1978: Lufthansa-Raub Als die Mafia auf dem Flughafen in New York Millionen erbeutete
1978 wurde die Deutsche Lufthansa das Opfer des bis dahin größten Geldraubs der amerikanischen Geschichte. Fünf Millionen Dollar Beute verschwanden. Viele Täter endeten mit Löchern im Kopf oder auf Müllhalden.
Jimmy Burke war nie ein Typ der halben Sachen. Als er sein Haus in Howard Beach bezog, einem der teuersten Viertel im New Yorker Stadtteil Queens, störte ihn die benachbarte Pizzeria. Der Lärm der Gäste. Die qualmenden Backöfen. Mit dem Wirt ließ sich über einen Wegzug seines Ladens auch nicht reden. Da verschwand „Jimmy the Gent“ Burke für ein paar Minuten nach nebenan. Er schickte Pizza-Kunden, Küchencrew und den Chef vor die Tür, legte Feuer und ließ das Restaurant als Asche zurück. So regelten Mafiosi kleinere Probleme damals, Ende der 1970er.
Noch viel mehr mochte Burke, der rothaarige Ire mit den blauen Augen, die großen Coups. Für Gangster wie ihn wartete die fette Beute vor der Haustür. Dort lag der John-F.-Kennedy-Airport mit 50.000 Beschäftigten und 35 Milliarden Dollar Frachtumsatz. Mit riesigen Anlagen, dem ausufernden Netz der Zufahrtsstraßen, den unübersichtlichen Lagerhallen und dem bestechlichen Sicherheitspersonal. Ein Mafia-Eldorado.
James Burke aus dem Lucchese-Clan raubte hier regelmäßig Lastwagen aus, handelte mit Drogen und Alkohol, bestach Lkw-Fahrer mit 50-Dollar-Scheinen und hatte am Ende seines Lebens geschätzt 50 Mordopfer auf dem Gewissen. Das Erschreckende: Die Fluggesellschaft der Welt wussten von den Sicherheitslücken. Die Deutsche Lufthansa bekam sie zu spüren.
Touristengelder oder die afghanische Reserve?
Der 8. Dezember 1978, Flughafen Rhein-Main. Flugnummer LH 460, ein Fracht-Jumbo schiebt sich in den hessischen Himmel. Im Laderaum sind zwei Zentner Banknoten verstaut. Absender: Die Commerzbank. Empfänger: Die Kollegen von Chase Manhattan auf der anderen Atlantikseite. Solche Dollar-Transporte sind nicht unüblich im Kalten Krieg. Meist stammt die Finanz-Fracht aus den Wechselstuben rund um Frankfurt – grüne Scheine, die US-Touristen und in Westdeutschland stationierte GIs gegen D-Mark getauscht haben. Aber gelegentlich ist die Fracht auch brisanter.
Handelt es sich wirklich um Touri-Gelder? Oder werden an diesem Dezembertag in einer die Bestände der afghanischen Nationalbank in amerikanische Tresore gebracht? In Kabul hatten kurz zuvor die Kommunisten geputscht. Schlechte Zeiten für kapitalistische Sparguthaben. Bis heute sagen unterschiedliche Quellen zur tatsächlichen Herkunft der Dollarnoten sehr Unterschiedliches. Klar ist: Die Commerzbank hat der Lufthansa den falschen Warenwert für den Transport übermittelt – aus Sicherheitsgründen. Nur 96.000 Dollar seien es. Dafür würde „Jimmy the gent“ nie den Whisky in seiner Stammkneipe Robert's Lounge stehen lassen.
Spielsucht und Schulden
Peter Gruenwald und Louis Werner sind deutschstämmig. Sie arbeiten am Flughafen JFK für die deutsche Fluggesellschaft und sind zu diesem Zeitpunkt keine Unschuldslämmer mehr. Die Vorarbeiter gehören zum Team, das jeden Handgriff am Lufthansa-Frachtterminal kennt, das weiß, wie die Zeitpläne gestaltet sind und welche Maschine mit welcher Ladung landet. Fatal nur: Der spielsüchtige Werner braucht viel Geld. Gemeinsam mit Gruenwald hat er den eigenen Arbeitgeber zwei Jahre zuvor um 22.000 Dollar erleichtert. Noch fataler: Werner steht jetzt mit 20.000 Dollar ausgerechnet bei Martin Krugman in der Kreide, einem Typen mit gutem Draht in New Yorks Unterwelt.
Werner bietet ihm eine Geschäftsidee gegen den Schuldenerlass an. Da flögen aus Frankfurt einmal im Monat größere Summen ein, sagt er. Zwei Millionen Dollar vielleicht? Das interessiert Krugman. Er kennt einen, der das Ding drehen würde und die Leute dafür hat. Burke.
Das Geld soll übers Wochenende lagern
Als Lufthansa 460 im Gewirr der Landebahnen von JFK aufsetzt, ist es hier immer noch der 8. Dezember, Ostküstenzeit. Ein Freitag. Was dem Vorarbeiter Werner die Chance gibt, den sofortigen Weitertransport der teuren Fracht zur Chase Manhattan Bank zu stoppen. Übers Wochenende bleiben die Dollars in den Wertfächern der Gesellschaft. Die Abholung von dort, weiß er längst, würden ganz andere klären. Aber noch werden zwei Tage vergehen.
Die Nacht zu Montag, dem 11. Dezember. Dichte Wolken hängen über der Jamaica Bay, ein kalter Wind deutet auf Schneefall hin. Ein schwarzer Ford-Lieferwagen nähert sich auf der North Boundary Road den Frachtterminals. Burke hat sich den Coup vom obersten Lucchese-Capo Paul Vario absegnen lassen. Ein Team von einem Dutzend Männer, dunkel verkleidet und mit Waffen im Anschlag, klettert um 3.13 Uhr aus dem gestohlenen Ford und entert Gebäude 261, den Lufthansa-Bereich. Bald schaut Frachtagent John Murray in eine Skimaske mit gelbumrahmten Augen. „Nicht bewegen. Keine Dummheiten“. Eine geladene Pistole zwingt Murray, Schichtleiter Rudi Eirich zu holen: „Sag ihm, ein Ferngespräch aus Deutschland sei für ihn“. Vom Schichtleiter will das Überfallkommando nur eines: die Codes für die Safes: „...sonst putzen wir deine Familie weg!“
Die Drohung wirkt. Eirich gehorcht, während die Nachtschicht im deutschen Frachtterminal mit Handschellen und Tauen gefesselt wird. Um 4.09 Uhr stehen Burkes Männer vor 72 Paketen. Darin sind insgesamt fünf Millionen Dollar bar sowie 600.000 Dollar in anderen Währungen, in Gold, Perlen, Edelsteinen und Schecks. Stunden später, beim Zählen, erkennt die Gang: Vorarbeiter Louis Werner hatte die erwartete Beute erheblich unterschätzt. Jimmy Burke kann Paul Vario Vollzug melden.
Viele Täter werden ermordet
Burkes Raubzug am Wintertag vor vierzig Jahren ist als der bis dahin größte in die US-Geschichte eingegangen. In Robert's Lounge ist das noch lange gefeiert und der Sekt aus Flaschen getrunken worden – ein Dankeschön an den Red Baron, den roten Weltkriegs-Baron Manfred von Richthofen, dessen Konterfei die Lufthansa erst kurz zuvor zur Werbefigur für den US-Markt gemacht hatte. Doch während in Deutschland Versicherungen nach einigen Verhandlungen den Barwert der Beute erstatteten, haben viele der Täter ihren Einsatz mit dem Leben bezahlt.
Ford-Fahrer „Stacks“ Edwards, Vermittler Martin Krugman, Paolo LiCastri – sie sind nur drei von zehn, die Opfer des Massakers wurden. Man fand sie in Kühlwagen, mit Löchern im Hinterkopf oder nackt auf Müllhalden. Einige blieben für immer verschwunden. Burke, so scheint es, hat sich etwa der Hälfte seiner Mitwisser entledigt. Louis Werner, der die Idee zu allem hatte, wurde als erster von Polizei festgenommen und verhaftet. Kumpan Gruenwald hatte ihn verpfiffen.
Tod in der Haft
Sechs Monate nach der Nacht von JFK ging allerdings auch Jimmy Burke selbst in die FBI-Falle. Nicht wegen des Lufthansa-Raubs, sondern wegen des Mordes an seinem alten Freund Richard Eaton. Er wurde angeklagt und verurteilt und starb 1996 in der Haft an Krebs.
90 Agenten hatte die amerikanische Bundespolizei auf die Gang angesetzt. Lange tappten sie im Dunkeln, welche Mafia-Gruppe zugeschlagen hatte. Die Fahndungen endeten in einem blamablen Fehlschlag. Nur die Verurteilung von Werner gelang.
- Mordfall Peggy: Warum scheiterte die Fahndung nach dem Mörder
- Schweden-König: Wurde Karl XII. an der Front von einem Rivalen ermordet?
- Bergbau: Als die Nazis 30.000 Menschen in der Tiefe ermorden wollten
Und die fünf Millionen Dollar, die entweder aus Frankfurt stammten oder aus dem Hindukusch? Die dunklen Kanäle der Mafia von New York sind weit verzweigt. Zwei Zentner Banknoten bleiben darin leicht für immer verschollen.
- Ernest Volkman und John Cummings: „Cargo“, Ullstein-Verlag
- Die Zeit (35/1979): „Die Jungs vom Ozone Park“
- Der Spiegel: (Dezember 2018): „Ein filmreifer Überfall“