte Fahrzeuge wirken dabei wie Sperren, die eine Kolonne verlangsamen oder zum Stehen bringen. Dann fängt unsere Artillerie an zu feuern, sprengt noch mehr Fahrzeuge in die Luft und tötet flüchtende Soldaten", erklärt Bajak. Nachts legen die Ukrainer dann neue Minen entlang der Straßen aus, für den nächsten russischen Angriff.
Darum ist Wuhledar so wichtig für Russland
Doch Minen und Artillerie allein halten die Russen nicht auf, auch Artjom Knignitskij und seine T-64-Mannschaft sind immer wieder gefragt. Drei bis vier Mal täglich mussten sie zuletzt ihr Versteck zwischen den Bäumen verlassen und sich russischen Panzern stellen – unterstützt von Aufklärern, die mit Drohnen das Schlachtfeld beobachten. So können sie manchmal selbst aus fünf Kilometern Entfernung auf ein Ziel schießen, das sie nicht einmal direkt sehen können. In den Baumreihen entlang der Felder verstecken sich zudem ukrainische Infanteristen mit Panzerabwehrraketen, die den Angreifern ebenfalls schwer zusetzen.
Bislang zeichnet sich trotz der massiven Verluste kein Ende der russischen Angriffe auf Wuhledar ab. Von der Festung in der Region Donezk aus kontrolliert die Ukraine auch eine auf russisch besetztem Gebiet verlaufende Eisenbahnstrecke, die der Kreml gerne zur Versorgung seiner Truppen auf der Halbinsel Krim nutzen würde. Außerdem fürchtet die russische Armee, dass die Ukraine von dem vorgelagerten Ort auch eine Gegenoffensive starten könnte. Außer auf Wuhledar konzentriert die russische Armee ihre Angriffe zurzeit auf die Stadt Bachmut in der Region Donezk. Dort jedoch sind es vor allem die verteidigenden Ukrainer, die in Bedrängnis sind.
- nytimes.com: In an Epic Battle of Tanks, Russia Was Routed, Repeating Earlier Mistakes (englisch; Stand 3. März 20223)