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Helmut Kohl: Die öffentliche Familientragödie des "Kanzlers der Einheit"


Helmut Kohls Familientragödie
Warum diese Fotoidylle wenig mit der Realität zu tun hatte

Von t-online
Aktualisiert am 30.05.2023Lesedauer: 5 Min.
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Helmut und Hannelore Kohl 1988 in St. Gilgen: Schöne Urlaubsbilder, schwieriges Familienleben. (Quelle: Thomas Imo via www.imago-images.de)
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Als "Kanzler der Einheit" ist Helmut Kohl in die Geschichtsbücher eingegangen. Doch die Geschichte seiner Familie gleicht eher einer Tragödie.

Helmut Kohl hatte mit seiner Frau Hannelore zwei wohlgeratene Söhne, Walter und Peter. Im Sommer fuhren sie oft nach St. Gilgen in Österreich in den Urlaub. Sie saßen auf der Terrasse des Ferienhauses zusammen, badeten mit einem orangefarbenen Schlauchboot im Wolfgangsee und spielten im Garten mit Katzenbabys.

So zeigen es Fotos, die der damalige CDU-Chef und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz 1975 anfertigen ließ. Sie sollten wohl die Geschichte einer Familienidylle erzählen. Das traute Heim eines Mannes, der hoch hinaus wollte. Geschadet haben die Bilder nicht: 1982 wurde Kohl zum Bundeskanzler und mit dem Ende der DDR zum "Kanzler der Einheit". 16 Jahre lang regierte er Deutschland.

Erst Jahrzehnte später wurde bekannt, dass es mit der vermeintlichen Familienidylle der Kohls offenbar nicht weit her war – und die schönen Bilder eben nur schöne Bilder waren. In der Realität war der Staatsmann Kohl kaum da, seine Frau Hannelore und die Söhne litten unter Einsamkeit und der Öffentlichkeit. Das Familienleben – eher Tragödie als Idylle.

Helmut trifft Hannelore beim Tanzen

Hannelore war 15, als sie den drei Jahre älteren Helmut 1948 beim Tanzen kennenlernte. Der Zweite Weltkrieg war vorbei, die Schrecken hallten nach. Hannelore war in den letzten Kriegstagen mehrfach vergewaltigt worden, wie sie später erzählte. Der 1930 geborene Helmut kam um den Einsatz als Flakhelfer herum, doch sein Bruder Walter fiel im Krieg.

Helmut und Hannelore verliebten sich. Beide machten das Abitur und begannen zu studieren, sie Sprachwissenschaften, er Jura und Geschichte. Als Hannelores Vater starb, fehlte ihr das Geld, um weiterzumachen. Sie arbeitete bei einem Verlag und dem Chemieriesen BASF. Helmut beendete sein Studium mit dem Doktortitel, arbeitete an seiner politischen Karriere und als Direktionsassistent im Pfalzgußwerk Walter Mock.

1960, zwölf Jahre nach ihrem Kennenlernen, heirateten die beiden. Drei Jahre später wurde Sohn Walter geboren, zwei weitere Jahre danach Peter. Familie Kohl war komplett.

Hannelore Kohl: Schmähungen und Rückzug ins Private

Während sich Helmut um die Politik kümmerte, 1969 zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und 1973 zum Bundesvorsitzenden der CDU wurde, kümmerte sich Hannelore um die Familie. Von der Politik versuchte sie sich und die Söhne weitgehend fernzuhalten, doch das gelang immer weniger.

Als Helmut 1982 zum Bundeskanzler gewählt wurde, musste sich Hannelore Schmähungen anhören. Sie war die "Barbie" oder "das blonde Dummchen aus der Pfalz". Dabei war ihr Rat für Helmuts Karriere anfangs entscheidend, so erzählt es Sohn Peter Jahre danach. Hannelore, die in Berlin geboren und in Leipzig aufgewachsen war, schärfte ihm zufolge Helmuts Blick für den Osten. "Hannelore machte Helmut Kohl, so wie wir ihn kannten, möglich."

Doch das Leben, die Einsamkeit, machten ihr zu schaffen. Sie zog sich immer mehr zurück. Und noch etwas stärker, als Helmut 1998 abgewählt wurde und 1999 die CDU-Spendenaffäre öffentlich wurde. Auch sie wurde angespuckt für die illegalen Geschäfte ihres Mannes, als "Spendenhure" beschimpft.

Nur noch selten verließ sie den Kanzlerbungalow in Ludwigshafen-Oggersheim, klagte über eine "Lichtallergie". Im Juli 2001 nahm Hannelore Kohl eine Überdosis Tabletten und starb mit 68 Jahren. 41 davon war sie mit Helmut Kohl verheiratet gewesen.

Entfremdung von Walter und Peter

"Walter, deine Mutter ist tot." So erfuhr der älteste Sohn am Telefon von Hannelores Tod. Doch nicht sein Vater Helmut hatte ihn angerufen, sondern dessen Büroleiterin. So schildert Walter es in seinem Buch "Leben oder gelebt werden", das er 2011 veröffentlichte. Nach der Spendenaffäre veränderte das Buch den Blick auf den "Kanzler der Einheit" ein weiteres Mal nachhaltig.

Walter selbst beschrieb das Werk als einen Akt der Selbsttherapie, der ihn davor bewahrt habe, ebenfalls Suizid zu begehen. Das Urteil über den Vater darin könnte härter kaum ausfallen. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte Walter damals: "Mein Vater hat sich nur selten mit uns Kindern beschäftigt, er war ein Gast in unserer Familie."

Die Kohls hatten ihre Söhne nach dem Abitur zum Studieren ins Ausland geschickt, weit weg von den interessierten Augen der deutschen Öffentlichkeit. Walter studierte unter anderem an der berühmten Harvard University, Peter am Massachusetts Institute of Technology, dem MIT. Beide wurden Unternehmer – und Autoren.

Peter schrieb schon 2002, ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter, eine Biografie über sie. Walter verfasste nach dem aufsehenerregenden Titel "Leben oder gelebt werden" noch drei weitere Bücher, Auftritte in Talkshows inklusive.

Zweite Ehe mit Maike Richter-Kohl

Helmut Kohl heiratete 2008 ein weiteres Mal. Seine Söhne erfuhren davon per Telegramm: "Heidelberg 8. Mai. Wir haben geheiratet. Wir sind sehr glücklich. Maike Kohl-Richter und Helmut Kohl." Die Söhne selbst waren zur Hochzeit nicht eingeladen, der Bruch war wohl schon zu tief.

"Dass sie stattfinden sollte, wusste ich vorher, allerdings nicht den Termin", sagte Walter Kohl später dem Magazin "Bunte" dazu. "Ich gebe zu, dass mich diese Vorgehensweise damals befremdet hat."

Helmut Kohl hatte da gerade seinen schweren Sturz hinter sich, der eine Hirnquetschung zur Folge hatte. Die Hochzeit fand in der Kapelle der Reha-Klinik statt. Kohl saß seit dem schweren Unfall im Rollstuhl, sein Sprachzentrum blieb gestört. Maike Kohl-Richter sorgte für den Altkanzler.

Tod in Oggersheim

Kennengelernt hatten sich die beiden schon im Kanzleramt. Offiziell bekannt wurde die Beziehung 2005. "Helmut Kohl hat eine neue Freundin", schrieb der "Stern". Eine "34 Jahre jüngere Volkswirtin", die in der Wirtschaftsabteilung des Bundeskanzleramtes tätig gewesen sei und dort unter anderem an "Texten für den damaligen Bundeskanzler Kohl mitgearbeitet" habe – auch an seinen Memoiren.

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"Ohne die gäb' es mich nicht mehr", soll Helmut Kohl mal einem Vertrauten über seine zweite Frau gesagt haben. Kritiker warfen ihr vor, den Altkanzler in dessen letzten Jahren von einstigen Vertrauten ferngehalten zu haben, etwa von seinem langjährigen Freund, Helfer und Fahrer Eckhard "Ecki" Seeber.

Am 16. Juni 2017 starb Helmut Kohl im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Oggersheim, in dem er seit 1971 gewohnt hatte. Maike Kohl-Richter war an seiner Seite. Sohn Walter scheiterte anschließend schon an der Haustür, er wurde nicht eingelassen. Für seinen Vater hatte er sich einen Staatsakt am Brandenburger Tor und die letzte Ruhe in Ludwigshafen neben Hannelore gewünscht.

Doch Maike Kohl-Richter hatte andere Pläne. Helmut Kohl wurde als erste Persönlichkeit überhaupt mit einem Trauerakt der EU in Straßburg geehrt. Anschließend fand die Totenmesse im Dom zu Speyer statt, wo er nun auf dem Friedhof begraben liegt. Seine Söhne Walter und Peter waren nicht dabei, weder in Straßburg, noch in Speyer.

Hinweis: Hier finden Sie sofort und anonym Hilfe, falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen.

Verwendete Quellen
  • sz.de: "Kohl und seine Familie – eine öffentliche Tragödie"
  • stern.de: "Die Tragödie einer Familie: Vom unendlichen Streit der Kohls um Geld und Liebe"
  • spiegel.de: "Eine schrecklich zerstrittene Familie"
  • ntv.de: "Kohls Söhne bleiben Trauerfeiern fern"
  • bunte.de: "Kohl-Sohn 'befremdet'"
  • stern.de: "Helmut Kohl hat eine neue Freundin"
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