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Bauern empört nach Agrarpaket der Ampel: "Weit hinter den Anforderungen"


Ampel beschließt Entlastungen für Bauern
"Im Herbst sind wir alle wieder auf der Straße"


27.06.2024Lesedauer: 3 Min.
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Nach langer Diskussion haben sich die Ampelfraktionen auf ein Gesetzespaket geeinigt, das die Landwirtschaft in Deutschland stärken soll. (Quelle: IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON/imago)

Noch vor den Landtagswahlen möchte die Ampelregierung den deutschen Bauern zeigen, dass sie ihre Sorgen ernst nimmt und hat sich auf ein Entlastungspaket geeinigt. Nur: Sind die Bauern damit zufrieden? t-online hat sie gefragt.

SPD, Grüne und FDP haben sich auf ein Entlastungspaket für die deutsche Agrarwirtschaft geeinigt, das bald beschlossen werden soll. Als Kernelemente sehen SPD, Grüne und FDP Bürokratieabbau und steuerliche Vorteile im Fall von witterungsbedingten Ertragsschwankungen. "Wie versprochen" würden damit die landwirtschaftlichen Betriebe entlastet und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft gestärkt, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich (SPD), Britta Hasselmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP).

Was Bauern wollen

Aber wie sehen das die Bauern selbst? Zwar hatte etwa der "Deutsche Bauernverband" genau diese Punkte seit Monaten gefordert, aber doch weitreichendere Änderungen erwartet als die nun beschlossenen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, kommentiert das angekündigte Agrarpaket: "Es geht zwar in die richtige Richtung, bleibt jedoch weit hinter den Anforderungen der Landwirtinnen und Landwirte zurück."

Rukwied wünscht sich eine Rücknahme weiterer geplanter Belastungen wie die Novelle des Tierschutzgesetzes und des Pflanzenschutzprogrammes der Bundesregierung, Lösungen für erneuerbaren Agrardiesel und die Möglichkeit für eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage. Alles das wäre gut für die Wettbewerbsfähigkeit, sagt der Bauernverband – aber auf Kosten von Klima- und Tierschutzes, sagen Umweltverbände.

Das Gefühl bleibt, nicht ernst genommen zu werden

Wie geht es der Praxis? Jens Schreinicke ist Landwirt und Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Potsdam-Mittelmark. Er fühlt sich vor allem: nicht ernst genommen und nicht gesehen. Schreinicke sagt zu t-online: "Wir haben Vorschläge unterbreitet, wieder und wieder. Aufgenommen wurde wieder wenig bis gar nichts."

Die angekündigten Entlastungen seien nur "kleine Brocken", die zwar zu Entlastungen führten, aber nicht ausreichten. So könnten die geplanten Änderungen bei der Zulage für witterungsbedingte Risiken nicht die finanziellen Lasten auffangen, die an anderer Stelle auf die Bauern zukämen.

"Wir können nicht streiken"

"Bürokratieentlastung ist schön, wenn sie funktioniert. Aber wirklich unzufrieden waren die Bauern ja wegen Auflagen wie der Stoffstrombilanz: Die bedeutet doppelte Aufzeichnungen und viel Arbeit. Die wurde aber nicht zurückgenommen. Das wäre ein Zeichen gewesen", sagt Schreinicke.

Er hat den Eindruck, dass die Bauern nicht genug Druck machen können: "Wenn die Regierung so mit Herrn Weselsky umgehen würde, würden hier im nächsten halben Jahr keine Züge mehr fahren." Bei den Bauern sei das nicht so einfach, erklärt der Landwirt. Heute müsse auf dem Hof das Heu gemacht werden, heute Abend bräuchten die Tiere Futter. Schreinicke sagt: "Wir können nicht streiken."

"60 Prozent Bürokratie"

Dem stimmt auch der Landwirt Marco Hintze zu, der Vorsitzende der "Freien Bauern Brandenburg". "Mein Alltag besteht inzwischen zu 60 Prozent aus Bürokratie", sagt er. Die doppelte Buchhaltung, etwa mit Düngebilanzen und Ackerschlagkarteien, habe daran einen entscheidenden Anteil. "Natürlich sind das alles andere Programme, zum Teil auch Online-Datenbanken. Nichts ist miteinander kompatibel, deshalb funktioniert es auch nicht, die Daten einfach zu kopieren", erklärt Hintze.

Er wünscht sich eine einzige Hofbilanz, in der er alle Daten zusammen erfassen kann. Die könne einfach zeigen, welche Nährstoffe in den Hof hineingehen – in Form von Dünger oder Saatgut – und welche Nährstoffe aus der Hofarbeit herauskommen, etwa in Form von Futtermitteln, Fleisch oder Mais für die Energiegewinnung. "Dabei geht keine Information verloren, aber es ist viel weniger Arbeit", sagt Hintze. Eine solche Anpassung wäre für ihn Bürokratieabbau. Auch den Erhalt des Agrardiesels fände er wünschenswert, solange es keine bezahlbare Alternative gibt.

Er hat den Glauben an den Dialog verloren

Außerdem gibt er zu bedenken: Die nun beschlossenen Steuerentlastungen seien eine Gewinnglättung über drei Jahre. "Das hilft nur den Höfen mit hohen Einkommen. Ich kenne keine Höfe, die in den letzten Jahren hohe Gewinne erzielt hätten", sagt Hintze.

Von der Regierung erwartet der Landwirt, der seit 2019 zu Protesten auf die Straße geht, insgesamt nicht mehr viel. "Ich war bei Gesprächen mit Herrn Woitke dabei. Der hatte uns versprochen, sich im Bundesrat bei der Abstimmung wenigstens zu enthalten. Nicht mal das hat er getan." Er merke an sich selbst, dass er den Glauben an Veränderung durch Dialog verliere. Und diese Entwicklung sieht Marco Hintze als gefährlich an – gerade angesichts der anstehenden Landtagswahlen. Das Agrarpaket helfe zur Beruhigung nicht: "Im Herbst, wenn wir wieder Zeit dazu haben, sind wir alle wieder auf der Straße".

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jens Schreinicke, Kreisbauernverband Potsdam Mittelmark, 26.06.2024
  • Interview mit Marco Hintze, Freie Bauern Brandenburg, 27.06.2024
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