Virologe zu Lockerungen für Geimpfte "Da öffnen wir Tür und Tor, dass wieder mehr Infektionen stattfinden"
Die Debatte um die Aufhebung der Corona-Maßnahmen für geimpfte Bürger wird weiter angeheizt. Schon ab Sonntag könnte eine entsprechende Verordnung gelten. Ein Virologe schlägt Alarm.
Bereits am Wochenende könnten bundesweite Freiheiten für Geimpfte und Genesene in Kraft treten. Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) von einer "guten Nachricht" spricht, äußern sich Experten skeptisch. "Da öffnen wir Tür und Tor, dass wieder mehr Infektionen stattfinden", sagte der Virologe Martin Stürmer am Mittwochmorgen im ZDF. Da immer noch viele Ansteckungen im privaten und familiären Kreis stattfänden, empfehle er weiterhin, diese einzuschränken. Auch eine geimpfte Person sei nicht zu 100 Prozent geschützt und könne das Virus weitergeben.
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Mit Blick auf die nötige Herdenimmunität sagte der Virologe, 70 bis 75 Prozent der Bevölkerung müssten sich impfen lassen, "um einen Pandemiebruch erzeugen zu können". Dies sei jedoch ein "sehr sportliches Ziel". Bestimmte Gruppen würden womöglich nie erreicht.
Über die Rückkehr zur Normalität könne man erst diskutieren, wenn jedem Bürger ein Impfangebot gemacht werden könnte. Tendenziell gehe das Infektionsgeschehen in die richtige Richtung, so der Virologe. "Doch im Moment leisten wir uns noch zu viele Infektionen." Man müsse jetzt auf die Bremse treten, um den Sommer genießen zu können.
Auch andere Experten mahnen zur Vorsicht
Auch Virologin Sandra Ciesek hatte zuvor bei Lockerungen zur Vorsicht gemahnt: Man müsse unterscheiden, wer auf wen treffe: Eine Gruppe vollständig geimpfter Personen sei nahezu vollständig geschützt. "Hier kann es zu einer Lockerung kommen." Anders sehe es in der Öffentlichkeit aus, wo ganz viele noch nicht geimpft sind. "Da muss man noch vorsichtig sein und als Geimpfter Rücksicht nehmen auf die, die nicht geimpft sind", sagte sie im NDR-Podcast "Coronavirus Update".
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte sich ähnlich: "Wir dürfen gerade jetzt nicht den Fehler machen, die Erfolge zu gefährden, die uns die einheitliche Corona-Notbremse gebracht hat", sagte er der "Augsburger Allgemeinen Zeitung".
Mehr als 18.000 Neuinfektionen am Mittwoch
Die Bundesregierung hatte die geplanten Lockerungen am Dienstag auf den Weg gebracht. Das Bundeskabinett beschloss dazu eine entsprechende Rechtsverordnung, die bis Freitag Bundestag und Bundesrat passieren soll. Für Geimpfte und von einer Erkrankung Genesene sollen damit die geltenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen wegfallen, in vielen Bereichen etwa beim Einkauf oder beim Friseurbesuch werden sie zudem negativ Getesteten gleichgestellt.
Am Mittwoch hatte das Robert Koch-Institut (RKI) 18.034 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Die Inzidenz sank auf 132,4. Die Impfkampagne, die mehr als drei Monate nach dem Start an Fahrt aufnimmt, macht zudem Hoffnung auf eine Entspannung der Lage.
- ZDF "Morgenmagazin" am 5. Mai 2021
- Nachrichtenagentur dpa