Die Nacht im Überblick Waffenruhe soll beginnen – Kiew wirft Putin "Heuchelei" vor
Die Freude in Kiew ist groß, Deutschland liefert Marder-Panzer. Und: Russland will eine einseitige Waffenruhe beginnen. Nicht nur die Ukraine zweifelt daran. Ein Überblick.
Die Entscheidung Deutschlands und der USA zur Lieferung von Schützenpanzern an die Ukraine hat Freude und Erleichterung in Kiew ausgelöst. Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden in der Nacht zum Freitag herzlich für die Zusage. "Wir werden noch ein Patriot-System und mächtige Panzertechnik bekommen, das ist wirklich ein großer Sieg für unseren Staat", sagte er in seiner Videoansprache. Botschafter Oleksii Makeiev twitterte schwarz-rot-goldene Herzen und "DankeDeutschland".
Scholz und Biden hatten sich am Donnerstagabend in einem Telefonat darauf verständigt, der Ukraine erstmals Schützenpanzer für den Kampf gegen die russischen Angreifer zu liefern (hier lesen Sie mehr). Die Bundesregierung will mehrere Dutzend Marder sowie ein Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung stellen, wie es Washington schon kurz vor Weihnachten zugesagt hatte. Beide Länder wollen auch ukrainische Streitkräfte an den Panzern ausbilden. Dies markiert einen deutlichen Kurswechsel.
Ukraine bezeichnet angekündigte Feuerpause als "Heuchelei"
Um 10 Uhr deutscher Zeit an diesem Freitagmittag soll eine anderthalbtägige und einseitige Waffenruhe der russischen Armee beginnen, die Kremlchef Wladimir Putin angesichts des orthodoxen Weihnachtsfests angeordnet hat. Es wäre erstmals seit Kriegsbeginn Ende Februar eine Feuerpause entlang der gesamten Frontlinie – falls sie wirklich eingehalten wird. Das jedoch ist äußerst fraglich.
Die Führung in Kiew bezeichnete die Feuerpause als "Heuchelei". Der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, schrieb auf Twitter: "Russland muss die besetzten Gebiete verlassen – nur dann würde es eine 'zeitweilige Waffenruhe' geben." Im Gegensatz zum russischen Gegner greife die Ukraine kein fremdes Territorium an und töte keine Zivilisten. Beobachter in Kiew gingen davon aus, dass die Feuerpause den Ukrainerinnen und Ukrainern zwar möglicherweise Angriffe mit Raketen und Drohnen über die Weihnachtstage ersparen könnte. An den Fronten im Osten und Süden des angegriffenen Landes hingegen werde sich die Lage hingegen wohl kaum verändern.
Auch EU-Ratschef Charles Michel warf Russland heuchlerisches Verhalten vor. "Ein Rückzug der russischen Truppen ist die einzige ernsthafte Option, um Frieden und Sicherheit wiederherzustellen", schrieb er auf Twitter.
Putin begründet Waffenruhe-Plan mit orthodoxem Weihnachtsfest
In Putins Dekret heißt es zu der Feuerpause: "Unter Berücksichtigung des Aufrufs von Patriarch Kirill beauftrage ich das russische Verteidigungsministerium vom 6. Januar 12 Uhr mittags (10 Uhr MEZ) bis 7. Januar 24 Uhr (22 Uhr MEZ) eine Feuerpause entlang der gesamten Linie der bewaffneten Auseinandersetzung in der Ukraine in Kraft zu setzen." Zuvor hatte Kirill, das einflussreiche Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, zu einer Waffenruhe in der Ukraine über Weihnachten aufgerufen. Die orthodoxen Kirchen in Russland und in der Ukraine feiern die Geburt Jesu Christi traditionell nach dem julianischen Kalender am 7. Januar.
Besatzungschef: Werden ukrainische Angriffe trotz Waffenruhe erwidern
Ein Besatzungschef erklärte darüber hinaus bereits, russische Truppen würden ungeachtet von Putins Befehl auch weiterhin ukrainische Angriffe erwidern. "Die Entscheidung betrifft die Einstellung des initiativen Feuers und der Angriffshandlungen von unserer Seite", schrieb der von Moskau im ostukrainischen Gebiet Donezk eingesetzte Denis Puschilin im Nachrichtendienst Telegram.
Puschilin fügte hinzu: "Das bedeutet nicht, dass wir nicht auf Provokationen des Gegners antworten werden! Oder dem Feind auch nur irgendeine Chance geben werden, während dieser Feiertagsstunden seine Positionen an der Frontlinie zu verbessern."
Russlands Botschafter wirft USA Verlängerung des Ukraine-Kriegs vor
Moskaus Botschafter in Washington warf den USA nach der Ankündigung, Schützenpanzer an die Ukraine zu liefern, mangelnden Willen zur Beilegung des Kriegs vor. Alle jüngsten US-Aktionen zeigten direkt, dass Washington keinen Wunsch für eine politische Lösung in der Ukraine habe, sagte der russische Botschafter Anatoli Antonow laut russischer Staatsagentur Tass am Donnerstag in Washington. "Es sollte kein Zweifel daran bestehen, wer für die Verlängerung des jüngsten Konflikts verantwortlich ist." Die Entscheidung der US-Regierung bestätige, "dass die Vereinigten Staaten nicht auf die wiederholten Forderungen der russischen Seite gehört hätten, die mögliche Auswirkung eines solch gefährlichen Kurses Washingtons in Betracht zu ziehen".
- Nachrichtenagentur dpa