Tornados und Todesopfer Monstersturm "Irma" überflutet Miami
In den Schutzunterkünften Floridas warten fast 500.000 Menschen darauf, dass das Schlimmste vorbei ist. Doch der Monstersturm "Irma" wälzt sich nur langsam Richtung Norden. Noch bevor er seine gesamte zerstörerische Kraft entfaltet, sind bereits 2,1 Millionen Menschen ohne Strom.
Der Hurrikan ist mit gewaltiger Kraft über den Bundesstaat an der US-Ostküste hereingebrochen. Der gefährliche Sturm peitschte am Sonntag über die fast menschenleeren Florida Keys und begann damit seinen langsamen und vermutlich zerstörerischen Pfad durch den US-Staat. Allein binnen einer Stunde bildeten sich sechs Tornados. "Betet, betet für alle in Florida", sagte Gouverneur Rick Scott im US-Fernsehen. In Miami kam es zu Überflutungen. Die Behörden meldeten die ersten drei Todesopfer. US-Präsident Donald Trump sicherte jedwede Unterstützung der Bundesregierung zu. Er selbst werde "sehr bald" Richtung Florida aufbrechen.
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Das öffentliche Leben steht in großen Teilen des US-Bundesstaates still. Sechsspurige Highways – leer gefegt. Tankstellen – leergepumpt. Viele Orte im Süden Floridas glichen Geisterstädten. Fast 2,1 Millionen Menschen sind bereits jetzt ohne Strom, obwohl sie teilweise Hunderte Kilometer vom Zentrum des Sturms entfernt leben. Der Sturm gilt als extrem gefährlich, an der Westküste Floridas wird mit Sturmfluten und viereinhalb Meter hohen Wellen gerechnet. In der Karibik starben bereits mehr als 20 Menschen in dem Hurrikan.
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Fast jeder der 20 Millionen Einwohner Floridas ist irgendwie betroffen; 6,5 Millionen von ihnen wurden aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Es könnte der schlimmste Sturm werden, der die Halbinsel im Süden der USA je getroffen hat. 1992 hatte Hurrikan "Andrew" den Bundesstaat flächendeckend verwüstet. "Irma" könnte noch schlimmer werden.
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Im Südwesten, wo der Hurrikan im Laufe des Sonntags (Ortszeit) mit Windgeschwindigkeiten bis zu 210 Kilometer pro Stunde aufs Festland treffen sollte, ist kein einziges Geschäft mehr geöffnet. Als das Auge des Wirbelsturms am Sonntag noch über 150 Kilometer von der Metropole Miami an der Ostküste Floridas entfernt war, knickten dort schon Bäume und Verkehrsschilder um. Windböen tobten spürbar um die Häuser, nachts wurde eine Ausgangssperre verhängt.
"Es wird schlimm, es wird eine Katastrophe", sagt eine Frau, als sie gerade im letzten offenen Laden noch ein paar Lebensmittel einheimst. Denn längst nicht alle Bewohner haben die Evakuierungsanweisungen der Behörden befolgt. Besonders ältere Menschen haben sich geweigert, ihre Häuser oder Wohnungen zu verlassen. In Florida leben im Vergleich zu anderen Bundesstaaten besonders viele Senioren.
Furcht vor Sturm löste Massenflucht aus
Wer jedoch konnte, hat Florida verlassen. Die Furcht vor dem Wirbelsturm löste eine regelrechte Massenflucht aus. Weil sich auf den Autobahnen Staus bildeten und einigen Tankstellen der Sprit ausging, war die wohl beispiellose Evakuierung zu einem Wettlauf gegen die Zeit geworden. Wer Glück hatte, fand ein Hotel, außerhalb der Evakuierungszone. Im Westen Floridas, bis hinauf nach Tampa, sind Hotelzimmer in halbwegs sicherer Lage komplett ausgebucht. Einige bleiben im eigenen Haus, verrammelt mit Sperrholzplatten und Metallpaneelen.
Im Südosten, um Miami und Palm Beach herum, toben Tornados. Die Menschen fürchten, dass Sturmfluten das Meerwasser hereinwaschen. Bis zu vier Meter hoch könnten die Wellen werden, dort wo jetzt Häuser stehen und Straßen entlangführen.
"Mein Dach stammt aus der Zeit vor Hurrikan Andrew", sagt Steve Pietrzyk (53), ein Mann aus Bonita Springs, an der Westküste. Deswegen hat er mit seiner Frau Lynn Unterschlupf im Motel "Days Inn" gesucht, ganz am Rand der Evakuierungszone. Dort will er gemeinsam mit rund 100 anderen Gästen ausharren, bis "Irma" vorbeigezogen ist. Strom gibt es auch dort nicht mehr.
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Die Gäste sitzen im Frühstücksraum zusammen, machen sich Mut. Die meisten sind Einheimische, deren Häuser zu nahe am Wasser liegen. Neben Pietrzyk sitzt Tom Tortorice, ein 89 Jahre alter Koreakrieg-Veteran. Er hat ganz andere Probleme. Er kann zum Beispiel beim besten Willen nicht verstehen, warum US-Präsident Donald Trump Nordkorea nicht angreift.
Wer kein Hotelzimmer mehr bekommen konnte, muss in einen der Schutzräume: Fast alle der 421 Notunterkünfte sind in Schulen oder Kirchen untergebracht, strategisch günstig gelegen, am Rande der Evakuierungszonen. Aber es sind zu wenige. Bewohner klagen, die Behörden hätten zu lange gehofft, der Sturm werde im Osten, in der Region um Miami, seine größte Kraft entfalten. Dort wiederum herrscht Angst vor Sturmfluten und Tornados.
Im Boynton Freizeitzentrum in Palm Beach herrscht noch am Samstag erstaunliche Ruhe. Alte und junge Menschen haben sich auf Luftmatratzen ausgestreckt, scrollen auf ihren Smartphones, blättern in Zeitschriften. Hier und da unterhält sich jemand. Und ab und an ertönt ein leises "Miau" – hinter der schwarzen Plastikplane, die die knapp 200 Menschen in der Notunterkunft von den mehr als 80 Katzen dort trennt.
"Nicht das Hilton, aber besser als nichts"
Das Zentrum ist eine von 17 Notunterkünften in dem Bezirk im Süden Floridas. Knapp 16.000 Menschen haben allein dort nach Behördenangaben bis Samstagmittag Schutz in Notunterkünften gesucht. In ganz Florida waren es bis zum Sonntagmittag nach offiziellen Angaben über 450.000.
"Irma" hat alle Gestrandeten in die gleiche Situation gebracht. Höflich ist die Atmosphäre, man hält sich die Tür auf, lächelt einander zu. "Wir sind nicht gerade das Hilton, aber es ist besser als nichts", sagt Liz Harfmann, vom Tierschutzamt des Landkreises Palm Beach County, die für die Notunterkunft zuständig ist. In der Küche trifft gerade palettenweise Wasser ein, Obstkisten stapeln sich.
Die Mahlzeiten liefert und zahlt der Staat – alles andere wie Schlafsack, Matratze und Kleidung müssen Schutzsuchende selbst mitbringen. Feldbetten gibt es nicht. Viele schlafen auf dem Turnhallenboden, nur mit einer dünnen Decke geschützt.
Hunderte Haustiere ebenfalls evakuiert
Das Zentrum ist das einzige in Palm Beach County, in dem auch Haustiere erlaubt sind. Auf dem Gang vor der Turnhalle späht ein Graupapagei aus dem Türgitter einer Katzen-Transportbox, in mehreren Vogelkäfigen daneben zwitschern Wellensittiche. 150 Hunde, 83 Katzen, zwei Beuteltiere und 15 Vögel hat Liz feinsäuberlich auf einer Tafel notiert. "Keine Reptilien, kein Vieh", so lauten die Hausregeln in der Schutzunterkunft.
18 Angestellte und eine Handvoll Freiwillige sind in der Notunterkunft verantwortlich – für Mensch und Tier gleichermaßen, rund um die Uhr. "Auch wenn jemand um 3 Uhr nachts mit seinem Hund kommt, heißen wir ihn willkommen."
Alte, Kranke und Behinderte schleppen sich in die Unterkünfte. Margarethe hat gerade eine Hirnoperation hinter sich. Ihre Tochter war von Hurrikan "Harvey" in Texas betroffen, jetzt ist sie die Leidtragende. "Wir leben in Boca Raton, in einer Flutzone", sagt sie.
Emma, die zehn Jahre alte Tochter ihres Lebensgefährten, ist bei ihr. Der Vater ist Holzfäller. Er kam nicht rechtzeitig vom Arbeitseinsatz an der kanadischen Grenze zurück. Emma kümmert sich um ihr Kätzchen Drusil. "Sie ist ziemlich traumatisiert", sagt sie über das Tier, das in einem der gestapelten Katzenkäfige einen Platz gefunden hat.
"Dann können wir endlich wieder nach Hause"
Die menschlichen Bewohner der Unterkunft nehmen die Situation überwiegend sportlich. "Es ist wie ein großes Camping, nur drinnen", scherzt Roger Hurley. Frau und Kinder sind in der Schule nebenan untergekommen, der 54-Jährige bleibt bei den zwei Schäferhunden der Familie. Jeder Besitzer erhält ein nummeriertes Arm-, jedes Tier ein Halsband. Gassigeh-Zeiten legt ein Stundenplan fest.
Bis er wieder an der Reihe ist, macht Hurley es sich vor dem Zentrum gemütlich – mit Zigarre zwischen den Zähnen und einer Mini-E-Gitarre im Schoß. Langeweile ist neben "Irma" der größte Feind der Gestrandeten. In einem Schutzraum setzt sich eine Frau eine Clownsnase auf, umgeben von einer Schar Kinder.
Hurley dagegen nimmt es gelassen. "Ich habe "Andrew" 1992 miterlebt, letztes Jahr hatten wir auch einen Hurrikan, den ich hier verbracht habe", erzählt er. Er könne es kaum abwarten, bis der Sturm vorbeiziehe: "Dann können wir endlich wieder nach Hause." Dazwischen liegen noch bange Stunden.