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Polarwirbelsplit: Wie einst 1978 – als Deutschland im Schneechaos versank


Wetterlage wie am Wochenende
Schneekatastrophe: Als der Norden im weißen Chaos versank

Von t-online, law

Aktualisiert am 07.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Versunken im Schnee: Durch extreme Schneefälle bei starkem Sturm kam es 1978 zu haushohen Schneeverwehungen. Dadurch wurden ganze Gegenden in Nord- und Ostdeutschland für Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Auslöser war eine ungewöhnliche Wetterkonstellation, die sich aktuell auch abzeichnet.Vergrößern des Bildes
Versunken im Schnee: Durch extreme Schneefälle bei starkem Sturm kam es 1978 zu haushohen Schneeverwehungen. Dadurch wurden ganze Gegenden in Nord- und Ostdeutschland für Tage von der Außenwelt abgeschnitten. Auslöser war eine ungewöhnliche Wetterkonstellation, die sich aktuell auch abzeichnet. (Quelle: dpa)
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Feuchte Warmluft trifft auf eisige Luftmassen, es folgen ein drastischer Temperatursturz und Sturm mit enormen Schneemassen: Was Meteorologen fürs Wochenende erwarten, hatte in Deutschland schon einmal gewaltige Auswirkungen.

Mehr als 20 Menschen starben, dazu unzählige Tiere – kurz nach Weihnachten 1978 suchte eine eisige Katastrophe den Norden und den Osten Deutschlands heim. Eine ganz besondere Wetterlage war verantwortlich, die Meteorologen aktuell wieder heranziehen sehen. Über den Norden und weite Teile der DDR bricht ein Schneesturm herein, der Geschichte schreibt. 2005 sollte ein weiterer folgen, der den größten Stromausfall der Nachkriegszeit in Deutschland auslöste. Eine ausführliche Erklärung des sogenannten Polarwirbels und warum es keinen Anlass zur Panik gibt, finden Sie hier.

Feuchte Warmluft trifft polare Luftmassen

Das Wetter änderte sich am 28. Dezember 1978 schlagartig. Die feuchte Warmluft aus dem Rheinland, die die Temperaturen bestimmt hatte, traf auf eisige, trockene Luft eines Hochs aus Skandinavien. Große Luftdruckunterschiede – da hatten die Experten schon mit starkem Sturm gerechnet und Sturmflutwarnung gegeben. Doch das Ausmaß des Schneefalls hatten sie unterschätzt.

Am Abend steckten die ersten Fahrzeuge im Norden von Schleswig-Holstein fest, am nächsten Morgen lag fast das ganze Bundesland lahm. Und der Schneesturm hielt an, türmte Verwehungen immer höher auf. Einige Menschen wurden erst Tage später tot in ihren Autos gefunden.
Die Lebensmittel- und Medizinversorgung kam zum Erliegen. "Nichts ging mehr", erinnerte sich Meteorologe Thorsten Sävert, der damals selbst von bis zu 5 Meter hohen Schneeverwehungen eingeschlossen war.

Die Menschen waren auf sich gestellt. In Norddeutschland waren sogar Panzer aus Bayern im Einsatz, um in Ostfriesland Straßen freizuräumen. Aber auch die blieben vielerorts stecken.

Hubschrauber flogen fast ununterbrochen

Dieter Roeder, damals Pilot eines Transporthelikopters, erzählte zum 40. Jahrestag der Nachrichtenagentur dpa: "Vom Sonnaufgang bis Sonnenuntergang sind wir jeden Tag geflogen, oft mussten wir selber über Hilfsaktionen entscheiden." Dialyse-Patienten und Hochschwangere mussten in Krankenhäuser geflogen werden.

Hubschrauber der Bundeswehr warfen Futtersäcke über Bauernhöfen ab, wo bereits Tiere verendeten. Im Darß in Mecklenburg-Vorpommern überlebten Schafe unter dem Schnee, und wurden nach der Befreiung von hungernden Wildschweinen angegriffen.

Der "Stern" schrieb vom "Sechs-Tage-Krieg gegen den Schnee". Für diesen Kampf zogen Tausende Soldaten in der DDR zur Hilfe in den Kohletagebau, um zumindest zwei Drittel der gewohnten Menge fördern zu können. Für die Wirtschaft blieb Kohle noch wochenlang rationiert.

Wie wenig sich die Behörden das Chaos zuvor hatten vorstellen können, hatte sich im DDR-Energieministerium in Ost-Berlin gezeigt. Bei fast 10 Grad Plus hatten die eindringlichen Warnungen nicht die höchste Einsatzstufe ausgelöst, als das Unheil schon fast losbrach. Das war den Bürokraten übertrieben erschienen.

Eine fatale Fehleinschätzung. Einige Wochen später musste der Energieminister seinen Hut nehmen. Zunächst war die Förderung der wasserhaltigen Braunkohle in der Lausitz in der Kälte fast zum Erliegen gekommen. Doch der Strom kam aus der Kohle. Folglich mussten 2,5 Millionen Menschen der Strom abgestellt werden, damit das Netz nicht völlig zusammenbricht.

88 Strommasten brachen

Tagelangen Stromausfall erlebten 2005 auch die Menschen im Münsterland: Hier war es kein Hoch, sondern ein Tief aus der Polarregion. Es traf am 24. und 25. November 2005 auf ein kräftiges Hoch. Diese Extrem-Wetterlage brachte nicht so eisige Temperaturen wie 1978, aber wieder brach ein Sturm mit Schneemassen los. Der Deutsche Wetterdienst prägte den Begriff "Münsterländer Schneechaos".

Am 25. mittags waren im Münsterland nach 6 Stunden bereits 20 Zentimeter Schnee gefallen. Als Unwetter gilt bereits, wenn mehr als 15 Zentimeter in 12 Stunden fallen. Die Autobahnen waren dicht, Züge fuhren nicht mehr. Der Luftschutzbunker unter dem Hauptbahnhof Münster wird als Notunterkunft geöffnet. Es kamen bis zum nächsten Tag für die Region außergewöhnliche 50 Zentimeter zusammen.

Blockierte Strecken waren damals nicht das größte Problem, es war die Last von Schnee und Eis. Dächer kollabierten, und 88 Stromleitungsmasten knickten durch Vereisungen ein oder wurden schwer beschädigt. 250.000 Menschen waren in der Folge ohne Strom – manche davon für Tage. Auf 100 Millionen Euro wurde der Schaden am Stromnetz geschätzt.

Versorger RWE und E.ON Westfalen Weser räumten danach ein: Ein Großteil der Stahlriesen war vor 1940 errichtet worden. Die Bundesnetzagentur analysierte aufwändig die Ursachen. Die Masten in Deutschland wurden erneuert – zumindest dieses Risiko ist bei plötzlichem starkem Schneefall sehr gering.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Archiv
  • Bundesnetzagentur: Schadensanalyse an im Münsterland umgebrochenen Strommasten
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