"Spiegel": Kohl rechnete ab "Merkel konnte nicht richtig mit Messer und Gabel essen"
Altkanzler Helmut Kohl (CDU) hat in Gesprächen mit seinem Ghostwriter Heribert Schwan in den Jahren 2001 und 2002 zum Teil drastisch mit seinen Parteifreunden und Weggefährten abgerechnet. Das schreibt das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Auch seine Nachfolgerin in Partei und Amt, Bundeskanzlerin Angela Merkel, kommt nicht gut dabei weg.
"Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen. Sie lungerte bei den Staatsessen herum, sodass ich sie mehrfach zur Ordnung rufen musste", wird der Ex-Kanzler im "Spiegel" zitiert.
"Die Merkel hat keine Ahnung"
In Kohls Augen sei Merkel eine Frau, die er erst aus dem Meer der namenlosen Nachwuchspolitiker hätte fischen müssen und die sich dann zum Dank in den dunklen Stunden der Spendenaffäre von ihm abwandte, heißt es in dem Bericht weiter. Vor allem ihre Europapolitik habe er kritisch gesehen. Über Merkel und den damaligen Unionsfraktionschef Friedrich Merz soll er gesagt haben: "Die Merkel hat keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende ist ein politisches Kleinkind."
Dem "Spiegel"-Bericht nach soll sich Kohl in den damaligen Gesprächen mit dem WDR-Journalisten Schwan auch über Christian Wulff in deutlichen Worten geäußert haben. Über den Ex-Bundespräsidenten habe er gesagt: "Das ist ein ganz großer Verräter. Gleichzeitig ist er auch eine Null."
Aufzeichnungen über 600 Stunden lang
Schwan zeichnete in den Jahren 2001 und 2002 über 600 Stunden lang Gespräche mit dem Altkanzler auf - in insgesamt 105 Sitzungen. In dieser Zeit war die CDU-Spendenaffäre auf ihrem Höhepunkt: Der Bundestags-Untersuchungsausschuss tagte und Kohl, der "Kanzler der Einheit" galt nun als Gesetzesbrecher. Und im Juli 2001, wenige Monate nach Beginn der Interview-Sitzungen, nahm sich seine Frau Hannelore Kohl das Leben.
Die Gespräche dienten Schwan bei der Abfassung der Kohl-Memoiren, bevor sich Kohl im Jahr 2009 im Streit von Schwan trennte. Sie werden nun erstmals auszugsweise veröffentlicht.
"Hinterfotzig" waren für Kohl viele
Dem "Spiegel" zufolge teilte Kohl in den damaligen Gesprächen mit Schwan die Partei in Freunde und Feinde ein, dazwischen gäbe es kaum Grautöne. So nannte er unter anderem den damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm, Gerhard Stoltenberg, der erst Finanz- dann Verteidigungsminister unter Kohl war, und Heiner Geißler, damals CDU-Generalsekretär, allesamt "hinterfotzig".
Über Blüm soll er zudem gesagt haben: "Da muss bei Blüm das Wort rein: Verräter. In irgendeiner Form." Dazu sei es zwar nicht gekommen, schreibt der "Spiegel". Aber in den Memoiren habe es später geheißen, es sei ein schwerer Fehler gewesen, bis zum Schluss an Blüm als Sozialminister festzuhalten. "Im Lichte der Ereignisse frage ich mich heute, wie ich mich so in seinem Charakter täuschen konnte."
"Volkshochschulhirn von Thierse"
In den Interviews von 2001 und 2002 äußerte sich Kohl auch zu der Revolution in der DDR. So habe nach Auffassung des Altkanzlers nicht in erster Linie die Bürgerrechtsbewegung zum Zusammenbruch des Regimes in Ost-Berlin beigetragen. "Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der heilige Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert", sagte Kohl.
Diese Vorstellung sei dem "Volkshochschulhirn von Thierse" entsprungen, so der Altkanzler. Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hatte Kohl in der Spendenaffäre besonders scharf kritisiert.
Vielmehr sei die Schwäche Moskaus ursächlich gewesen für den Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in der DDR. "Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte", sagte der Altkanzler.
Und er ergänzte: "Von Gorbatschow bleibt übrig, dass er den Kommunismus abgelöst hat, zum Teil wider Willen, aber de facto hat er ihn abgelöst. Ohne Gewalt. Ohne Blutvergießen. Sehr viel mehr, was wirklich bleibt, fällt mir nicht ein."
"Focus": Kohl will Schwan-Buch stoppen
Kohl geht nach einem "Focus"-Bericht aber auch erneut juristisch gegen seinen früheren Biografen vor. Wie das Magazin berichtet, beauftragte Kohl seine Anwälte, die Veröffentlichung eines neuen Schwan-Buches beim Heyne Verlag zu stoppen. Grund des Streits sei der Verdacht, Schwan habe für die Publikation jene 200 Tonbänder aus Gesprächen mit Kohl verwertet, deren Nutzung ihm nach seinem Bruch mit dem Altkanzler vom Oberlandesgericht Köln im August untersagt wurde.
Über den Streit zwischen Kohl und Schwan muss wohl der Bundesgerichtshof entscheiden. Der Journalist hat in Karlsruhe Revision gegen das Kölner Urteil eingelegt. Danach darf Kohl die 200 Tonbänder behalten. Schwan erhebt als Ghostwriter ebenfalls Anspruch darauf.