England Sechs Tote bei Bluttat in Plymouth
Plymouth (dpa) - Eine Bluttat mit sechs Toten hat die südenglische Hafenstadt Plymouth in Schock und Trauer versetzt. Wie Polizeichef Shaun Sawyer mitteilte, tötete ein 22-Jähriger zwei Männer und drei Frauen, darunter ein "sehr junges Mädchen", bevor er sich selbst erschoss. Zwei Menschen wurden schwer verletzt.
Es handelt sich um den Vorfall mit den meisten Schussopfern in Großbritannien seit mehr als einem Jahrzehnt. Zum Motiv machten die Behörden zunächst keine Angaben.
Britische Medien berichteten, der mutmaßliche Täter sei der sogenannten Incel-Szene zuzurechnen. Die Abkürzung stammt vom englischen Begriff "involuntary celibate" und bezeichnet vorwiegend Männer, die unfreiwillig enthaltsam leben und Hass auf Frauen sowie auf sexuell aktive Männer entwickeln.
Frauen werfen sie vor, ihnen Nähe und Sex zu verwehren, obwohl dies ihnen zustehe. Mehrmals kam es deshalb in den vergangenen Jahren zu Morden, etwa in Kanada. Manche Kriminalisten ordnen auch den norwegischen Massenmörder und Rechtsextremisten Anders Behring Breivik sowie die Attentäter von Christchurch und Halle der Incel-Bewegung zu.
In sozialen Netzwerken habe Jake D. entsprechende Aussagen getätigt, meldete auch die Nachrichtenagentur PA. Die Opfer scheint er aber fast alle willkürlich gewählt zu haben. Seine Accounts bei Facebook und Youtube wurden nach der Tat entfernt, wie PA berichtete.
Schock und Trauer
Es sind sechs Minuten, die Plymouth, den wichtigsten Stützpunkt der britischen Marine, auf Dauer verändern könnten. Von "einem der dunkelsten Tage seit vielen, vielen Jahren" spricht der Abgeordnete Johnny Mercer. Der Bischof von Plymouth, Mark O'Toole, rief die Menschen zum Gebet für Opfer und Angehörige auf. Es liege ein "tiefes Gefühl von Schock und Trauer" über der Stadt, sagte er.
Um kurz nach 18 Uhr (Ortszeit, 19 Uhr MESZ), so berichtete eine Anwohnerin der BBC, habe ein Angreifer die Tür eines Hauses im Stadtteil Keyham eingetreten und angefangen zu schießen. Polizeichef Sawyer bestätigte später, dass Jake D. zunächst in einem Haus in einer Sackgasse eine Frau erschossen hat. Opfer und Täter kannten sich demnach. Vermutlich waren sie verwandt - Medienberichten zufolge handelte es sich um die Mutter des Schützen, dies wollte Sawyer aber nicht bestätigen.
Draußen feuerte Jake D. weiter. Zunächst nahm er das Mädchen und einen Verwandten des Kindes unter Beschuss und tötete beide. Wie Medien berichteten, führte das Mädchen gerade seinen Hund aus. Anschließend verletzte der Täter einen Mann und eine Frau schwer. Dann floh er durch einen Park, wo er einen Mann erschoss und eine Frau so schwer verletzte, dass sie im Krankenhaus starb. Dann erschoss er sich selbst. Ob Jake D., ein Kranführer, die übrigen Opfer persönlich oder vom Sehen kannte, ist noch unklar.
Amokläufe selten in Großbritannien
Die Bluttat sorgt auch deshalb landesweit für Entsetzen, weil Amokläufe in Großbritannien selten sind. Die Waffengesetze sind streng. Der bisher letzte Fall ist gut elf Jahre her: Im Juni 2010 erschoss ein Mann im nordwestenglischen Gebiet Cumbria zunächst seinen Zwillingsbruder und einen Anwalt, Auslöser war offenbar ein Erbstreit. Anschließend tötete er zehn weitere Menschen und verletzte etwa ein Dutzend, bevor er sich selbst erschoss. Der Täter verfügte über einen Waffenschein.
Auch Jake D. hatte nach Angaben von Polizeichef Sawyer mindestens für das Jahr 2020 eine entsprechende Erlaubnis. Die Tatwaffe hatte er nach Angaben der Polizei legal erworben. Wie die Polizeiaufsichtsbehörde am Freitagabend mitteilte, soll nun geprüft werden, warum er die Lizenz nach einem vorübergehenden Entzug wieder zurückbekommen hatte.
Die Menschen im Viertel seien durch die Brutalität des Angriffs "am Boden zerstört", sagte Plymouths Parlamentsabgeordneter Luke Pollard dem Sender Times Radio. "Keyham ist eine wirklich eng verbundene Gemeinschaft - es ist die Art von Ort, an dem man seinen Nachbarn kennt und aufeinander aufpasst."
Der Fußball-Drittligist Plymouth Argyle sagte eine Pressekonferenz ab und senkte die Fahnen am Stadion auf halbmast. Premierminister Boris Johnson sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.