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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Party-Lockdown auf Mallorca Wirtin: Behörden wollen "Ballermann endlich plattmachen"
Nachdem am vergangenen Wochenende Party-Touristen am Ballermann ohne Rücksicht auf Corona-Regeln feierten, sind die Amüsiermeilen jetzt dicht. Eine deutsche Wirtin macht den örtlichen Behörden schwere Vorwürfe.
Die Wut auf der Urlaubsinsel Mallorca ist groß: Nachdem am vergangenen Wochenende Hunderte Touristen ohne Mundschutz und Sicherheitsabstand am Ballermann feierten, griffen die spanischen Behörden hart durch und machten die beliebten Partymeilen "Bier-" und "Schinkenstraße" in Palma für zwei Monate dicht – und das mitten in der Hauptsaison im Sommer. Wie es nun vor Ort aussieht und wie die Urlauber reagieren, sehen Sie oben im Video oder hier.
"Eine absolute Überreaktion"
Den Gastronomen auf der Insel versetzt die Entscheidung der spanischen Behörden einen herben Schlag. "Ich halte das für eine absolute Überreaktion", sagt Marion Pfaff, die auf Mallorca das Lokal "Krümels Stadl" betreibt. "Es leiden ja nicht nur die Gastronomen unter dem Lockdown. Es werden auch Unbeteiligte wie Tattoo-Läden oder kleine Supermärkte bestraft, nur weil sie sich zufällig auf dieser Straße befinden", sagt die 47-Jährige – "hier werden die Existenzen von Menschen zerstört, die mit der Party gar nichts zu tun hatten".
Für sie steht der zweimonatige Lockdown in keinem Verhältnis zu dem, was am vergangenen Wochenende in Palma passiert ist. "Dass das Geschehen auf der Bierstraße stattgefunden hat, ist Fakt. Aber dass die Wirte vor Ort die Situation nach kurzer Zeit wieder im Griff hatten, das wird dann in den Medien nicht gezeigt", sagt Pfaff. "Es wird dann immer so dargestellt, dass der Ballermann das zweite Ischgl ist, aber es kommen dann zum Teil falsche Informationen nach Deutschland".
"Auch Spahn redet vom zweiten Ischgl nur auf Basis der Medienberichte, ohne sich richtig zu informieren, was da eigentlich abgelaufen ist", sagt Pfaff – "warum spricht man nicht über Holland oder Bulgarien, wo teilweise viel intensiver gefeiert wird?". Diese Themen würden von Medien und Politik nur kurz angesprochen und dann gleich wieder fallen gelassen. "Die deutsche Politik agiert wie ein Löwe, der sich auf ein Stück Fleisch stürzt, dass ihm von den Medien hingeworfen wird", sagt Pfaff. "Da stellt sich mir dann die Frage: Warum schaut ihr woanders weg und hier schaut ihr hin?“
Vorwürfe an die Regierung auf Mallorca
Pfaff betreibt ihr Lokal in der zehnten Saison in Peguera, das rund 40 Kilometer vom Ballermann entfernt liegt. Sie selbst ist von der Schließung daher nicht betroffen. Dennoch berichtet sie, dass die Behörden ihren Laden im Blick hätten. "Wir hatten zum Beispiel gestern regelmäßig Polizeiautos vor unserem Laden. Man hat das Gefühl, die warten nur darauf, bis du einen Fehler begehst. Und dann machen sie dir den Laden dicht".
Sie erzählt von vielen Gästen, die jetzt in ihren Laden kämen und bei den Vorkommnissen des vergangenen Wochenendes dabei waren. "Die sagen, dass es lange Zeit friedlich war und die Mindestabstände eingehalten wurden. Zwar habe eine Party stattgefunden, aber auf andere Art und Weise als später dargestellt. "Das war keine Massenansammlung und trotzdem wurde jetzt dieser Entschluss gefällt", ärgert sich Pfaff.
"Das wirkt alles so, als würde man die Corona-Krise politisch nutzen, um den Party-Tourismus und Ballermann endlich plattmachen zu können“, sagt sie. "Die Regierung will seit Jahren den Ballermann-Tourismus weghaben und stattdessen den Reichen-Tourismus nach Mallorca holen." Dafür seien auch etliche Fünf-Sterne-Hotels gebaut worden, die jetzt aber überwiegend nicht gebucht würden, weil das Publikum ausbleibe.
Gastronomen sollten Chance bekommen
Statt die Wirte einfach pauschal zu bestrafen, hätten die Behörden laut Pfaff lieber einen anderen Weg gehen sollen. "Man muss den Gastronomen die Chance geben, sich zu beweisen. Und das geht nicht von jetzt auf gleich. Das hat auch in Deutschland in den Restaurants nicht gleich überall sofort funktioniert – da war auch erstmal Chaos", sagt Pfaff.
Man müsse den Betreibern nach der Wiedereröffnung der Lokale die Möglichkeit geben, das neue Corona-System in die Läden zu integrieren und mögliche Fehler zu begradigen. "Und wenn man es dann beim nächsten Mal nicht besser macht, muss man den Laden eben schließen", so Pfaff. "Aber diese Chance wurde den Gastronomen auf Mallorca nie gegeben".
Auch sie habe nach der Wiedereröffnung ihres Ladens Fehler gemacht, die ihr vorher nicht bewusst gewesen seien. "Wir waren alle noch nicht mit so etwas wie Corona konfrontiert", sagt Pfaff.
"Mallorca ist nicht nur der Ballermann"
Auch zu den Party-Touristen, die sich nicht an die Regeln halten, hat Pfaff eine klare Meinung: "Das geht gar nicht. Wer nicht merkt, dass Corona wirklich da ist, der hat die Welt nicht verstanden. Solche Touristen haben auch bei uns keine Chance. Wenn die Leute sich nicht benehmen, werden sie eben rausgeschmissen“. Dennoch betont sie, dass Party-Touristen die Minderheit seien. Die Menschen, die richtig feiern wollen, würden ohnehin nach Bulgarien fahren – "da gibt’s eben keine Regeln“.
"Aber Mallorca ist ja nicht nur Ballermann. Die Insel wird komplett bestraft. Jeder Gastronom auf der Insel, jedes Restaurant merkt die Auswirkungen der strikten Regeln", so Pfaff.
- Eigene Recherche