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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Jagd ins Weltall Wie Putin es den Amis mal so richtig gezeigt hat
Es brauchte mehrere Anläufe, nun ist der deutsche Astronaut Matthias Maurer im Weltall. Andere sind da längst weiter: Kreml-Chef Putin ließ im Kosmos sogar schon einen Film drehen. Tom Cruise bleibt da nur das Staunen, meint Wladimir Kaminer.
Am Anfang war Tom Cruise. Er wollte den ersten Film im Weltall drehen, zu diesem Zweck kam er mit seinem Filmteam nach Russland und nahm Kontakt auf mit dem Direktor von Roskosmos, der Weltraumorganisation der Russischen Föderation. Cruise ist in Russland ein gern gesehener Gast. Putin mag ihn. Auch, weil er kleine schlaue Männer mag, die angstfrei agieren.
Der Schauspieler suchte eine passende Rakete für seinen Actionfilm, die ihn und sein Filmteam samt Ausrüstung weit genug ins Weltall schießen könnte. Der adrenalinsüchtige Cruise ist dafür bekannt, dass er seine Actionszenen ohne Stuntman dreht, wie eine Eidechse auf Felsen klettert, nur mit einem dünnen Seil abgesichert vom Dach des höchsten Hauses der Welt springt, und brennende Autos zu Schrott fährt.
Den Außerirdischen schwant Übles
Der Mann kann angeblich sechs Minuten lang unter Wasser die Luft anhalten und rückwärts schwimmen. Cruise hat auch schon in der Schwerlosigkeit eines vom Himmel fallenden Flugzeugs eine Kampfszene gedreht. Angeblich musste sie 23 Mal wiederholt werden. Welche Heldentaten hat Cruise für seinen ersten Weltraumfilm geplant? Wollte er ohne Astronautenanzug auf der Kapsel herumschrauben, mit Meteoriten Fußball spielen, Außerirdische k. o. schlagen?
Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit rund 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört "Russendisko". Kürzlich erschien sein neuestes Buch "Die Wellenreiter. Geschichten aus dem neuen Deutschland".
Die Möglichkeiten für Actionszenen sind auf einer Raumstation ziemlich begrenzt. Da kann man nicht allzu toll herumspringen. Aus dem Projekt wurde sowieso nichts, Cruise machte einen Rückzieher ohne Angabe von Gründen. Man munkelte, die amerikanische Regierung habe dem Schauspieler verboten, mit einer russischen Rakete zu fliegen, das sei eine unpatriotische Kooperation und würde ein falsches Signal in die Welt setzen.
So als wären die russischen Raketen den amerikanischen überlegen. Er solle mit einem heimischen Raumschiff wie der "Dragon" fliegen oder noch besser sein Weltraumabenteuer auf der Erde in einem Hollywood-Studio nachstellen. Die Russen waren maßlos enttäuscht. Der Direktor von Roskosmos sagte, wenn die Amerikaner so feige sind, dann drehen wir unseren eigenen Film, keinen stumpfen Actionfilm, sondern eine Liebesgeschichte, denn der Kosmos soll kein Schlachtfeld, sondern ein Ort der Liebe sein.
Der Plot des Films (Arbeitstitel: "Die Herausforderung") darf nicht erzählt werden, ich spekuliere: Einem alten russischen Kosmonauten ist auf der Raumstation schlecht geworden, er hat was am Herzen, sendet einen Notruf und flugs kommt eine junge Ärztin zu ihm hoch, die ihn am offenen Herzen im All operiert. Kaum kommt er wieder zu sich, fangen die beiden an, einander zu mögen.
Das Wichtigste vergessen
Inzwischen sind die Szenen im Weltraum abgedreht, der Regisseur und die Schauspielerin samt fünf Kameras wurden erfolgreich ins Weltall transportiert und sind zurückgekehrt, drei Kameras sind abgebrannt, zwei geblieben, die Darstellerin landete gesund und munter auf der Erde.
Die Schauspielerin, eine äußerst attraktive und begabte junge Frau, gab gleich nach der Landung, bereits gut geschminkt, Interviews darüber, wie anstrengend und herausfordernd die Dreharbeiten waren. Am schlimmsten fand sie, dass man in der Schwerlosigkeit die wichtigsten Sachen nicht bei sich behalten kann – Lippenstift, Tusche, die ganze Kosmetik flog ihr ständig aus der Hand. Sie musste ihre Utensilien mit einem Klebeband befestigen und hinter sich schleifen lassen.
Sie klebte die Sachen immer wieder mal an der einen und mal an einer anderen Ecke in der Kabine an und vergaß schließlich ihre gesamte Kosmetiktasche im Weltall. Ich hoffe sehr, sagte die Schauspielerin, dass wir bald den zweiten Teil drehen, ich vermisse mein Schminkzeug sehr.
Natürlich ist der Film schon jetzt der teuerste aller Zeiten. Wenn man den russischen Klatschblättern glauben darf, ist die Schauspielerin die neue Freundin von Roman Abramowitsch, dem russischen Milliardär und Besitzer des Fußballvereins Chelsea. Er habe sich an den Raketenflugkosten beteiligt, behaupten die Klatschblätter. Die Dreharbeiten wurden zur Hauptnachricht des Monats, das Land ist stolz wie Bolle, Tom Cruise raucht nervös in einer Ecke.
Corona schlägt wieder zu
Dabei geht es Russland nicht gut, eine neue Corona-Welle rafft die Menschen zu Tausenden dahin, die Verarmung der Bevölkerung nimmt im siebten Jahr infolge trotz steigender Öl- und Gaspreise auf dem Weltmarkt zu, die Beziehungen zum Ausland sind auf einem Tiefpunkt. Und trotzdem reden alle über den Film und sind stolz, wieder die Ersten zu sein. Die Ersten bei Dreharbeiten im Weltall.
Es war schon immer wichtiger für meine Landsleute, etwas im Weltall zu erreichen als auf Erden. Auf der Erde kann es jeder, sagen sie, versuchen wir es im Kosmos. Wir ehemaligen Sowjetmenschen sind alle vom Kosmos geküsst. In der Romantik des Kapitalismus ging es darum, als Tellerwäscher anzufangen, um irgendwann Millionär zu werden, wenn alle Teller sauber sind.
Wir träumten vom Universum. Überall wollten sich die Menschen auf ihre kosmische Tauglichkeit testen lassen. In meiner Kindheit träumten die Mädchen, Ballett zu tanzen, die Jungs wollten aber Kosmonauten werden. In jedem Pionierschloss gab es einen "Trupp der jungen Kosmonauten", es war nicht leicht, dort Mitglied zu werden.
Man musste ein Vorgespräch mit einem bereits geflogenen oder getesteten Kosmonauten bestehen. Die Kosmonauten waren die Promis des Sozialismus, in Konzerten, Fernsehshows und bei Parteitagen saßen sie in den ersten Reihen, sie hatten ihre eigene Kosmonauten-Stadt, "Sternenstädtchen" genannt, in der Nähe von Moskau, wo nur Kosmonauten und ihre Familien lebten.
Wer im All war, rauchte besser
Für Normalsterbliche war es unmöglich, dort reinzukommen. Natürlich sind sie nicht alle ins Weltall geflogen, aber sie waren jederzeit bereit, die Erde zu verlassen. Meine Eltern hatten in der Nähe des Sternenstädtchens eine Datscha gemietet, wir Jungs sind oft über die Mauer geklettert, um dort im Laden die besseren Zigaretten (der Marke "Kosmos") zu kaufen und mit den Kosmonauten in Kontakt zu kommen. Ich habe als Kind mit mehreren gesprochen, auch mit ins All Geflogenen.
Ein geflogener Kosmonaut erzählte uns einmal, im Weltall sei es gar nicht so spannend. Am Anfang sei es hübsch, die kleinen runden Planeten, die man im Bullauge sieht, drehen sich langsam um die eigene Achse und um die Sonne herum. Doch auf Dauer könne es ziemlich öde werden. Der Weltraum, erklärte uns der alte Kosmonaut, sei ein wenig wie Sibirien. Einmal durchreisen ist okay, dauerhaft dort zu bleiben: Nein, danke.
Man weiß nun nicht genau, ob auch eine Liebesszene zwischen dem Kosmonauten und der Ärztin gedreht wurde. Angeblich seien die Liebesszenen im Weltall besonders schwierig. Bereits im vorigen Jahrhundert haben die Russen eine umfangreiche Forschung darüber betrieben, ob Sex in der Schwerlosigkeit möglich ist.
Zu diesem Zweck wurden Paare ins All geschickt. Die Ergebnisse dieser Experimente waren so lala. Wenn sich zwei Menschen in der Schwerelosigkeit heftig aneinanderdrückten, flogen sie schon im nächsten Moment genau so heftig auseinander. Also mussten sie sich aneinander festschnallen. Es fließt nichts in der Schwerelosigkeit und es fällt nichts herunter. Das heißt, wenn einer der Liebenden vor Aufregung niest, wird das Ausgenießte neben ihm in der Luft hängen.
Außerdem funktioniert die Durchblutung des Körpers im All anders. Das Blut steigt nach oben, zum Kopf, was gut fürs Küssen ist. Um eine Erektion zu bekommen, muss der Kosmonaut aber einen Kopfstand machen. Die sowjetischen Kosmonauten haben sich als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen, auch Jahre später noch, längst wieder auf der Erde gelandet, konnten sie ihre Frauen zu Hause nur auf dem Kopf stehend umarmen, so sehr hatten sie sich an das Leben im Weltraum gewöhnt, erzählte uns der alte Kosmonaut.
Ob Tom Cruise das auch kann?
Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.