Was wir wissen – und was nicht Totes Kind in Wunsiedel: Polizei gibt neue Erkenntnisse bekannt
Der Tod einer Zehnjährigen in Bayern schockiert. Doch noch ist vieles zu dem Fall unklar. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Ein zehn Jahre altes Mädchen, das in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in Wunsiedel in Oberfranken gewohnt hat, ist tot. Angestellte hatten das Kind am Dienstag in einem Zimmer der Einrichtung leblos gefunden, ein Notarztteam konnte nur noch den Tod feststellen. Erst einen Tag später, am Mittwoch, wurde dies öffentlich bekannt.
Die Staatsanwaltschaft geht von einem Tötungsdelikt aus, die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Doch noch ist vieles in dem Fall unklar. Was wir wissen – und was nicht.
Wie ist das Mädchen gestorben?
Die Staatsanwaltschaft geht in dem Fall von einem Tötungsdelikt aus. Das sagte Matthias Goers von der Staatsanwaltschaft Hof am Donnerstag. Dass es Anzeichen für ein Fremdverschulden gibt, hatte auch die Polizei bereits am Mittwoch nach einer ersten Obduktion des Leichnams bekannt gegeben. Ob die Tat vorsätzlich ausgeführt wurde oder nicht, ist allerdings nicht klar.
Entgegen anderslautender Medienberichte vom Mittwoch gehen die Ermittlungsbehörden nicht von einem Sexualdelikt aus. Die Kriminalbeamten könnten "Mutmaßungen hinsichtlich eines möglichen Sexualdeliktes derzeit nicht bestätigen", heißt es in einer am Donnerstag verbreiteten gemeinsamen Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Deren Sprecher Matthias Goers sagte: "Wir gehen von keinem Sexualdelikt aus."
Gibt es Tatverdächtige?
Die Polizei geht davon aus, dass ein elfjähriger Junge tatbeteiligt gewesen sein könnte – auch er wohnte in der Einrichtung. Ergebnisse der Spurensicherung deuteten darauf hin, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Karfreitag gemeinsam mit. "Da der elfjährige Junge nicht strafmündig ist, wurde er in einer gesicherten Einrichtung präventiv untergebracht", heißt es in der Mitteilung.
Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) hat sich daraufhin erleichtert über den "schnellen Ermittlungserfolg" in dem Fall gezeigt. Die Polizei gebe den Menschen ein Stück Sicherheit zurück, sagte sie am Freitag. "Für alle Betroffenen sind eine rasche Aufklärung und die Hintergründe der Tat von großer Bedeutung." Nur so sei es möglich, die Tragödie aufzuarbeiten.
Am Donnerstag erklärte ein Polizeisprecher im Gespräch mit t-online noch, dass man "weit davon entfernt" sei, einen Tatverdächtigen zu benennen. Eine Sprecherin der Polizei Oberfranken fügte am Donnerstag hinzu, es müsse "in alle Richtungen" gedacht werden. Es gebe allerdings keine Hinweise darauf, dass sich jemand von außen Zutritt zu der Einrichtung für Kinder und Jugendliche verschafft habe, so die Sprecherin weiter.
Am Mittwoch hatte es zunächst geheißen, im Fokus der Ermittler stünden drei Minderjährige, zwei Elf- und ein 16-Jähriger. Das hatte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) aus Sicherheitskreisen erfahren und vermeldet. Doch unklar war, inwieweit eine Beteiligung dieser ursächlich für den Tod des Mädchens gewesen sein könnte und ob es sich womöglich um einen Unfall gehandelt haben könnte.
Die Meldung zu den minderjährigen Tatverdächtigen hat ein Sprecher der Polizei Oberfranken im Gespräch mit t-online am Donnerstagvormittag zunächst als nicht zutreffend bezeichnet. Der zuständige Staatsanwalt Goers sagte am Donnerstag, sie würden derzeit als Kontaktpersonen geführt. Er machte keine weiteren Angaben, was darunter zu verstehen ist.
Wie gehen die Ermittler nun vor?
Die Anhörung des nun tatverdächtigen Elfjährigen stehe noch aus, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei mit. Diese werde einige Zeit in Anspruch nehmen. "Die Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit den zuständigen Jugendbehörden", heißt es in der Mitteilung weiter.
Derzeit arbeitet die Polizei nach eigenen Angaben von Samstag "auf Hochtouren" an der Spurenauswertung. Die weitere Auswertung der Spuren werde ebenfalls noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die Kriminalpolizei hat zu diesem Zweck eine 40-köpfige Sonderkommission gebildet, die Soko "Park". Eine solche wird normalerweise dann eingerichtet, wenn es bei einem Fall von besonderer Bedeutung innerhalb kürzester Zeit sehr viel zu tun gibt – wenn etwa viele Zeugen vernommen werden müssen oder es viele Hinweise aus der Bevölkerung gibt.
Warum wurde die Öffentlichkeit erst am Mittwoch informiert?
Angestellte fanden das Mädchen bereits am Dienstagmorgen um 8.45 Uhr leblos in einem Zimmer der Einrichtung. Allerdings wurde dies erst am Mittwoch bekannt. Die Polizei spricht hier von "ermittlungstaktischen Gründen", aufgrund derer man die Öffentlichkeit 24 Stunden lang nicht über das Auffinden der Leiche informiert habe. Der Vorgang sei mit der Staatsanwaltschaft abgesprochen gewesen, so eine Polizeisprecherin.
Eine solche Verzögerung kann unter Umständen dazu beitragen, dass erste Ermittlungen zunächst verdeckt durchgeführt werden können. Sie kann aber beispielsweise auch dem Schutz von Opfern oder Angehörigen dienen.
Wer war das Mädchen?
Das Mädchen war laut Polizei in der Einrichtung betreut worden und 10 Jahre alt. Warum sie in der Einrichtung untergebracht war und ob es Angehörige gibt, ist nicht öffentlich bekannt.
Um welche Einrichtung handelt es sich?
Das Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef ist ein katholisches Heim, in dem Erzieherinnen und Erzieher etwa 90 Kinder und Jugendliche voll- und teilstationär betreuen. Die meisten stammen demnach aus schwierigen Familienverhältnissen aus ganz Deutschland und könnten gar nicht oder nicht dauerhaft in ihrer Familie leben. Die Wohnquartiere sind über ein weitläufiges Gelände verteilt. Derzeit seien rund 80 Fachkräfte beschäftigt.
Aufgrund der Ferienzeit – derzeit sind Osterferien in Bayern – sei die Einrichtung nicht voll belegt, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Die Kinder und Jugendlichen würden nach den Geschehnissen von entsprechend ausgebildeten Kräften betreut.
Die Stadt Wunsiedel im Fichtelgebirge hat rund 9.200 Einwohner. Sie liegt etwa 90 Kilometer nordöstlich von Nürnberg und nur wenige Kilometer von der Grenze zu Tschechien entfernt.
- Anfragen Polizeipräsidium Oberfranken
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP
- Pressemitteilung der Polizei Oberfranken