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Der "einsamste Mensch der Welt": "Letzter Tanaru" findet endlich seine letzte Ruhe


Er lebte im Urwald Brasiliens
Der "einsamste Mensch der Welt" findet endlich seine letzte Ruhe

Von t-online, mk

Aktualisiert am 11.11.2022Lesedauer: 3 Min.
Eines der wenigen Fotos, die den "einsamsten Menschen der Welt" zeigen sollen: Nach einem Gerichtsbeschluss wurde er jetzt in seiner Heimat beigesetzt.Vergrößern des Bildes
Eines der wenigen Fotos, die den "einsamsten Menschen der Welt" zeigen sollen: Nach einem Gerichtsbeschluss wurde er jetzt in seiner Heimat beigesetzt. (Quelle: Fundação Nacional do Índio (Funai))
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Nicht einmal im Tod ist der "letzte Tanaru" sicher vor den Großgrundbesitzern Brasiliens. Erst ein Gericht verhalf dem Mann jetzt zu seiner letzten Ruhe.

Er galt als der einsamste Mensch der Welt, doch sein Schicksal bewegte viele Erdenbewohner: Ende August fanden Helfer die Leiche des Mannes, der wohl der letzte Angehörige des Volkes der Tanaru im brasilianischen Amazonasgebiet war und dessen Namen niemand kannte. Viehzüchter und Holzfäller hatten die Tanaru in den Achtzigerjahren ausgelöscht und trieben deren letzten Vertreter immer tiefer in den Wald. Wie jetzt bekannt wurde, gönnten die Landräuber dem Mann nicht mal eine würdige letzte Ruhestätte.

Mitarbeiter der brasilianischen Indigenen-Behörde Funai brachten den Leichnam des etwa 60 Jahre alten Mannes zunächst in die Hauptstadt Brasilia, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Mediziner wollten seine Todesursache feststellen, aber auch klären, welchem Stamm der Mann genetisch angehörte. Nach den Untersuchungen sollte er eigentlich Mitte Oktober in der roten Erde seiner Heimat bestattet werden, doch am Vorabend sagte Funai-Chef Marcelo Augusto Xavier da Silva die Beerdigung plötzlich ab. Angeblich seien noch nicht alle Untersuchungen an dem Leichnam abgeschlossen, doch die beteiligten Forscher wiesen das zurück.

Bolsonaro lässt Regenwald rücksichtslos abholzen

Eigentlich dient die Funai-Behörde dem Schutz der indigenen Bevölkerung Brasiliens. 2006 erklärte sie das Waldgebiet des letzten Tanaru im östlichen Bundesstaat Rondônia zur "Terra Indígena Tanaru" – es entstand ein Schutzgebiet von der Größe des Chiemsees mit nur einem Bewohner. Funai-Mitarbeiter versuchten immer wieder, Kontakt mit dem Mann aufzunehmen, doch vergeblich. Nachdem er einen Behörden-Mitarbeiter mit einem Pfeil verletzt hatte, ließ man ihn in Frieden und schaute fortan nur noch gelegentlich, ob es ihm gut geht. Doch die Machtübernahme des Rechtsextremen Jair Bolsonaro 2019 wirkte sich auch auf die Funai aus.

"Ich werde keinen weiteren Quadratzentimeter Land mehr an Indigene ausweisen", hatte Bolsonaro im Wahlkampf gesagt, und er hielt sein Versprechen an die Großgrundbesitzer. Unter Bolsonaro nahm die Abholzung des Regenwaldes sprunghaft zu, die Umweltschutzbehörden schwächte er gezielt mit Budget- und Personalkürzungen. Und an die Spitze der Funai berief er Marcelo Augusto Xavier da Silva, "einen ehemaligen Mitarbeiter der Bundespolizei mit besten Verbindungen zur Agrarlobby", wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt.

Großgrundbesitzer fordern Ende des Schutzgebietes

So drängte sich schnell der Verdacht auf, dass da Silvas Einwände gegen die Beerdigung des letzten Tanaru nur vorgeschoben waren. Die "Terra Indígena Tanaru" liegt wie eine Insel in einem Hotspot der Urwaldvernichtung, rund um das 8.000 Hektar große Waldstück erstrecken sich nur noch Weideland und Felder mit Mais oder Soja. Schon kurz nach dem Tod ihres einzigen Bewohners beantragten Farmer aus der Umgebung die Abschaffung der "Terra Indígena Tanaru": Ohne Indigene brauche es auch kein Schutzgebiet, so die Begründung. Ging Behördenchef da Silva davon aus, dass das Grab des letzten Tanaru diese Argumentation durchkreuzen würde?

Erst die Justiz hat dem Verstorbenen jetzt zu seinem Recht auf eine würdige Ruhestätte verholfen. Der letzte Tanaru habe zu Lebzeiten schwere Verbrechen erlitten, heißt es in einer Klageschrift der Bundestaatsanwaltschaft: "Es ist darum nicht hinnehmbar, dass er im Tod weiterhin Opfer der Missachtung eines der grundlegendsten Rechte eines jeden Menschen ist, nämlich der Achtung seines Leichnams und seines Andenkens." Ein Gericht folgte der Klage und ordnete die Beerdigung des Mannes in seiner Heimat an. Am 4. November wurde er schließlich in seiner Waldhütte beigesetzt.

So oder so würde der Status der "Terra Indígena Tanaru" als Schutzgebiet 2025 auslaufen. Darum wollen Umweltschützer das Gebiet jetzt dauerhaft unter Schutz stellen lassen. Der kürzlich gewählte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte im Wahlkampf versprochen, den Schutz der Umwelt und der Indigenen wieder zu stärken. Am 1. Januar tritt er in Brasilien sein Amt an.

Verwendete Quellen
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