Einst zwei Millionen Tiere Größte Pinguin-Kolonie schrumpft drastisch
Wissenschaftler stehen seit geraumer Zeit vor einem Rätsel: Die einst größte Kolonie von Königspinguinen ist in den vergangenen 35 Jahren um fast 90 Prozent geschrumpft. Doch was sind die Ursachen?
Die größte Königspinguin-Kolonie der Erde ist in den vergangenen drei Jahrzehnten um fast 90 Prozent geschrumpft. Auf der französischen Ile aux Cochons, einer Insel zwischen der Südspitze Afrikas und der Antarktis, hätten 1982 noch zwei Millionen Königspinguine gelebt, berichteten Forscher in einer Studie, die am Montag im Fachblatt "Antarctic Science" erschien. Neue Satellitenbilder sowie von Hubschraubern aus angefertigte Fotos zeigten, dass nun nur noch knapp 200.000 Exemplare auf der Insel leben.
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"Das ist vollkommen unerwartet und besonders bedeutsam, weil die Kolonie fast ein Drittel des Königspinguin-Bestands weltweit darstellt", erklärte Studienautor Henri Weimerskirch, der 1982 die Pinguine auf der Ile aux Cochons selbst erforscht hatte. Weimerskirch arbeitet am Zentrum für biologische Studien im französischen Chizé, das zum renommierten französischen Forschungsinstitut Centre national de la recherche scientifique (CNRS) gehört.
Dass die flugunfähigen Vögel einfach in andere Gebiete abgewandert sind, scheint als Erklärung nicht in Frage zu kommen. Königspinguine gehen zwar tageweise in anderen Gebieten auf die Jagd, leben aber ansonsten fest an einem Ort.
Klimawandel ist vermutlich die Ursache für das Schwinden
Möglicherweise spielte der Klimawandel bei der drastischen Dezimierung des Bestands eine Rolle, wie in der Studie dargelegt wird. 1997 hatte ein besonders starker El Niño, eine ungewöhnliche Strömung im Pazifik, den südlichen Indischen Ozean derart aufgeheizt, dass die auf dem Speiseplan des Königspinguins stehenden Fische und Tintenfische nicht mehr in Reichweite waren. Diese habe zu einem "Rückgang der Population und schlechten Bruterfolgen" bei allen Königspinguin-Kolonien in der Region geführt, erklärte Weimerskirch.
Bei El Niño sammeln sich warme Wassermassen im zentralen und östlichen Pazifik, die Folge sind weltweite Wetterextreme. Das Klimaphänomen tritt regelmäßig auf, scheint sich aber durch die Erderwärmung zu verstärken. Weimerskirch und seine Kollegen haben in einer früheren Studie vorhergesagt, dass der Klimawandel die Crozet-Inseln, zu denen die Ile aux Cochons gehört, bis Mitte des Jahrhunderts für Königspinguine wahrscheinlich unbewohnbar mache.
Möglicherweise spielte bei dem massiven Rückgang der Pinguin-Population auch die Geflügelcholera eine Rolle, die zumindest bei Seevögeln auf den nahegelegenen Marion- und Amsterdam-Inseln festgestellt wurde. Außerdem könnten invasive Arten wie Ratten oder Katzen auf der Ile aux Cochons aufgetaucht sein und zur Reduzierung des Pinguin-Bestands beigetragen haben.
Kommendes Jahr werden Wissenschaftler die Insel aufsuchen
Bevor er und seine Kollegen aber nicht selbst die Ile aux Cochons besuchen könnten – geplant ist dies für Anfang kommenden Jahres – könnten sie keine sicheren Erklärungen geben, erklärte Weimerskirch.
Königspinguine sind nach Kaiserpinguinen die zweitgrößte Pinguin-Art. Es gibt zwei Unterarten: Aptenodytes patagonica patagonicus lebt auf den Falklandinseln und auf der Inselgruppe Südgeorgien und Südliche Sandwichinseln, Aptenodytes patagonica halli kommt in den weiter südlich gelegenen Gebieten am Indischen Ozean und Südpazifik vor.
Auf der Roten Liste gefährdeter Arten wird der Königspinguin derzeit als "nicht gefährdet" geführt. Die Erkenntnisse von Weimerskirch und seinen Kollegen könnten aber eine Neubewertung nach sich ziehen.
- AFP