"Massiver Rückschlag für Naturschutz" WWF warnt: Überlebende Fische in der Oder könnten verhungern
Tausende Fische verendeten in der Oder, nun schlägt der WWF Alarm. Der Umweltrat will in Kürze Ergebnisse vorstellen.
Nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder warnt der World Wildlife for Nature (WWF) vor weiteren Folgen für das Ökosystem. Damit sich das Flussökosystem wieder erholen könne, müssen auch die Nahrungsnetze wieder funktionieren. Es könne sein, dass Fische den Kontakt mit der toxischen Substanz überlebt haben, aber in den kommenden Wochen verhungern werden, weil die Nahrungsgrundlage fehle, heißt es auf der Internetseite der Organisation.
In einer Stör-Aufzuchtstation im brandenburgischen Friedrichsthal (Uckermark) im Nationalpark Unteres Odertal ist ein Drittel der 20.000 Nachwuchstiere verendet, weil durch die Anlage kontaminiertes Oderwasser floss. Die restlichen, drei bis fünf Zentimeter großen Exemplare wurden bei einer Notrettung in Poldergewässer des Nationalparks ausgesetzt, die derzeit keine Verbindung zum Grenzfluss haben. Laut Nationalparkverwaltung waren beim Fischsterben in der Oder zudem etwa 30 bis zu 90 Zentimeter große tote Störe gefunden worden, vermutlich aufgezogene Jungtiere aus den Vorjahren.
Störe sind bedrohte Fischgruppe
Der WWF bezeichnet das Sterben der Störe als "massiven Rückschlag für den Naturschutz. Störe seien eine der weltweit am stärksten bedrohten Fischgruppen, Wiederansiedlungen seien aufwändig und brauchen demnach mehrere Jahrzehnte. "Das liegt unter anderem daran, dass Störe Wanderfische sind: Jungtiere wandern stromabwärts Richtung Meer. Erst im Alter von etwa 15 Jahren werden sie geschlechtsreif und wandern zur Fortpflanzung die Flüsse wieder hinauf", schreibt die Organisation.
Beim Deutsch-Polnischen Umweltrat werden am Montag nach Angaben aus Brandenburg erste Ergebnisse einer bilateralen Expertengruppe zum Oder-Fischsterben vorgestellt. Der Umweltrat werde über den aktuellen Sachstand informiert, teilte das Brandenburger Umweltministerium mit. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) trifft sich in Bad Saarow in Brandenburg mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa, dabei soll es auch um das Fischsterben und die Folgen gehen. An dem Rat nehmen auch die Länder Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern teil.
Brandenburg wolle sich mit Lemke und Mecklenburg-Vorpommern für eine weitere konstruktive Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung einsetzen, kündigte das Potsdamer Umweltministerium an. Mit Polen solle darüber gesprochen werden, wie der ökologische Zustand der Oder wiederhergestellt werden könne. Auch soll über Lösungen diskutiert werden, wie ein solches Fischsterben und ökologische Schädigungen künftig besser verhindert werden können.
Genaue Ursache noch unklar
In dem deutsch-polnischen Grenzfluss waren massenhaft tote Fische entdeckt worden. Die genaue Ursache für das Fischsterben ist bisher unklar. Experten gehen davon aus, dass ein hoher Salzgehalt im Fluss ein wesentlicher Grund für die Umweltkatastrophe ist, verbunden mit Niedrigwasser, hohen Temperaturen und einer giftigen Algenart. Bis zum Samstag vor einer Woche waren in Polen und Deutschland rund 200 Tonnen Fischkadaver eingesammelt worden.
Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) will in Bad Saarow seine Ablehnung des polnischen Beschlusses zum Ausbau der Oder bekräftigen. Das Ministerium und Umweltverbände hatten dagegen Widerspruch eingelegt.
Dämpfer, aber kein Stopp des Projekts
Mit der Umweltkatastrophe in der Oder hat das Wiederansiedlungsprojekt für den Baltischen Stör einen herben Rückschlag erlitten. "Es ist aber kein Totalausfall, denn Störe sind mit bis zu 100 Jahren eine sehr langlebige Fischart, die auch einmal schlechte Umweltbedingungen übersteht", sagte hingegen Jörn Geßner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. Seit 2006 koordiniert er das laufende Projekt in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Seit Projektstart sind 3,5 Millionen Mini-Störe aufgezogen und anschließend in die Oder ausgesetzt worden. Die dann etwa 20 Zentimeter großen Tiere wandern zur Flussmündung, dem Oderhaff, wachsen dort noch zwei Jahre weiter auf, bis sie in die Ostsee schwimmen. Mit Geschlechtsreife nach 15 bis 20 Jahren sollen sie zum Laichen in die Oder zurückkehren. Geßner geht davon aus, dass die Störe tatsächlich zurückkehren, sobald sich der Fluss regeneriert hat und die Tiere dort Nahrung und Laichplätze finden. "Wir erleben gerade einen Dämpfer, aber keinen Stopp des Projektes", sagte er.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP
- wwf.com: Die Oder – Ein Ökosystem braucht dringend Hilfe