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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erdstoß-Serien in Griechenland und Italien Experte befürchtet Mega-Beben im Mittelmeer
Sowohl in der Ägäis als auch in der Toskana bebt die Erde. Besteht ein Zusammenhang und droht möglicherweise die große Mittelmeer-Katastrophe?
Die bei Touristen beliebte griechische Insel Santorini in der Ägäis kommt nicht zur Ruhe. Seit Sonntag wurden mehr als 200 Erdbeben registriert, am Montagmorgen erschütterte ein Beben der Stärke 4,9 zwischen Santorini und der Nachbarinsel Anafi die Region.
Gleichzeitig hat am Sonntagabend mehrfach in der Toskana die Erde gebebt. Schäden wurden bisher weder in Griechenland noch in Italien gemeldet. Aber die Sorge, vor allem in Griechenland, wächst: Einige Bewohner von Santorini verbrachten die Nacht aus Angst vor weiteren Beben im Freien. Sie schliefen in ihren Autos oder an Orten, die von den Behörden als sicher deklariert worden waren. Andere haben die beliebte Ferieninsel im östlichen Mittelmeer bereits verlassen, die Fähren in Richtung Piräus und Athen waren voll und Flüge zum Teil ausgebucht.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis rief die Menschen auf, trotz der "sehr starken" seismischen Aktivitäten "ruhig zu bleiben". "Wir müssen mit einem sehr starken geologischen Phänomen umgehen", sagte er.
Vulkanausbruch droht: 1650 viele Tote und Tsunamis
Torsten Dahm, Professor für Geophysik und Seismologie an der Universität Potsdam und Leiter des Geophysik Departments des GFZ Potsdam, spricht von einer "seismischen Krise im Vulkansystem um Santorini". t-online sagte er, es sei zu befürchten, dass weitere starke Beben noch ausstehen. Möglicherweise könne es sogar zu einem Vulkanausbruch kommen.
Der nahe Unterwasservulkan Kolumbos hatte sich zuletzt Mitte des 17. Jahrhunderts über die Wasseroberfläche erhoben und war ausgebrochen. Viele Gebäude wurden zerstört, Dutzende Menschen starben. Der anschließende Kollaps des Vulkans löste einen Tsunami aus, der noch auf Inseln in 150 Kilometern Entfernung Schäden verursachte.
Wohl magmatischer Ursprung in Griechenland – anders als in Italien
Dass gleichzeitig in Italien und Griechenland die Erde bebt, führt zu der Frage, ob ein Zusammenhang bestehen könnte. In beiden Gebieten stoßen die Afrikanische und die Eurasische Erdplatte aneinander. Erdbebenexperte Dahm geht allerdings nicht von einer gegenseitigen Beeinflussung aus. Die Erdstöße seien bisher nicht stark genug gewesen und die Distanz sei mit rund 1.400 Kilometern Luftlinie zu groß. "Einen Zusammenhang schließen wir daher aus", sagte Dahm.
Zudem scheine die seismische Aktivität rund um Santorini nicht von tektonischen Verschiebungen ausgelöst worden zu sein. Das schwarmartige Beben mit einem langsamen Anstieg der Magnituden über mehrere Tage deute eher auf einen magmatischen Ursprung hin: Es sei anzunehmen, dass sich geschmolzenes Gestein im Untergrund bewege. Im Extremfall könne es auch an die Oberfläche schießen – dies wäre dann der befürchtete Vulkanausbruch.
Katastrophenschutz vor Ort, Militär bereitet sich vor
Der Katastrophenschutz ist nach Santorini beordert worden. Auch das Militär bereite sich auf einen möglichen Hilfseinsatz vor, berichtete der Nachrichtensender ERTnews. Die Behörden bitten die Anwohner, sich an die Notfallpläne und Anweisungen zu halten.
Schulen bleiben geschlossen, Veranstaltungen sind untersagt. Wegen der Gefahr von Tsunamis bei einem schweren Beben soll man sich nicht in Hafen- und Küstennähe aufhalten.
"Der Albtraum von 1956 kehrt zurück", titelte die Zeitung "Ta Nea" am Montag. Damals hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,2 sowie die darauffolgenden Tsunamis in der Region Dutzende Opfer gefordert und schwere Schäden verursacht.
Erdbebenforscher Dahm sagte t-online, es sei ein realistisches Szenario, dass so etwas irgendwann wieder geschehe. Wie schlimm die aktuelle Erdbebenserie aber letztlich wird, sei im Moment noch kaum abzuschätzen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Telefonat mit Torsten Dahm, Professor für Geophysik und Seismologie an der Universität Potsdam und Leiter des Geophysik Departments des GFZ Potsdam