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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess um Atteste steht bevor "Querdenker"-Ärztin in der Schweiz verhaftet
Sie wollte erst nach einer "Generalamnestie" nach Deutschland zurückkehren. Jetzt ist eine Ärztin aus der "Querdenker"-Szene in der Schweiz verhaftet worden.
Eine der bekanntesten Ärztinnen aus der Szene der "Querdenker" und Impfgegner ist in der Schweiz verhaftet worden. Carola Javid-Kistel hatte sich nach eigener Aussage seit Februar 2022 in Mexiko im "Zwangs-Exil" aufgehalten. Am 1. Dezember wurde nach der Einreise in Zürich ein europäischer Haftbefehl gegen sie vollstreckt, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen t-online. Inzwischen sei sie in Konstanz an deutsche Behörden überstellt worden.
Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, dass sie gegen Zahlung einer hohen Sicherheitsleistung auf freien Fuß kommen darf. Der in der Szene gut vernetzte Anwalt Markus Haintz schrieb auf X, das Amtsgericht Duderstadt habe den Haftbefehl gegen Kaution und Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Sie sei auf dem Heimweg aus der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd nach Niedersachsen.** Vom Amtsgericht in Duderstadt war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Die Ärztin ist dort angeklagt wegen des Vorwurfs, falsche Maskenatteste ausgestellt zu haben. Zudem gibt es weitere Verfahren wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung.
Impfgegnerin schon vor Corona
Die 57-jährige Homöopathin war bereits vor Corona eine der entschiedensten Impfgegnerinnen in Deutschland und organisierte einen impfgegnerischen "Elternstammtisch für Impfaufklärung". Der "Arte"-Dokumentation "Impfgegner – Wer profitiert von der Angst" zufolge hat sie auf mehr als 100 Demonstrationen gesprochen. Sie nannte dabei Corona-Schutzmaßnahmen ein "Jahrhundertverbrechen". Was in Deutschland passiere, sei "schlimmer als der Holocaust". Die Impfstoffe gegen Corona erklärte sie zu "biologischen Waffen der fünften Generation", die gezielt eingesetzt würden, um "den größten Völkermord aller Zeiten umzusetzen". Den Tränen nah hatte sie berichtet, dass ihr Sohn sich habe impfen lassen.
Die Privatpraxis in Duderstadt im Landkreis Göttingen, die sie 24 Jahre lang geführt hat, ist mehrfach von der Polizei durchsucht worden. Kurz nach der dritten Durchsuchung am 1. Februar 2022 flog Javid-Kistel nach Mexiko und meldete sich am 4. März von dort aus: Sie habe Angststörungen und fürchte, dass die Polizei bei einer möglichen vierten Durchsuchung nicht nur Patientenakten, sondern auch sie selbst mitnehmen könne.
Den für den 25. März 2022 gebuchten Rückflug ließ sie verfallen und hielt sich seither in dem nordamerikanischen* Land auf. Damit entzog sie sich dem Prozess in Deutschland. "Ich habe nicht die Absicht, mich der deutschen Gerichtsbarkeit zum Fraß vorwerfen zu lassen", sagte sie in einer Botschaft an ihre Unterstützer auf Telegram. Sie kündigte auch an: "Ich werde definitiv erst zurückkehren, wenn diese Generalamnestie erlassen wurde." Daraufhin wurde ein europäischer Haftbefehl mit Verweis auf den anstehenden Prozess erlassen.
Angeklagt ist sie wegen 16 Fällen, in denen sie unrichtige Gesundheitszeugnisse – Maskenbefreiungsatteste – ausgestellt haben soll. Diese soll sie zwischen April 2020 bis März 2021 jeweils gleichlautend zur Vorlage bei Polizei, Behörden oder Gesundheitsämtern herausgegeben haben, so die Anklage. Javid-Kistel selbst sprach davon, "viele, viele" Atteste ausgestellt zu haben, die aber alle medizinisch angebracht gewesen seien.
"Heilkundeprojekt für Impfgeschädigte" kam nicht zustande
Der Anklage zufolge soll sie gewusst haben, dass die Personen keine gesundheitlichen Einschränkungen hatten, die eine Befreiung von der Maskenpflicht hätten rechtfertigen können. Einer der Empfänger ihrer Maskenbefreiungen wurde bereits im Dezember 2021 vom Amtsgericht Hannover wegen Verwendens eines falschen Attests zu zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.
Javid-Kistel suchte seit März 2022 immer wieder vergebens nach einer Vertretung für ihre Praxis. Sie berichtete, dass sie "aufgrund der politischen Verfolgung" mit einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung und Angststörung weiterhin in Mexiko bleiben müsse. Ihr Plan für ein "Heilkundeprojekt für Impfgeschädigte aus Deutschland" scheiterte an der Finanzierung. Es ist unklar, wieso sie jetzt in die Schweiz geflogen ist, wo der Haftbefehl auf sie wartete. Ihre Verteidigung hat sich auf eine Anfrage noch nicht zurückgemeldet.
*Wir hatten an dieser Stelle vom "mittelamerikanischen" Land geschrieben. Mexiko wird aber zu Nordamerika gezählt.
**Der Text wurde an dieser Stelle mit den Darstellungen von Markus Haintz aktualisiert.
- Eigene Recherchen
- Telegram: Nachricht vom 4. März 2022
- tagesspiegel.de: Das große Jammern der Verschwörungsideologen
- twitter.com: Nachricht Markus Haintz (archiviert)