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Telefon-Offensive gegen Putin: "Das Einzige, was uns wirklich helfen kann"


Heiße Leitung nach Russland
So funktioniert die Telefon-Offensive gegen Putin

Von t-online, jpd

Aktualisiert am 03.01.2023Lesedauer: 2 Min.
Telefonzelle in Vilnius, Litauen: In Litauen entwickelt sich eine neue Strategie im Kampf gegen den Ukraine-Krieg.Vergrößern des Bildes
Telefonzelle in Vilnius: In Litauen entwickelt sich eine neue Strategie im Kampf gegen den Ukraine-Krieg. (Quelle: agefotostock/imago-images-bilder)
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Per Zufallsgenerator sollen Freiwillige Millionen russischer Haushalte anrufen. Der Initiator der Aktion verrät, was die Flut an Telefonaten bewirken soll.

Ein Anruf kann die Welt nicht verändern, mehrere Millionen aber vielleicht schon. Das ist das Motto von Paulius Senūta. Wenige Wochen nach der russischen Invasion in der Ukraine gründete er mit einigen Freunden die Plattform "Call Russia", eine Telefon-Intitiative gegen Putins Propaganda-Maschine.

"In den ersten Kriegstagen hat einfach jeder hier in Litauen irgendetwas getan. Unsere Idee war eben, anzurufen", sagte Senūta im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Innerhalb von nur fünf Tagen stellte er im März demnach das Projekt gemeinsam mit IT-, Marketing- und PR-Expertinnen und -Experten auf die Beine. Sein Ziel: Mit Informationen aus dem Westen den Einfluss der russischen Staatspropaganda zu beschränken.

Die Freiwilligen von "Call Russia" rufen mit Hilfe eines Zufallsgenerators Menschen in Russland an, um aus der westlichen Perspektive zu erzählen und Informationen weiterzugeben. Sie hoffen, die Bevölkerung so über Falschinformationen des russischen Regimes aufklären zu können und sie davon abzubringen, weiterhin Putin zu unterstützen.

"Wir werden ständig gefragt, wo jetzt eigentlich die Front ist, welche Verluste es in der russischen Armee gibt, wie es wirklich aussieht in der Ukraine", berichtet Senūta über den Informationsmangel in Teilen der russischen Gesellschaft. Anfangs reagierten die Angerufenen ihmzufolge meist wütend und viele Gespräche dauerten keine fünf Minuten. Mittlerweile gebe es Gespräche von teilweise drei Stunden.

"Wir haben mit Psychologen eine Gesprächstechnik ausgearbeitet", erklärt Senūta, doch ehrliches Interesse am anderen Ende der Leitung sei dennoch notwendig. Auch sollten die Anrufer zuhören und konträre Ansichten ertragen können. "Natürlich ändere ich nicht das Weltbild eines fremden Menschen innerhalb einer Stunde. Aber die Leute fangen an nachzudenken."

Mehr als 50.000 Litauerinnen und Litauer haben ihr Glück am Hörer schon versucht und dabei etwa 180.000 Nummern angerufen. Gespräche entstanden dabei in ungefähr 90.000 Fällen.

40 Millionen russische Telefonnummern

Doch der Berg ist noch hoch: Rund 40 Millionen russische Telefonnummern hat sich die Gruppe nach Angaben der "SZ" aus dem Internet heruntergeladen. Kontaktiert werden sollen alle. Es könne jede und jeder anrufen, die und der Russisch spricht. "Das ist doch das Einzige, was uns wirklich helfen kann: von Mensch zu Mensch miteinander reden", so Senūta.

Die meisten Freiwilligen kommen aus Litauen und aus anderen baltischen Ländern, die bis 1990 Teil der Sowjetunion waren. Doch auch Exil-Russinnen und -Russen überall auf der Welt beteiligen sich an der Aktion. Über mehr als 20 Jahre sei das Bild eines feindlich gesinnten Westens in Russland aufgebaut worden – ein Feindbild, das sich nicht über Nacht dekonstruieren lasse. Doch Senūta gibt zu, dass die meisten Europäer und Amerikaner viel zu wenig oder gar nichts über die Russen wüssten. Er hofft daher, dass das Projekt auch in die andere Richtung wirkt und in westlichen Ländern für mehr Verständnis sorgt. Institutionen der Europäischen Union sowie Nichtregierungsorganisationen haben bereits Interesse an den Erfahrungen und Erkenntnissen der freiwilligen Anruferinnen und Anrufer bekundet.

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