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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ermittlungen wegen NS-Devotionalien Österreicher lieferten Hinweis zu Halembas Burschenschaft
Der Fall des Burschenschafters Daniel Halemba schlägt hohe Wellen in der AfD. Ermittlungen gab es nur, weil deutsche Behörden Hinweise aus Österreich bekommen hatten.
Die Post aus Österreich kam im Juli bei der Staatsanwaltschaft Würzburg an. Ein Schreiben, dazu mehrere Fotos. Es waren Bilder aus dem Inneren des Hauses der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg: Mit diesen Fotos und dem Begleittext hat der Staatsschutz in Österreich die Ermittlungen gegen die Burschenschaft und ihr Mitglied Daniel Halemba ausgelöst. Es folgte nun auch in Würzburg, was sich Wochen zuvor in Wien bei einer Verbindung abgespielt hatte, die eng mit der Teutonia verwoben ist. Was steckt hinter der Österreich-Verbindung?
Gegen fünf Männer aus der Burschenschaft Teutonia wird wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Verwendung der Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung, aber die Vorwürfe wurden zumindest untermauert durch Funde bei einer Razzia am 15. September in dem Burschenschaftshaus. Dabei fanden sich auch eine Kopie eines Befehls des Reichsführers SS Heinrich Himmler an die Reichspolizei von 1939 – an der Wand im Zimmer von Daniel Halemba.
Halembas Leben ist seither turbulent: Er wurde erst in den bayerischen Landtag gewählt und durfte dann zur ersten Sitzung nicht erscheinen. Weil er einen Mitbeschuldigten unter Druck gesetzt haben soll, wurde er mit Haftbefehl gesucht, war untergetaucht. Durch den Wirbel rückte auch ins bundesweite Interesse, mit welch schmutzigen Tricks er überhaupt an sein Mandat kommen konnte: t-online enthüllte, wie bei der Aufnahme neuer Mitglieder vor seiner Aufstellung getäuscht wurde. Wieder spielte das Burschenschaftshaus eine Rolle, es diente als falsche Adresse. Zugleich spricht vieles dafür, dass unter fadenscheinigen Gründen und mit unwahren eidesstattlichen Versicherungen Konkurrenz ausgeschaltet wurde.
Halemba-Verteidiger: Egal, ob er verurteilt wird oder nicht
Vor allem dieses Vorgehen hat dazu geführt, dass der Bundesvorstand Halemba nun aus der Partei ausschließen will. "Für uns im Bundesvorstand ist es einhellig und völlig klar gewesen, dass Herr Halemba nicht in der AfD Mitglied bleiben kann", sagte Parteichefin Alice Weidel. Dem bayerischen Landesverband geht das zu schnell, Halemba hat unter dem Druck aus Berlin aber erklärt, seine ehrenamtlichen Parteiämter abzugeben und die Mitgliedsrechte ruhen zu lassen.
Halembas Anwalt Dubravko Mandic wütet jetzt über den Bundesvorstand und vor allem über die Co-Parteivorsitzende: "Weidel wollte Höcke genauso wie jetzt Halemba ausschließen", schrieb er auf der Plattform X (früher Twitter). "Die Frau muss weg." Mandic ist tief in die äußerste rechte Szene der Burschenschaften vernetzt, flog bei seiner Freiburger Saxo Silesia raus und kam mit einem Austritt aus der AfD einem möglichen Ausschluss zuvor. Einer seiner früheren Mitarbeiter landete bei der Teutonia und gilt als ein Strippenzieher bei Halembas Kandidatur.
Mandic verbreitet entgegen der Darstellung der AfD, der Bundesvorstand wolle Halemba wegen der Funde im Haus und der Ermittlungen hinauswerfen. So wütete er, die AfD-Führung kapiere es nicht. Es sei doch "völlig egal, ob Halemba verurteilt wird oder nicht". Die eigentliche Frage sei doch, ob man den Abgeordneten "in einem AfD-Staat verurteilen würde wegen 'III. Reich-Literatur'".
Um eine "ominöse Weinflasche" sei es gegangen, hatte er zunächst fast spöttisch in einer Pressemitteilung verbreitet. Sie sei bei der Hausdurchsuchung nicht gefunden worden und es sei unklar, vor wie vielen Jahren sie überhaupt dort gestanden hatte. Am 15. September um 6 Uhr hatten Polizisten zur Durchsuchung vor dem Haus gestanden – und auch nach der Weinflasche gesucht.
Fotos der Österreicher zeigten SS-Wein
Sie war auf den Fotos zu sehen, die der österreichische Staatsschutz den deutschen Ermittlern geschickt hatte: Ein offenbar aus Italien gelieferter Wein mit SS-Totenkopf und dem Antlitz von Sepp Dietrich, Generaloberst der Waffen-SS, auf dem Etikett. Fotografiert offenbar bei einer Feier im Teutonenhaus mit diversen Gästen.
Damit stand der Verdacht der Verwendung der Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Raum. Das Verfahren war angestoßen – durch den Hinweis aus Österreich, wie Bayerns Innenministerium den Grünen-Abgeordneten Cemal Bozoğlu und Toni Schuberl gerade auf eine Anfrage mitteilte. Die Staatsanwaltschaft bestätigte t-online Details.
Waffenrecht greift gegen Teutonen
Die Hinweise aus Österreich und bisherige Erkenntnisse zur Teutonia hatten bereits erste Konsequenzen: Gegen zwei Teutonen laufen jetzt Verfahren, um Waffenerlaubnisse zu widerrufen, antwortete Bayerns Innenministerium auf eine Grünen-Anfrage. In einem Fall gehe es um einen kleinen Waffenschein, im anderen um Jagdschein und Waffenbesitzkarte für die Lang- und eine Kurzwaffe. In dem großen Haus sind nach Angaben des Innenministeriums aktuell nur drei Bewohner gemeldet.
In Österreich läuft so etwas strafrechtlich unter "Betätigung im nationalsozialistischen Sinne", kurz "Wiederbetätigung". Und deshalb war im Mai 2023 bei der Burschenschaft Albia Wien durchsucht worden und es läuft bis heute ein Verfahren.
Die Albia ist nach dem Verständnis der Burschenschafter so etwas wie ein anderer Standort einer gemeinsamen Burschenschaft mit der Teutonia: Die Mitglieder sind gleichberechtigte Bundesbrüder. Teutonia Würzburg, Albia Wien sowie Arminia Graz bilden seit 1887 das Schwarz-Rot-Goldene Kartell. Wer am anderen Standort ist, ist ganz selbstverständlich im Haus der dortigen Burschenschaft zu Hause.
Eine Teutone, heute AfD-Funktionär in Düren, lebte auch in Wien, und ist bei der Albia "alter Herr", wie Mitglieder nach ihrer Studien- und Aktivenzeit heißen. Ihn und Halemba verbindet vieles: Nicht nur, dass beide Geschäfte mit dem Handel von Second-Hand-Textilien machten. Sie verrichteten Dienst an Wahlständen der AfD in Würzburg und nahmen gemeinsam teil an Corona-Protesten sowohl in Würzburg als auch in Wien. Dabei attackierten beide auch einen Journalisten.
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Aus seiner Wiener Zeit dürfte der Halemba-Bekannte einen österreichischen FPÖ-Politiker gut kennen, der beim Verdacht gegen die Wiener Burschenschaft zunächst im Mittelpunkt stand: Durchsucht wurde bei der Albia wegen Udo Guggenbichler. Der Abgeordnete ist auch Organisator des von linken Protesten begleiteten Wiener Akademikerballs, der Dürener war zeitweise Vize des FPÖ-nahen "Ring Freiheitlicher Studenten".
Zwei Frauen hatten Guggenbichler beim Staatsschutz aufgrund von Beobachtungen belastet, die sie im Haus der Albia gemacht haben wollten. Bei Besuchen mit dem Politiker habe es dort ein Buch mit Hakenkreuz auf dem Einband gegeben, Liederbücher mit möglicherweise strafbaren Texten und Fotos mit NS-Uniformen. Die Schilderungen gingen sogar so weit, dass Guggenbichler von einem auf dem Dachboden lebenden hochbetagten ehemaligen SS-Funktionär berichtet habe.
Österreicher brauchten keine Hilfe aus Deutschland
Auf einen Nazi-Greis stießen die Polizisten bei den Durchsuchungen nicht. Was sie vorgefunden und ermittelt haben, führte dazu, dass die Ermittlungen gegen Guggenbichler wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung eingestellt wurden, ihm war kein Vorwurf zu machen. Auch der ebenfalls beschuldigte Obmann der Albia wurde entlastet.
Völlig ausgeräumt sind die Vorwürfe aber noch nicht: Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien sagte t-online, dass noch Ermittlungen gegen ein Mitglied der Albia laufen. Ein Rechtshilfeersuchen an deutsche Behörden habe es nicht gegeben, also keine Bitte, mit der Durchsuchung in Würzburg die Wiener Ermittlungen zu unterstützen. Die Hinweise an die Staatsanwaltschaft kamen über den Staatsschutz.
Über dessen Arbeit gibt sich das österreichische Innenministerium schweigsam. Zur Hilfestellung an die deutschen Behörden erklärt ein Sprecher nur: "Erkenntnisse und Mitteilungen, die andere Sicherheitsbehörden zur Verfügung gestellt werden, sind kein Gegenstand von Auskünften an Medien. "
Die Hinweise aus Österreich und die Funde haben dazu geführt, dass Bayerns Innenministerium inzwischen eine andere Antwort als in den vergangenen Jahren gibt, wenn nach der Teutonia gefragt wird. "Derzeit kein Beobachtungsobjekt des Landesamts für Verfassungsschutz" lautete sie über Jahre, wenn Abgeordnete mehr wissen wollten über Verbindungen in die Neonazi- und Identitären-Szene. Jetzt wird die Teutonia beobachtet, und die Abgeordneten bekommen mehr Auskunft.
- Eigene Recherchen
- Anfragen an Staatsanwaltschaft Würzburg, Staatsanwaltschaft Wien, Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, Dubravko Mandic
- derstandard.at: Guggenbichlers Burschenschaft war Tummelplatz für Rechts-außen und manche Linke
- kanzlei-mandic.de: Pressemitteilung in Sachen Halemba (archiviert)