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Bericht zur Flutkatastrophe im Ahrtal: Opposition fordert Rücktritte


Tödliche Ahrtal-Katastrophe
Abschlussbericht ist Ausdruck "fehlenden politischen Willens"

Von dpa
Aktualisiert am 03.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Das Ahrtal im Juli 2021 (Archivbild): Nach der Flut bot sich ein Bild der Verwüstung. (Quelle: Boris Roessler/dpa)
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Der rund 2.100 Seiten starke Abschlussbericht zur Flutkatastrophe ist ab sofort für jeden online einsehbar. Doch die Bewertung der Ereignisse vom Sommer 2021 ist unterschiedlich.

Von der Opposition ist scharfe Kritik gekommen, die Ampel hat etwas andere Töne angeschlagen: der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe im Ahrtal ist auf ein geteiltes Echo gestoßen. Während Vertreter der Opposition mit der Rolle der Landesregierung und den ihr untergeordneten Behörden in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli und danach hart ins Gericht gehen, wird an anderer Stelle die Außergewöhnlichkeit der Flut betont. Die regierungstragenden Fraktionen verweisen derweil auf Versäumnisse eines früheren Landrats.

Zur Erinnerung: In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 löste extremer Starkregen in verschiedenen Teilen von Rheinland-Pfalz Flutwellen aus. Besonders hart traf es damals das Ahrtal. 135 Menschen starben bei einer der schwersten Katastrophen in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Person gilt bis heute als vermisst. Mindestens 766 Menschen wurden verletzt. Viele sind traumatisiert.

Das Hochwasser setzte auch Teile der Eifel unter Wasser, dabei kam ein Mensch ums Leben. In Trier wurde der Stadtteil Ehrang geflutet, im Kreis Trier-Saarburg stand die Ortsgemeinde Kordel unter Wasser. Betroffen war auch das benachbarte Nordrhein-Westfalen. Zehntausende Häuser im Ahrtal und die Eisenbahnstrecke wurden zerstört oder schwer beschädigt, Straßen und Brücken weggespült. Bis heute stehen Gebäude leer, werden abgerissen oder wieder aufgebaut.

Welche Informationen gab es vor der Flut?

Der Ausschuss sollte herausfinden, welche Informationen und Prognosen vom 10. Juli 2021 bis 13. Juli 2021, also unmittelbar vor der Flut, vorlagen und welche Entscheidungen vom 14. bis 15. Juli von der Landesregierung, nachgeordneten Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen getroffen wurden. Außerdem wurde geprüft, wie die Bewältigung der Katastrophe organisiert und umgesetzt wurde – und zwar in der Zeit vom 16. Juli bis zur Einsetzung eines Beauftragten der Landesregierung vor Ort am 6. August 2021. Es ging also um einen recht engen Zeitraum.

Im Mittelpunkt standen dabei die Arbeit im Kreis Ahrweiler, die Arbeit der für Katastrophenschutz zuständigen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), des Umweltministeriums sowie des untergeordneten Landesamtes für Umwelt.

Opposition fordert Rücktritt von Linnertz und Manz

Der Untersuchungsausschuss wurde auf Initiative der CDU einberufen und tagte seit Oktober 2021 47 Mal beziehungsweise 294 Stunden, von denen 40 nicht-öffentlich waren. 226 Zeugen wurden befragt, einige mehrfach. Dazu kamen 23 Sachverständige, von denen drei jeweils dreimal gehört wurden.

Doch warum fordert die Opposition den Rücktritt von Linnertz und Manz? Grob gesagt sieht die Opposition bei Umweltstaatssekretär Erwin Manz (Grüne) und ADD-Präsident Thomas Linnertz große Versäumnisse. Von einem "Versagen von staatlichen Strukturen im weiteren Sinne" in den Tagen vor, während und nach der Flut spricht der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid.

Menschliches Versagen habe für unterbliebene Warnungen und nicht erfolgte Evakuierungen eine wesentliche Rolle gespielt. Die damalige Umweltministerin, Anne Spiegel (Grüne), und der damalige Ahr-Landrat, Jürgen Pföhler (CDU), sind nicht mehr im Amt. Linnertz sowie Manz aber sehr wohl. Ergo hätten sie bislang noch nicht die Verantwortung für ihre Fehler, Versäumnisse und Pflichtverletzungen übernommen.

Ausschussmitglieder sprechen von "nachgewiesener Unfähigkeit"

Die drei CDU-Vertreter im Ausschuss, Dirk Herber, Marcus Klein und Anette Moesta, sprechen in den Fällen von Manz und Linnertz von "mehrfach und detailliert nachgewiesener Unfähigkeit". "Dass beide Herren weiter im Amt sind, ist eine schwer zu ertragende Ignoranz gegenüber den Menschen unseres Landes und insbesondere gegenüber der vielen Opfern im Ahrtal."

Neben den zurückgetretenen Ministern macht AfD-Obmann Jan Bollinger beide als diejenigen aus, die in besonderem Maße durch ihr Fehlverhalten die Katastrophe verschlimmert hätten. "Sie sollten daher entlassen werden", sagte Bollinger.

Nach Einschätzung der Ampel-Fraktionen zog sich das Versagen von Ex-Landrat Pföhler wie ein roter Faden durch den Ausschuss. So schreiben es die Obleute Nico Steinbach (SPD), Carl-Bernhard von Heusinger (Grüne) und Philipp Fernis (FDP) in einer gemeinsamen Mitteilung.

Sie werfen ihm mangelnde Vorsorge vor, außerdem, dass kein Verwaltungsstab eingerichtet wurde und dass er, als oberster zuständiger Katastrophenschützer, während der akuten Lage nicht erreichbar war, Verantwortung wegdelegierte und die Bevölkerung erst viel zu spät warnte.

Ermittlungen gegen Landrat Pföhler

Außerdem unterstreichen die Ampel-Vertreter, die Flutkatastrophe sei ein "in seinen Ausmaßen und Abläufen singuläres und so nicht vorhersehbares Ereignis" gewesen. Die verheerenden Folgen wurden durch eine Konstellation verschiedener spezifischer unter anderem meteorologischer und geologischer Faktoren im Ahrtal verstärkt.

Und was ist aus den Ermittlungen gegen den Landrat geworden? Die Staatsanwaltschaft Koblenz stellte die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Pföhler und einen seiner engen Mitarbeiter aus dem Krisenstab Mitte April dieses Jahres ein. Dabei ging es auch um fahrlässige Tötung durch Unterlassen.

Die Anklagebehörde kam unter anderem zu dem Schluss, dass es sich um eine außergewöhnliche Naturkatastrophe handelte, deren extremes Ausmaß für die Verantwortlichen des Landkreises Ahrweiler nicht konkret vorhersehbar gewesen sei. Hinterbliebene von Opfern wollen mithilfe von Gutachten die Wiederaufnahme der Ermittlungen erreichen. Darüber entscheidet die Generalstaatsanwaltschaft.

Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft

Explizite Kritik an der Staatsanwaltschaft äußert der Obmann der Freien Wähler im Untersuchungsausschuss, Stephan Wefelscheid. Er habe sich die Zusammenarbeit mit der Behörde anders vorgestellt. Der Ausschuss habe die Behörde immer und umfassend mit Erkenntnissen versorgt. "Umgekehrt war dies leider meines Erachtens nicht immer der Fall", sagte er.

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Die Einstellung der Ermittlungen hatte der Anwalt einiger Hinterbliebener, Christian Hecken, mehrfach scharf kritisiert. Der Abschlussbericht sei nun Ausdruck des "fehlenden politischen und gesellschaftlichen Willens", die Entscheidung der Staatsanwaltschaft und die Tätigkeit des Justizministers Herbert Mertin (FDP) kritisch zu hinterfragen.

Welche Konsequenzen hat die Landesregierung gezogen?

Die damalige Umweltministerin Anne Spiegel und Innenminister Roger Lewentz (SPD) traten im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Katastrophe aus unterschiedlichen Gründen zurück. Bei Spiegel, damals schon Bundesfamilienministerin, ging es im April 2022 um ihren Frankreich-Familienurlaub – nur zehn Tage nach der Katastrophe.

Lewentz geriet während der Aufarbeitung der Katastrophe zunehmend unter Druck – auch, weil Polizeidokumente und Videos zur Flutnacht erst spät auftauchten. Der Minister trat im Oktober 2022 mit den Worten zurück: "Heute übernehme ich für in meinem Verantwortungsbereich gemachte Fehler die politische Verantwortung."

Die ehemalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die sich aus gesundheitlichen Gründen im Juni dieses Jahres zurückgezogen hat, bedauerte die Flutkatastrophe und das damit verbundene Leid immer wieder zutiefst und sprach den Menschen ihr tiefes Mitgefühl aus.

Sie sprach von einer "Zäsur" – und von einer Naturkatastrophe. Aus diesem Grund entschuldigte sie sich nicht förmlich für die Ereignisse, was ihr viele vorwerfen. Ihr Nachfolger, Alexander Schweitzer (SPD), hat den Wiederaufbau des Ahrtals zu einem seiner Regierungsschwerpunkte gemacht. Am dritten Jahrestag der Katastrophe war er in der Region unterwegs.

Eine Konsequenz ist, dass der Katastrophenschutz neu strukturiert wird und in Koblenz ein Lagezentrum für Bevölkerungsschutz errichtet wird. Das soll das Herzstück des neuen Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz werden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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