Regierungsversagen Südkorea verzeichnet mehr als 700 Todesfälle unregistrierter Babys
In Südkorea gelten viele unregistrierte Neugeborene als vermisst. Laut einer Investigation einer Behörde sind zwischen 2015 und 2022 249 unregistrierte Babys gestorben.
Laut der südkoreanischen Aufsichtsbehörde BAI sollen zwischen 2015 und 2022 mehr als 2.000 Fälle unregistrierter Neugeborener entdeckt worden seien, die über eine Geburtsurkunde verfügen. Viele der unregistrierten Kinder würden als "vermisst" gelten, wie die koreanische Zeitung "The Chosun Daily" berichtet.
Bei einer Stichprobenuntersuchung der Aufsichtsbehörde seien den Beamten mehrerer Fälle toter Babys bekannt geworden – eines von ihnen sei tot in einem Kühlschrank gefunden worden, während in einem anderen Fall ein Neugeborenes in einem Wald ausgesetzt worden sei. Auch Fälle verstorbener Kinder aufgrund von Unterernährung seien laut der Behörde vorgekommen.
Durch die Nachforschungen der Behörde seien laut der koreanischen Zeitung insgesamt 249 Fälle toter Neugeborener zwischen 2015 und 2022 bekannt geworden. Somit sei die Sterberate für unregistrierte Babys in diesem Zeitraum mit 11,7 Prozent 50-mal so hoch wie die Sterberate von registrierten Neugeborenen im Jahr 2021 (0,24 Prozent). Inzwischen sei der Missbrauch und die systematische Vernachlässigung unregistrierter Babys in der breiten Öffentlichkeit Südkoreas angekommen, wie die Zeitung berichtet.
Kaum Konsequenzen für Nicht-Registrierung
Die Schuld für die vielen Todesfälle liege laut "The Chosung Dailys" bei den schlechten nationalen Systemen und gleichgültigen Krankenhäusern. Demnach müssten Eltern, die ihre Kinder nicht registrieren, lediglich ein Bußgeld von 50.000 Won (etwa 34 Euro) bezahlen. In anderen Ländern wie den USA oder Deutschland müssten Krankenhäuser die zuständigen Behörden bei einer fehlenden Registrierung eines Kindes binnen weniger Tage kontaktieren, um einer erhöhten Missbrauchs- und Vernachlässigungsgefahr bei nicht registrierten Kindern vorzubeugen.
In Südkorea bestehe lediglich die formelle Pflicht, das Kind binnen eines Monats zu registrieren – geschehe dies nicht, bestehe für die Regierung keine Verpflichtung der Behörden, das Kindeswohl zu gewährleisten beziehungsweise zu überprüfen.
Häufig würden Eltern, die ihre Neugeborenen nicht registrieren lassen, zum Teil verkaufen oder sie in Extremfällen sogar umbringen. Häufig würden unregistrierte Kinder auf dem Schwarzmarkt an Dritte verkauft – Beiträge zum Verkauf von Kindern waren laut "Chosun Daily" noch bis 2022 offen über soziale Plattformen wie Telegram auffindbar.
Krankenhäuser werfen Regierung Untätigkeit vor
Inzwischen habe die Regierung versucht, die Gesetzlage anzupassen und dem Kindesmissbrauch unregistrierter Babys vorzubeugen. Jedoch scheiterte ein Gesetz 2022, das ein krankenhausbasiertes Geburtsbenachrichtigungssystem vorsah, aufgrund des Widerstands von Ärzten im Nationalparlament.
Ärzte und medizinisches Personal hätten der Regierung vorgeworfen, die Kosten- und Arbeitskraftlast der Geburtenregistrierung auf medizinische Einrichtungen verlagern zu wollen. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal hätten zudem argumentiert, bereits obligatorische Impfdaten Neugeborener an Behörden weiterzuleiten, wonach die Regierung schon über die nötigen Informationen – wie temporäre Identifikationsnummern Neugeborener – verfügt habe und trotz dessen untätig geblieben sei.
Mehr als 700 Todesfälle in 12 Jahren
Seit Oktober vorigen Jahres habe das koreanische Parlament ein von der Regierung initiiertes Gesetz zum Schutz anonymisierter Geburten verabschiedet. Wäre ein solches Gesetz früher auf den Weg gebracht worden, hätten laut "The Chosun Daily" zahlreiche Todesfälle von unregistrierten Babys verhindert werden können.
Nach neuen Untersuchungen der koreanischen Regierung sollen zwischen 2010 und 2014 mehr als 9.000 Fälle unregistrierter Babys entdeckt worden sein, von denen 469 gestorben sein sollen. So seien zwischen den Jahren 2010 und 2022 insgesamt 718 Fälle verstorbener unregistrierter Babys bekannt.
- chosun.com: "S. Korea struggles with ongoing ‘missing babies’ tragedy" (englisch)
- The Korea Herald: Charity launches campaign to make registration of foreign babies mandatory (englisch)