Verheerendes Erdbeben in Marokko Aus den Trümmern strömt Leichengeruch
Auch am dritten Tag nach dem schweren Erdbeben in Marokko dauert die Suche nach Vermissten an. Unterdessen steigt die Zahl der Todesopfer.
In den schwer zugänglichen Erdbebengebieten in Marokko läuft die Suche nach Hunderten von Vermissten auf Hochtouren. Während die Menschen die dritte Nacht in Folge aus Angst vor weiteren Nachbeben in den Straßen von Marrakesch und anderen Orten verbrachten, versuchten Soldaten mit Unterstützung ausländischer Hilfsteams in entlegene Bergdörfer vorzudringen.
Mit Bulldozern müssen in dem zerklüfteten Gelände Straßen von Erdrutschen befreit werden, damit Krankenwagen durchkommen, wie die Onlinezeitung "Morocco World News" berichtete. Überlebende des schweren Erdbebens schilderten, dass aus den Trümmern der Häuser Leichengeruch ströme.
Internationale Rettungsmission läuft
Großbritannien ist mit 60 Such- und Rettungsexperten samt Ausrüstungen sowie vier Suchhunden in Marokko, um die Einsätze unter marokkanischer Führung zu unterstützen, wie der britische Botschafter Simon Martin auf der Social-Media-Plattform X (vormals Twitter) mitteilte.
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Auch eine Spezialeinheit des spanischen Militärs mit Suchhunden beteiligt sich an den Bergungseinsätzen. Die Mission "entspricht den spezifischen Bedürfnissen vor Ort, die Marokko zuvor identifiziert hat, und sie wird in Abstimmung mit den marokkanischen Behörden durchgeführt", erklärte der Leiter des spanischen Rettungsteams gegenüber der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP.
Marokko hat noch keine deutsche Hilfe abgerufen
Obwohl auch andere Länder, darunter Deutschland, Hilfe angeboten haben, nahm Marokko zunächst nur von vier Ländern Unterstützung an. Das Innenministerium hatte am späten Sonntagabend erklärt, die Behörden hätten eine genaue Bewertung der Bedürfnisse vor Ort vorgenommen.
Dabei sei berücksichtigt worden, dass ein Mangel an Koordinierung in solchen Situationen zu nachteiligen Ergebnissen führe, meldete die marokkanische Nachrichtenseite "Hespress". Daher habe man zunächst "auf die Unterstützungsangebote der befreundeten Länder Spanien, Katar, Großbritannien und Vereinigte Arabische Emirate reagiert", hieß es in der Erklärung weiter.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, sagte am Montag in Berlin, zur Versorgung der Menschen in den betroffenen Gebieten könne man mit dem Technischen Hilfswerk (THW) eine Trinkwasseraufbereitungsanlage in das nordafrikanische Land schicken. Am Samstag hatte die Bundesregierung bereits angeboten, mit dem THW bei der Bergung von Verletzten und Toten zu unterstützen. Die Regierung in Rabat hatte daran jedoch kein Interesse gezeigt.
"Bislang sind diese Hilfsangebote nicht abgerufen worden", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Marokko habe sich aber für das Angebot bedankt. Auf die Frage, ob der Verzicht auf deutsche Unterstützung womöglich politische Gründe haben könnte, antwortete er: "Ich glaube, politische Gründe kann man hier ausschließen für unseren Fall." Die diplomatischen Beziehungen zu Marokko seien gut.
Erste 72 Stunden entscheidend für Retter – fast 2.900 Tote
Für die Einsatzkräfte ist es ein Wettlauf gegen die Zeit: Experten geben einen Richtwert von 72 Stunden an, in denen ein Mensch höchstens ohne Wasser auskommen kann. Unterdessen hat Marokkos Erziehungsministerium den Schulunterricht in 42 Dörfern in den am schwersten betroffenen Regionen ausgesetzt.
Nach bisherigen Erkenntnissen des Ministeriums befinden sich unter den Todesopfern sieben Lehrkräfte sowie 39 weitere Menschen. Mindestens 530 Erziehungseinrichtungen seien durch das Beben beschädigt worden. Nach bisherigen amtlichen Angaben kamen landesweit mindestens 2.862Menschen ums Leben, mindestens 2.562weitere Menschen wurden verletzt.
Die Europäische Union stellt zudem eine Million Euro für humanitäre Hilfe in Marokko bereit. "Das tragische Erdbeben in Marokko hat schreckliches Leid und den Verlust von Menschenleben verursacht", teilte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, in einer Pressemitteilung am Montag mit.
Die eine Million Euro sollten dabei helfen, die dringendsten Bedürfnisse der am stärksten betroffenen Menschen zu decken, hieß es. Zudem stehe die Kommission mit den EU-Staaten in Kontakt, um Einsatzteams zu mobilisieren, falls Marokko darum bittet.
Das Erdbeben der Stärke 6,8, das schlimmste seit Jahrzehnten in Marokko, hatte sich am späten Freitagabend ereignet. Seither wurde das nordafrikanische Land, wo Erdbeben nur selten vorkommen, von weiteren Nachbeben heimgesucht. Die Regierung in Marokko kündigte unterdessen einen Sonderfonds für die notleidende Bevölkerung an.
Damit sollten unter anderem Kosten zur Absicherung beschädigter Häuser gedeckt werden, berichtete die Nachrichtenseite Hespress unter Berufung auf einen Regierungssprecher. Zur Höhe des Hilfsfonds gab es zunächst keine Angaben. Er solle sich aus Geldern öffentlicher Einrichtungen und freiwilligen Beiträgen des Privatsektors zusammensetzen, hieß es. Zur medizinischen Versorgung der mehr als 2.000 Verletzten seien neben den ortsansässigen Krankenhäusern und Ambulanzdiensten mehr als 1.000 Ärzte sowie 1.500 Krankenschwestern und Pfleger mobilisiert worden.
- Nachrichtenagentur dpa