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Corona-Kollaps in Irland: "Ende Januar wird es ans große Sterben gehen"


Corona-Kollaps in Irland
"Ende Januar wird es ans große Sterben gehen"


Aktualisiert am 13.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Dramatischer Anstieg der Corona-Infektionen in Irland: Der Inselstaat kämpft gegen das Virus an.Vergrößern des Bildes
Dramatischer Anstieg der Corona-Infektionen in Irland: Der Inselstaat kämpft gegen das Virus an. (Quelle: t-online)

Irland galt als europäisches Vorbild im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Doch zuletzt stiegen die Infektionszahlen so schnell wie nirgendwo sonst. Wie konnte es so weit kommen?

In Dublin läuft eine Gruppe von Jugendlichen durch die Straßen. "Ich habe Corona", ruft einer der Teenager und hustet laut, als ein Mann vorbeigeht.

Diese Szene, geschildert vom Portal "Dublin live", erzürnt die Menschen im Inselstaat. Denn auch in der irischen Hauptstadt sind die Straßen aufgrund des Lockdowns leer gefegt. Die Menschen tummeln sich nun woanders: auf den Covid-19-Stationen der Krankenhäuser. Irland befindet sich in einem neuen Schockzustand. Einen ähnlich starken Anstieg der Infektionszahlen haben Experten weltweit nirgendwo beobachtet.

Zu Beginn der Corona-Pandemie nannten die Forscher der Wissenschaftsakademie Leopoldina Irland noch als Vorbild im Kampf gegen die Pandemie. Ende Oktober ordnete das Land als erster EU-Staat einen erneuten Lockdown an: Der Einzelhandel schloss, in Innenräumen durften keine zwei Haushalte mehr zusammenkommen, die Wohnung durfte nur aus einem triftigen Grund verlassen werden. Schulen und Kitas blieben jedoch geöffnet. Während andere europäische Länder zögerten, darunter auch Deutschland, trat Irland auf die Bremse und verhinderte so einen schnellen Anstieg der Fallzahlen.

Heute, drei Monate später, ist die Situation außer Kontrolle. Irlands Infektionsrate ist in den vergangenen Wochen drastisch angestiegen: Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt dort aktuell bei 929 pro 100.000 Einwohner. Der Inselstaat nimmt damit den zweiten Platz auf der Liste der europäischen Länder mit den meisten Corona-Infektionen ein. Zum Vergleich: Deutschland liegt mit einem Wert von 175 auf Platz 28.

Eine Animation von t-online zeigt die dramatische Corona-Lage in Irland – vor allem durch den Bezug zur Einwohnerzahl des Landes und einen Vergleich mit anderen Ländern. Sie finden das Video oben im Text oder hier.

Der Kollaps naht

Durchschnittlich sterben bei einer Einwohnerzahl von knapp 4,9 Millionen Menschen innerhalb einer Woche täglich 13 Covid-19-Patienten in Irland. Der deutsche Epidemiologe Prof. Dr. Timo Ulrichs äußert gegenüber t-online eine erschreckende Prognose: "Zurzeit haben wir in Irland noch relativ geringe Todeszahlen, aber das wird sich sehr schnell ändern. Es wird Ende Januar, spätestens Anfang Februar ans große Sterben gehen."

Auch der irische Immunologe Luke O’Neill hat die Befürchtung, dass die täglichen Todeszahlen auf 100 oder höher ansteigen könnten. Die Covid-Situation sei "höchst unberechenbar", sagte er der "Irish Times". Besonders in Pflegeheimen seien immer mehr Ausbrüche zu verzeichnen. Behörden warnen davor, dass bis zu 2.500 Covid-19-Patienten innerhalb der nächsten zwei Wochen ein Krankenhausbett benötigen könnten und womöglich 400 Menschen auf Intensivstationen behandelt werden müssen. Derzeit sind es noch 146 Patienten. Demnach würde in den kommenden Tagen ein Notfallplan aktiviert. Der Kollaps naht.

Irland hatte Pandemie unter Kontrolle

Doch wie konnte es in Irland zu so einer dramatischen Wende kommen?

"Die Lockerungen in Irland kamen zu sehr unpassenden Zeitpunkten" erklärt Epidemiologe Ulrichs. "Das Land ist eigentlich gut durch die Krise gekommen, aber vor Weihnachten waren die Infektionszahlen schon auf dem aufsteigenden Ast – und nach den Lockerungen sind sie durch die Decke gegangen", so Ulrichs.

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Die Entscheidung, die Maßnahmen ab dem 1. Dezember wieder zu lockern und somit auf die nationale Corona-Warnstufe drei zurückzukommen, verwunderte viele. Zwar wurden Reisen außerhalb des eigenen Landkreises weiterhin untersagt, der Großteil der sonstigen Regelungen aber aufgehoben. Geschäfte, Museen, Kinos, Restaurants und andere Läden öffneten wieder, lediglich die beliebten irischen Pubs mussten sich immer noch auf die Mitnahme von Speisen und Getränken beschränken.

"Entscheidungen in Deutschland waren richtig"

Die Lockerung der Maßnahmen hatte bittere Konsequenzen: In der Adventszeit stiegen die Neuinfektionen Woche für Woche. Kurz vor Weihnachten verzeichnete Irland täglich schon wieder knapp 1.000 neue Fälle – Tendenz steigend. Dennoch galten an Weihnachten – wie auch in Deutschland – einige Lockerungen. Landkreise durften verlassen werden, sogar drei Haushalte zusammenkommen. "In Irland feiert man sehr eng und kuschlig zusammen Weihnachten, es gab kurze Übertragungswege", erklärt Epidemiologe Ulrichs.

Zudem hätten in der Vorweihnachtszeit und an Weihnachten Besuche und Mobilität zugenommen. "Ein ähnlich negativer Trend ist auch in Tschechien festzustellen, wo über Weihnachten ebenfalls viele Lockerungen galten", sagt Ulrichs. Dort liegt die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz bei 848 pro 100.000 Einwohner. In Deutschland gab es hingegen nur eine leichte Lockerung der Maßnahmen, Geschäfte und Restaurants blieben zu. "Die Entscheidungen in Deutschland waren richtig, um einen noch massiveren Anstieg zu verhindern", so Ulrichs.

Ist die Virus-Mutation der Grund für den Anstieg?

Ab 1. Januar wurde in Irland deshalb wieder drastisch verschärft. Am 6. Januar meldete das Land einen traurigen Rekord von 7.836 Neuinfektionen. Seit Weihnachten wurden insgesamt mehr als 67.000 Neuinfektionen verzeichnet, das entspricht fast der Hälfte der Gesamtinfektionen seit Beginn der Pandemie. Die Regierung musste handeln: Das Land ging in den Voll-Lockdown. Geschäfte, Restaurants, Schulen und Kitas bleiben bis mindestens Ende Januar geschlossen.

Doch warum hat das Virus Irland so fest im Griff? Ein triftiger Grund für die Entwicklung könnten die Virus-Mutationen aus Südafrika und besonders Großbritannien sein. Regierungschef Martin zufolge wurde die neue Variante des Coronavirus in 45 Prozent der neuesten Tests nachgewiesen. Ende Dezember lag der Anteil noch bei neun Prozent.

700.000 Impfungen bis Ende März

Immunologe O'Neill berichtet, die britische Mutation sei zwar infektiöser, aber womöglich weniger tödlich. Epidemiologe Ulrichs weiß jedoch: "Wenn die Mutation sich schneller ausbreitet als die ursprüngliche Variante, sind die Zahlen nicht unter Kontrolle zu kriegen." Wegen des verstärkten Auftretens der Virus-Mutationen in Irland fordert die Bundesregierung von Passagieren ab diesem Dienstag vor dem Abflug in dem EU-Land die Vorlage eines negativen Corona-Tests. Ulrichs zufolge sei es sinnvoll, dass die Menschen die Wohnung nur noch für Arztbesuche und Impfungen verlassen, um die Lage zu kontrollieren.

Die Hoffnung ruht auch auf den Impfstoffen. Gesundheitsminister Stephen Donnelly stellte in Aussicht, dass bis Ende März 700.000 Iren geimpft sein sollen – das entspräche zwar erst 14 Prozent der Bevölkerung, vor allem Risikogruppen könnten dann jedoch besser geschützt sein. Doch um den Kollaps des Gesundheitssystems zu vermeiden, wird das noch nicht ausreichen. Irland stehen harte Monate bevor.

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