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Call-Center-Betrüger: Polizei zerschlägt Mafia-Ring


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Massenhafte Betrugsanrufe
Schlag gegen Telefon-Mafia: Rentnerin legt falsche Polizei herein


02.05.2024Lesedauer: 6 Min.
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Betrug am Telefon: Eine Frau zeichnete den Anruf des falschen Polizisten auf – dann konfrontierte sie ihn. (Quelle: t-online)
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Fahndern ist der bislang größte Schlag gegen Callcenter-Betrüger in Europa gelungen. Ein Mitschnitt eines Anrufs zeigt, wie die Täter mit ihren Horrorgeschichten operieren.

Es ist der bisher größte derartige Fall: Ermittler aus mehreren Ländern haben ein riesiges Netzwerk von Telefonbetrügern zerschlagen, die mit Anrufen vorwiegend ältere Menschen um ihr Vermögen bringen wollten. Um das Geschehen zu verfolgen, richtete die Polizei Baden-Württemberg selbst ein Callcenter ein: Seit Dezember wurden 1,3 Millionen Telefonbetrugs-Gespräche gesichert, Mitte April wurden 21 Personen festgenommen.

Ein Mitschnitt eines solchen Gesprächs der Betrüger liegt t-online vor: Eine Rentnerin in Hessen startete die Aufnahme auf ihrem Handy. Ausschnitte davon hören Sie im Video. Die Frau hatte schnell gemerkt, was gespielt wurde. Erlaubt ist die heimliche Aufnahme eigentlich nicht – aber die Gauner könnten gerne zur Polizei gehen und sie anzeigen, sagt sie. Nach anderthalb Stunden reichte es ihr und sie beendete das Telefonat sehr resolut. Es zeigt, wie die Gangster versuchen, einerseits Angst zu schüren und andererseits Vertrauen aufzubauen, wie sie Zeit schinden, um groß Kasse zu machen. Sie hatten die Hoffnung auf mehr als 300.000 Euro und teuren Schmuck.

Die Ausgangslage: Name und Nummer von Susanne K. (Name geändert) stehen im Telefonbuch. Darauf können die Betrüger aufbauen, als sie sich bei ihr melden: Am Morgen sei in ihrem Ort in der Nachbarschaft eingebrochen worden, eine Dame Mitte 80 dann auch noch gefesselt worden und jetzt im Krankenhaus. Von vier Tätern habe die Polizei zwei fassen können, zwei seien entwischt. Und bei den Tätern hätten sich sieben Adressen weiterer Zielobjekte gefunden – unter anderem die von Susanne K. Jetzt laufe ein großer Einsatz "mit Interpol". Der Anruf erfolgt mit einer dänischen Vorwahl, in anderen Fällen wird aber auch schon mal die 110 vorgetäuscht. Die Polizei ruft nie mit dieser Nummer an.

Die Abfrage: Für die Anrufer geht es ja nicht nur darum, ob sie ein vermeintlich leichtgläubiges Opfer haben. Es geht auch darum, ob es etwas zu holen gibt. Sie behaupten, die gefassten Einbrecher hätten eine Aufstellung über Vermögen von Susanne K. "In den Aufzeichnungen steht auch, dass Sie ein Schließfach mit Wertsachen bei der Bank haben." Nun müssten sie "für das Protokoll" aufschreiben, was das sei. Die Rentnerin Susanne K. erfindet für die Betrüger, was diese gerne hören: Im Tresor daheim würden zwölf Goldmünzen und teurer Schmuck liegen – Reaktion: "Das haben die Einbrecher auch so notiert!". Die Täter hätten aber auch von Bargeld berichtet, behauptet der Anrufer. Susanne K. erzählt von 7.000 in bar daheim und 300.000 Euro im Bankschließfach.

Die Gesprächstechnik: In dem Fall wechseln zwei Anrufer sich ab. Wann immer Susanne K. unangenehme Fragen stellt oder klare Antworten will, gibt der eine "Polizist" den Hörer an einen "Kollegen" ab, bis der plötzlich wieder an den ersten Kollegen weiterleitet. Und meist geht es dann wieder an ganz anderer Stelle neu los. Die Begründung ist dann: dringendes Gespräch mit dem Staatsanwalt. Denn es laufe ja noch die Planung, wie es weitergehen soll. "Sie sind hier unmittelbar ungewollt in eine verdeckte Ermittlung geraten, eine laufende Operation." Zugleich suggerieren sie, die Rentnerin habe die Pflicht, mitzuwirken und die Anweisungen zu befolgen, die von der Staatsanwaltschaft kämen.

Angstmacherei: Die Anrufer erzählen, auf den bereits ausgewerteten Handys der Täter seien sogar Fotos von der Rentnerin. Und die Täter kämen aus Rumänien, "da ist auch wenig Geld sehr viel Geld, für viel Geld gehen die über Leichen". Auch auf der Bank sei das Geld nicht sicher, die Auswertung habe gezeigt, dass ein Mitarbeiter dort durch Drogengeschäfte erpressbar sei und mit den Einbrechern zusammenarbeite. Immer wieder sagen die angeblichen Polizisten, ein Besuch der Täter könne bald bevorstehen. Und die hätten auch das Telefon angezapft, Susanne K. dürfe deshalb das Telefonat keinesfalls beenden. Susanne K. soll unter ständiger Kontrolle sein.

Vertrauensaufbau: Bei dem angezapften Telefonat wird deutlich, wie die "Polizisten" zugleich versuchen, Vertrauen aufzubauen: Man telefoniere jetzt dank Hilfe von IT-Spezialisten über einen Satelliten der Bundesrepublik. Dieser Satellit werde meist "von Journalisten im Ausland sowie dem BND, dem Bundesnachrichtendienst" genutzt. "Mehr kann ich da leider nicht sagen, sonst mache ich mich strafbar. Aber um Ihnen ein gutes Gefühl zu vermitteln, teile ich Ihnen das jetzt einfach mal mit." Susanne K. spielt ihre Rolle als leichtgläubiges, verunsichertes Opfer offenbar gut. An einer Stelle fragt der "Polizist" fast böse und mit falscher Grammatik, warum Susanne K. denn so nervös sei. "Sie können ja die deutsche Staatsanwaltschaft und die Polizei vertrauen, oder?" In Aussicht gestellt wird ihr, dass ein Observationskommando zusammengestellt werde.

Die Forderung: Immer wieder fragt Susanne K., was sie denn nun machen solle – weil lange keine anderen Aufforderungen kommen, als nach Einbruchspuren zu suchen und ihre Wertgegenstände durchzusehen. Nach knapp einer Stunde sagt einer der Männer ihr immerhin, sie solle nach Anweisung der Staatsanwaltschaft das Geld von der Bank holen. Dort dürfe sie nichts davon sagen – einer der Täter stecke ja mit den Verbrechern unter einer Decke. Die Ansage soll verhindern, dass aufmerksame Bankangestellte dazwischenfunken.

Susanne K. geht zum Schein darauf ein, legt den Hörer daneben, geht aus dem Haus und lässt die Tür ins Schloss fallen. Unklar ist, ob an der Bank Späher sind – die Pseudo-Polizisten haben auch Kennzeichen und Fahrzeugtyp von Susanne K. wissen wollen, sie schwindelte von einer S-Klasse. Vermeintlich zurück von der Bank, geht das Telefonat weiter.

Der Anrufer sagt ihr, sie solle ihr übriges Bargeld, Goldmünzen und den Schmuck in den Beutel zu den 300.000 Euro legen. Susanne K. liefert sogar ein Hörspiel und macht passend Geräusche, ehe sie Vollzug meldet. "Okay, und jetzt?" "Jetzt müssen wir uns gedulden, wir sprechen darüber gerade mit dem Staatsanwalt".

Der nächste Schritt wäre gewesen: Ein anderer "Polizist" holt "zur Sicherheit" die Wertsachen ab, zeigt vielleicht dazu auch einen gefälschten Dienstausweis und hinterlässt eine wertlose Quittung über die Entgegennahme, Geld und Gold wären weg. Doch bei Susanne K. kommt es nicht so weit – die eben noch vermeintlich verstörte und verängstigte Rentnerin wechselt plötzlich den Ton, beschimpft den Anrufer und sagt energisch, die Polizei sei längst verständigt. Er legt sofort auf. Auch diese Szene ist oben im Video zu hören.

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Die richtige Polizei: Tatsächlich hat K. in der Zeit, in der sie angeblich auf dem Weg zur Bank war, bei der Notruf-Nummer der örtlichen Polizei angerufen und den Fall geschildert. Ihre größte Erwartung und Hoffnung wird enttäuscht: Die Polizei schickt nicht sofort diverse Wagen, um die Täter vielleicht festnehmen zu können. "Beenden Sie das Telefonat, bringen Sie sich nicht in Gefahr", rät ihr ein Hauptkommissar. Tatsächlich ist das der Rat, den die Polizei bei solchen Anrufen immer gibt. Und: Die Polizei bittet niemals, ihr "zur Sicherheit" Geld oder Wertsachen herauszugeben. Bei einem entsprechenden Anruf mit solchen Forderungen ist der Rat: tatsächlich selbst die 110 wählen.

Die Aufdeckung des Riesen-Netzwerks: Tatsächlich waren Ermittler zur Zeit des Anrufs bei Susanne K. im März bereits auf der Spur der Anrufer. Ein vergleichbarer Fall im Dezember hatte das ausgelöst: In Freiburg hatte ein Bankangestellter im Dezember 2023 die Polizei gerufen, als ein älterer Kunde 100.000 Euro abheben wollte. In diesem Fall konnten Einsatzkräfte bei einer vermeintlichen Abholung des Geldes zuschlagen: Festnahme.

Die Auswertung der von den Tätern verwendeten Telefonnummern ergab, dass sie mit über 28.000 Betrugsanrufen in nur 48 Stunden in Verbindung gebracht werden konnten. Schnell weiteten die Ermittlungen sich aus, Landeskriminalamt Baden-Württemberg, BKA und Europol kamen ins Spiel. Die Ermittler hatten den Eindruck, eine Art Büchse der Pandora geöffnet zu haben – und gaben der Operation den Namen: "Pandora".

Es stellte sich heraus, dass die Täter von mehreren Ländern aus alle Arten von Telefonbetrug begingen. Europol dazu: "Es ging von schockierenden gefälschten Polizeianrufen über überzeugenden Anlagebetrug bis hin zu herzzerreißenden Betrügereien durch vermeintlich geliebte Menschen". Verschiedene Callcenter spezialisierten sich auf verschiedene Maschen.

Doch die deutsche Polizei verfolgte alles in Echtzeit in einem eigenen dafür aufgebauten Callcenter: Weit über 100 Beamtinnen und Beamte verfolgten im Schichtbetrieb rund um die Uhr die Telefonate und griffen ein: Die Ermittler haben so in rund 6.000 Fällen einen Schaden von insgesamt rund zehn Millionen Euro verhindert, heißt es vom Innenministerium Baden-Württemberg.

Am 18. April war endgültig Schluss: In den frühen Morgenstunden schlugen deutsche, albanische, bosnisch-herzegowinische, kosovarische und libanesische Polizeikräfte in zwölf Callcentern gleichzeitig zu. Sie sind jetzt geschlossen, es wird dauern, bis eine ähnlich schlagkräftige Bande auftritt. 39 Verdächtige sind identifiziert, 21 Festnahmen gab es. Eine Million Euro Bargeld wurde sichergestellt.

Verwendete Quellen
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