Premier unter Druck Johnson lockert Corona-Regeln und erntet scharfe Kritik
Wie in Deutschland werden die Corona-Maßnahmen auch in Großbritannien peu à peu gelockert. Das Land ist besonders stark von der Pandemie betroffen. Nicht nur deshalb hagelt es für Premier Boris Johnson
Die britische Regierung lockert ihre wegen der Corona-Krise verhängten Kontaktbeschränkungen in England – und erntet dafür harsche Kritik von Gewerkschaften, Opposition und Wirtschaft. Sie forderten von Premierminister Boris Johnson mehr Klarheit im Kampf gegen die Pandemie. Die Landesteile Schottland, Wales und Nordirland kündigten an, ihren eigenen – strikteren – Weg zu gehen.
Meiste Corona-Opfer in Europa
Großbritannien hat Statistiken zufolge die meisten Corona-Opfer in Europa; bislang starben mehr als 32.000 Infizierte. Noch immer mangelt es an Schutzausrüstungen im chronisch unterfinanzierten staatlichen Gesundheitsdienst NHS (National Health Service). Auch das Ziel von 100.000 Tests am Tag wird häufig noch nicht erreicht.
Johnson stellte am Montag das etwa 50 Seiten starke Regierungsdokument im Parlament vor. Würden die Regeln befolgt, sei die Krankheit zu kontrollieren, sagte er. Johnson hatte Teile davon schon am Sonntagabend in einer Fernsehansprache bekanntgegeben.
Öffentliche Verkehrsmittel sollen gemieden werden
Wer nicht von zu Hause arbeiten könne, soll laut Johnson unter Beachtung der Abstandsregeln wieder zur Arbeit gehen. Öffentliche Verkehrsmittel sollten dabei möglichst gemieden werden. Empfohlen wird das Tragen von Masken in U-Bahnen und Bussen. Von Mittwoch an sind wieder uneingeschränkt körperliche Betätigungen und auch das Liegen in der Sonne erlaubt. Bislang durften die Briten nur einmal am Tag das Haus zum Sport oder zu Spaziergängen verlassen. Reisen innerhalb Englands, etwa an die Küste, werden ebenfalls zugelassen.
Johnson kündigte auch die Einführung einer Quarantäne für Flugreisende nach Großbritannien an. Frühestens Anfang Juni könnten wieder Läden und Schulen schrittweise geöffnet werden. Von Juli an sei eine teilweise Öffnung von Restaurants, Friseurgeschäften und Betrieben mit Publikumsverkehr denkbar. Sollte sich aber zeigen, dass die Zahl der Infektionen wieder steige, werde die Regierung nicht zögern, die Maßnahmen zu verschärfen, sagte der Premier.
Kritik von Unternehmern und Gewerkschaftern
Nach Ansicht des Chefs der oppositionellen Labour-Partei, Keir Starmer, hinterlassen die Pläne "mehr Fragen als Antworten". Die britische Handelskammer betonte, dass die Unternehmen klare Anweisungen bräuchten, wie sie ihre Mitarbeiter schützen sollten. Die Nationale Gewerkschaft für Erziehung verurteilte den Plan, dass einzelne Jahrgangsstufen in Schulen ab Juni starten könnten, als "rücksichtslos". Die meisten Lehrer lehnen das Umfragen zufolge ab.
Der Regierungschef stellte zudem ein System von fünf Warnstufen vor, mit denen in Zukunft die Situation in Großbritannien bewertet werden soll. Die Einstufung werde von der Höhe der Übertragungsrate des Virus abhängen, die nun etwas unter eins liege.
- Nachrichtenagentur dpa