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Nach Augsburg: Hier sind "gefährliche Orte" in Deutschland


Nach Angriff von Augsburg
Wo die Polizei "gefährliche Orte" in Deutschland vermutet

Aktualisiert am 12.12.2019Lesedauer: 5 Min.
Tatort in Augsburg: Ein 49 Jahre alter Feuerwehrmann wurde hier erschlagen. Der Königsplatz wird als Kriminalitätsbrennpunkt videoüberwacht.Vergrößern des Bildes
Tatort in Augsburg: Ein 49 Jahre alter Feuerwehrmann wurde hier erschlagen. Der Königsplatz wird als Kriminalitätsbrennpunkt videoüberwacht. (Quelle: Christoph Bruder/dpa)

Der Feuerwehrmann von Augsburg wurde an einem "gefährlichen Ort" erschlagen – so bezeichnet die Polizei den Tatort offiziell. Wo liegen weitere? t-online.de hat Informationen zusammengetragen.

Tatort Königsplatz am Hauptbahnhof in Augsburg: Dort starb am Freitagabend ein 49-jähriger Feuerwehrmann, der mit seinen Begleitern auf dem Heimweg vom traditionellen Christkindlesmarkt war. Um 22.40 Uhr geriet er mit einer Gruppe junger Männer in Streit. Einer aus der Gruppe tötete ihn mit einem Schlag gegen den Kopf. Bei der anschließenden Fahndung half nach Angaben der Polizei auch Videomaterial.

Denn der Königsplatz ist ein "aktueller Kriminalitätsbrennpunkt" – das hat die bayerische Staatsregierung Anfang des Jahres in einer Landtagsanfrage eingeräumt. Er zählt damit zu den Risikozonen oder sogenannten "gefährlichen Orten", die Polizeibehörden in der ganzen Republik bekannt sind. Deutschlandweit gibt es inzwischen mehr als einhundert Orte, die als "gefährlich" eingestuft werden. Das zeigt eine Auswertung von Landtagsanfragen.

Zunehmend wird an den Orten versucht, sie mit Sonderrechten zu sichern: mit Videoüberwachungen und mit anlassunabhängigen Identitätsprüfungen. Damit wollen die Behörden Verbrechen vorbeugen, verhindern oder Tätern auf die Spur kommen.

Was sind "gefährliche Orte"?

Seit Dezember 2018 steht auch der Königsplatz deswegen unter besonderer Aufsicht, 15 Kameras hat die örtliche Polizei aufgebaut. Damit ist er der am zweitbesten elektronisch überwachte Platz in Bayern – nach der Königstorpassage in Nürnberg, die mit 28 Videoeinrichtungen ausgestattet ist. Mittlerweile nutzen laut Anfragen mindestens zehn Bundesländer und die Bundespolizei die erweiterten Befugnisse für Einsatzkräfte an diesen Stellen, die auch "kriminalitätsbelasteter Ort", "Kriminalitätsschwerpunkt" oder "Kontrollort" heißen können.

Diese Orte müssen nicht unbedingt im sprichwörtlichen Sinne gefährlich sein oder als "No Go-Areas" gelten. Örtliche Polizeibehörden benennen "gefährliche Orte" in Eigenregie, befristen diese Klassifikation oft zeitlich und heben sie nach kurzer Zeit wieder auf. Jedoch dürfen Polizisten auf den fraglichen Plätzen, in Straßenzügen oder ganzen Stadtteilen ohne direkten Verdacht Identitäts- und Ausweiskontrollen durchführen. Sie können Personen durchsuchen oder Personen zur Feststellung mitnehmen. Das ist anderswo nicht möglich.

Wo sind diese "gefährlichen Orte"?

Es ist nur eingeschränkt bekannt, wo genau die örtlichen Polizeibehörden die "gefährlichen Orte" vermuten. In Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen veröffentlichen die Landesregierungen weder Anzahl noch konkreten Standpunkt dieser Orte. Sie werden teils gar nicht landesweit erfasst, teils nur wenig kommuniziert. Der Königsplatz in Augsburg findet sich in der Aufstellung des Landtags nur, weil dort Videoüberwachung installiert wurde.

Andere Länder gehen mit diesen Informationen offener um. Bei jeder Zahl und jedem Standort allerdings "handelt es sich um Momentaufnahmen", sagte ein Experte t-online.de. Deshalb können die folgenden Angaben nur Größenordnungen wiedergeben.

Berlin und Hamburg

Die Bundeshauptstadt Berlin listet mit Stand von Frühjahr 2019 sieben Straßen, Plätze und Gebiete als "gefährliche Orte" auf. Sie umfassen die Bereiche Alexanderplatz, Görlitzer Park, Warschauer Brücke, Kottbusser Tor, Teile der Hermannstraße, den Hermannplatz sowie Teile der Rigaer Straße. In Hamburg legt die Innenbehörde die Zonen größer aus. Sie nennt in diesem Zusammenhang die Stadtteile St. Georg und St. Pauli.

Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt

In Nordrhein-Westfalen sind – Stand 2018 – in den Städten Dortmund, Essen, Hagen, Köln, Mettmann, Mönchengladbach, Oberhausen und Wuppertal insgesamt 22 Bereiche "gefährlicher und verrufener Orte" gelistet. 14 dieser Zonen sind allein für Köln angegeben. Die von den NRW-Behörden dort festgestellten Straftaten reichen von Betäubungsmitteldelikten bis zu gesteigerter Gewalt.

Der Freistaat Sachsen ist der Rekordhalter in Sachen "gefährliche oder verrufene Orte". Obwohl die Anzahl in den letzten Jahren sank, kann die Polizei mit Stand 2018 immer noch an 61 Stellen ohne Verdacht Identitäten überprüfen. In Chemnitz ist das alleine an 14 Straßen und Plätzen der Fall, in Dresden an acht, in Leipzig an sechs. Auch in kleineren Städten wie Freiberg, Aue, Annnaberg, Rochlitz, Stollberg und Görlitz sind solche Bereiche festgelegt. Im Bereich der Polizeidirektion Aue sind auch Asylheime im Visier. In Dresden gelten Neustadt und Altstadt als besondere Schwerpunkte. Einer der Gründe: Hier werden 41,6 Prozent aller Straftaten in Dresden gemeldet.

Im Jahr 2017 listete die Landesregierung in Sachsen-Anhalt 22 "gefährliche Orte" auf – darunter vier in Magdeburg, fünf in Halle (Saale) und weitere im Jerichower Land, Salzlandkreis, Bördekreis, Saalekreis, Burgenlandkreis, im Harz sowie im Kreis Mansfeld-Südharz.

Bremen und Schleswig-Holstein

In Bremen gelten vier Gebiete als "gefährliche Orte": die Gegend um den Hauptbahnhof, die Bereiche Ostertor und Steintorviertel sowie Gröpelingen-Mitte und die St.-Gotthard-Straße.

Mitte 2018 wurden in Schleswig Holstein zehn Orte genannt, drei davon in der Landeshaupstadt Kiel unter anderem am Hauptbahnhof und im Zentrum von Kiel-Gaarden.

Datenschützer sehen Zonen kritisch

Polizeiexperten sagen, die Festlegung solcher Orte sei erforderlich, um Kriminalität einzudämmen und die Konzentration von Straftaten zu verhindern. Auch der Essener Polizeipräsident Frank Richter ist der Meinung, dass sich solche Maßnahmen lohnen. t-online.de sagte er aber: "Nur einfach zu sagen: Wir haben einen gefährlichen Ort – das geht nicht. Das schreckt die Menschen ab. Wir müssen ihnen erklären, warum wir das machen."

Denn Datenschützer und Bürgerrechtler sehen das Vorgehen der Behörden kritisch. Es mangele an Transparenz hinsichtlich der Grundlagen für die Einschätzung als "gefährlicher Ort", die fortan dann als Begründung für Eingriffe in Grundrechte herangezogen wird. Außerdem wird rassistische Diskriminierung befürchtet – als "gefährlich" eingestufte Orte sind nicht selten Aufenthalts- und Wohnorte von Migranten, sie würden damit besonders häufig kontrolliert.

Auch beim Einsatz von Videokameras haben Datenschützer bereits auch Rückendeckung vom Bundesverfassungsgericht bekommen. Videoanlagen gelten als Eingriff in das Recht jeden Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung und dürfen nur in "Brennpunkten" genutzt werden.

Wo werden Orte videoüberwacht?

Konkrete Standorte der Videoüberwachung zur Kriminalitätsbekämpfung legen lokale Behörden auf Grundlage der Ländergesetze fest. Nicht für alle Bundesländer sind Daten verfügbar. Bayern nennt allerdings, neben den Installationen am Augsburger Königsplatz, 75 Kameras in den sieben Städten München, Nürnberg, Rosenheim, Regensburg, Ingolstadt und Schweinfurth.

Hessen installierte – Stand Sommer 2019 – in 19 Städten 191 Kameras. In 2018 wurden in Hamburg 42 Anlagen installiert, davon alleine 14 auf der Reeperbahn, elf am Jungfernstieg und sechs am Heiliggeistfeld. In Sachsen gibt es seit Anfang 2017 keine stationären oder mobilen Bild- und Tonaufnahmen mehr, dafür werden aber Polizeibeamte in größerem Umfang mit "Bodycams" ausgestattet.

Während die Hauptstadt Berlin noch über die Anschaffung von 1.000 Kameras in einem Volksentscheid streitet, kann das bevölkerungsstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen auf Erfahrungen in sieben Städten zurückgreifen. Mit dem neuen Polizeigesetz wurde zudem eine Art Aufrüstung beschlossen. Bisher durften Kameras nur an Orten angebracht werden, am denen bereits Verbrechen stattgefunden haben. Künftig reichen Anhaltspunkte aus, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder begangen werden.


Damit ein "größeres Sicherheitsgefühl bei den Menschen" entstehe, hält es der Essener Polizeipräsident Richter für wichtig, dass die Kameraausstattung beweglich ist und an den "Hot Spots" eingesetzt wird. Dennoch sei für die Polizei nicht die Videoüberwachung entscheidend, sondern die Videobeobachtung: "Es muss ein erfahrener Polizist vor dem Bildschirm sitzen, die Vorgänge sehen und, wenn etwas Auffälliges stattfindet, eine operative Streifenwagenbesatzung hinschicken." Bei der Videoüberwachung könne man zwar einen Täter feststellen. "Aber eingreifen, das geht nicht sofort."

Verwendete Quellen
  • eigene Recherchen
  • Landtagsdrucksachen aus Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt aus den Jahren 2018, 2019
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