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Polizeigewerkschaft zur Schwarzfahrer-Debatte: "Ein völlig falsches Signal"


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"Völlig falsches Signal"
Polizeigewerkschaft kritisiert Schwarzfahrer-Idee


Aktualisiert am 12.04.2023Lesedauer: 3 Min.
Die Strafen für Schwarzfahren sollen überprüft werden.Vergrößern des Bildes
Eine Person steigt in einen Bus (Symbolbild): Die Strafen für Schwarzfahren werden derzeit hitzig debattiert. (Quelle: Arne Dedert/dpa./dpa)
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Soll Schwarzfahren künftig nicht mehr als Straftat gelten? Die Mehrheit der Deutschen befürwortet das. So argumentiert die Polizei jetzt dagegen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat die Idee, Schwarzfahren künftig nicht mehr als Straftat zu behandeln, scharf kritisiert. Zuvor ist aus einer Umfrage hervorgegangen, dass die Mehrheit der Bürger es gut fände, wenn das Nutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln ohne gültigen Fahrschein eher als Ordnungswidrigkeit gelten würde. Hier lesen Sie mehr dazu.

"Die mangelnde Ausstattung der Justiz kann nicht dafür herhalten, Straftaten in Ordnungswidrigkeiten umzumünzen", sagt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), auf Anfrage von t-online. "Wollen wir demnächst Ladendiebstähle auch nur noch als Ordnungswidrigkeit werten?"

DPolG-Chef: "Völlig falsches Signal"

Wendt ist außerdem der Auffassung, dass Schwarzfahren auch nicht auf die gleiche Stufe wie etwa das Falschparken gestellt werden sollte. "Gesellschaftlich ist es überdies ein völlig falsches Signal, wenn wir immer wieder Fehlverhalten bagatellisieren. Wer öffentliche Verkehrsmittel benutzt, ohne zu bezahlen, fährt auf Kosten der Allgemeinheit", so Wendt weiter.

Dem DPoIG-Chef zufolge sei das vorsätzliche Schwarzfahren in Deutschland zu Recht eine Straftat, denn es gehe um das "Erschleichen von Leistungen". "Im realen Leben trifft es auch nicht diejenigen, die einmalig vergessen haben, ihr Ticket zu lösen, sondern es geht um Mehrfachtäter", argumentiert er.

VDV: Herabstufung würde Aufwand nur verlagern

Ein Sprecher des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) weist wiederum darauf hin, dass es zwischen einer Straftat und einer Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit eine ganze Reihe von Unterschieden gebe. Man müsse daher "bei einer Bewertung die gesamte Thematik betrachten".

"Wenn ein Schwarzfahrer eine Geldstrafe nicht bezahlen kann, kann er auch die Geldbuße für die Ordnungswidrigkeit nicht bezahlen. In diesem Fall landet man genauso vor Gericht oder im Gefängnis – das Ganze nennt sich dann nur Erzwingungshaft", erklärt der Sprecher auf Anfrage von t-online. "Eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit würde also nicht vereinfachen, sondern die Kosten und den Aufwand von den Landesbehörden Staatsanwaltschaft und Polizei auf die kommunalen Behörden der Ordnungsämter verlagern."

Neben diesen juristischen Bewertungen gebe es aus Sicht des VDV auch weitere Argumente dafür, Schwarzfahren weiterhin als Straftat zu behandeln. Hierzu zähle beispielsweise die abschreckende Wirkung wegen härterer Sanktionsmöglichkeiten – vor allem für Wiederholungstäter.

Fahrgastverband hält Herabstufung für möglich

Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn e.V., erklärt auf Anfrage von t-online, dass sich die Juristen derzeit noch nicht einig darüber seien, ob es möglich ist, persönliche Daten eines Schwarzfahrers zu erheben, wenn das Fahren ohne gültigen Fahrtausweis nur noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Dies sei jedoch notwendig, um ein sogenanntes erhöhtes Beförderungsentgelt zu erheben.

"Wenn juristisch geklärt ist, ob eine Personenkontrolle im Zug auch im Falle einer Ordnungswidrigkeit möglich ist, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, das Schwarzfahren als Ordnungswidrigkeit einzustufen", sagt Neuß. Er verweist aber auch darauf, dass es sich dem Strafgesetzbuch zufolge nur um eine Straftat handelt, wenn eine Absicht, ohne gültigen Fahrtausweis zu fahren, vorliege und auch nachgewiesen werden könne.

Das sei zum Beispiel der Fall, wenn in geringem Abstand hintereinander dreimal eine Fahrt ohne gültigen Fahrtausweis angetreten wird. "Irrtümer bei der Wahl des Fahrtausweises oder ein defekter Ticketautomat, der nicht genutzt werden kann, stellen zum Beispiel keinen Straftatbestand dar", erklärt Neuß.

Zusätzliches Register und Sozialticket gefordert

Um jene Menschen, die absichtlich schwarzfahren, auch richtig im Sinne der "ehrlichen" Fahrgäste zu behandeln, schlägt der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn e.V., Karl-Peter Naumann, darüber hinaus vor, ein zusätzliches Register einzuführen. Das Ziel solle dabei sein, das "erhöhte Beförderungsentgelt" im Wiederholungsfall deutlich zu erhöhen. Fallen beim ersten Mal noch 60 Euro an, könnten es beim zweiten Mal schon 2.100 Euro und beim dritten Mal schon 3.150 Euro sein, so Naumann.

Außerdem müsse beim Schwarzfahren auch der soziale Aspekt berücksichtigt werden. Für Einkommensschwache, die sich die Busfahrkarte nicht leisten können, müsse ein Sozialticket zum Einsatz kommen.

Sozialverband fordert 29-Euro-Ticket

Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), sagt dazu auf Anfrage von t-online: "Menschen, die notorisch schwarzfahren, verhalten sich dem Rest der Gesellschaft gegenüber unsolidarisch." Anders sei es, wenn jemand mal den Fahrschein vergessen oder aus Versehen ein falsches Ticket gelöst hat. Man müsse aber auch "unbedingt hinterfragen, wieso so viele Menschen schwarzfahren – denn das hängt auch mit dem zu teuren ÖPNV zusammen".

Gerade Menschen mit kleinem Geldbeutel seien von bezahlbarem Nahverkehr abhängig, betont Engelmeier. Auch die gigantische Nachfrage nach dem 9-Euro-Ticket habe letzten Sommer gezeigt, dass Millionen bei einem erschwinglichen Preis bereit sind, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. "Deshalb fordert der SoVD auch das 29-Euro-Ticket – nur so kann die dringend notwendige Mobilitätswende auch sozialverträglich gelingen."

Verwendete Quellen
  • Statements des DPolG-Chefs Rainer Wendt, der SoVD-Vorstandsvorsitzenden Michaela Engelmeier, des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. sowie des Fahrgastverbandes Pro Bahn e.V. (Detlef Neuß und Karl-Peter Naumann) auf Anfrage von t-online am 12.04.2023
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