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So viele Menschen starben in den Corona-Hochburgen Heinsberg und Tirschenreuth


Deutlich mehr Todesfälle
So viele Menschen starben in den Corona-Hochburgen


Aktualisiert am 30.04.2020Lesedauer: 4 Min.
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Nebel über dem Flüsschen Waldnaab in Tirschenreuth: Der Landkreis war im März besonders betroffen vom Coronavirus. Die Zahl der Sterbefälle lag dort auch deutlich über dem Schnitt.Vergrößern des Bildes
Nebel über dem Flüsschen Waldnaab in Tirschenreuth: Der Landkreis war im März besonders betroffen vom Coronavirus. Die Zahl der Sterbefälle lag dort auch deutlich über dem Schnitt. (Quelle: imago-images-bilder)

In von Covid-19

Wo sich das Coronavirus in Deutschland früh verbreitete, ist die Zahl der Todesfälle drastisch angestiegen und liegt nun deutlich über dem Durchschnittswert der vergangenen Jahre. Das zeigen vorläufige Zahlen der Kreisverwaltungen im bayerischen Tirschenreuth und im nordrhein-westfälischen Heinsberg sowie der Statistischen Landesämter, die t-online.de vorliegen. Demnach starben in beiden Landkreisen mehr Menschen als im März üblich. Besonders auffällig sind die Zahlen für Tirschenreuth.

Dort zählte der Landkreis auf Basis der Register in den Standesämtern der Kommunen für März insgesamt 146 Todesfälle, wie eine Anfrage von t-online.de ergab. Das sind rund 55 Prozent mehr Todesfälle als in einem durchschnittlichen März der vergangenen fünf Jahre. Im März werden mehr Sterbefälle registriert als in anderen Monaten. Bezogen auf den Durchschnitt aus 60 Monaten der vergangenen fünf Jahre wurden im März 2020 sogar fast 72 Prozent mehr Tote registriert.

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Ein Blick auf die absoluten Zahlen macht deutlich: Der März dieses Jahres sticht im Kreis Tirschenreuth sogar im Vergleich mit den Spitzenwerten der vergangenen Jahre deutlich hervor. Mit 146 Toten stellt er die Grippemonate des Jahres 2018 in den Schatten, als in den Monaten Januar, Februar und März jeweils 111, 109 und 107 Menschen starben. Mehr Tote wurden im Landkreis Tirschenreuth bis dato nur noch im Dezember 2019 gemeldet: Das waren damals 115 Fälle. Ein Zusammenhang der Covid-19-Pandemie mit dem aktuellen Spitzenwert liegt nahe, ist aber nicht belegbar, da die Daten keine Angaben zu Todesursachen enthalten.

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Fest steht jedoch: Im Monat März starben im Landkreis Tirschenreuth 52 Menschen mehr als in einem durchschnittlichen März der vergangenen fünf Jahre und 61 Menschen mehr als in einem durchschnittlichen Monat der vergangenen fünf Jahre. Gleichzeitig wurden insgesamt 60 Todesfälle durch Covid-19 offiziell bestätigt. Es gibt also guten Grund anzunehmen, dass die derzeitige Übersterblichkeit im Landkreis Tirschenreuth weitestgehend auf die Pandemie zurückzuführen sein könnte.

"Tirschenreuth zeigt heftigen Effekt"

Dieser Schluss scheint auch dem Leiter des Datenlabors für demographische Forschung am Max-Planck-Institut plausibel. Dmitri Jdanov sagte zu t-online.de: "Die Zahlen in Tirschenreuth überraschen mich nicht, auch in England sehen wir vergleichbare statistische Zunahmen in besonderen Wochen." Er nehme sogar eine etwas stärkere Zunahme als 55 Prozent an. So würden Sterbefälle in Deutschland oft noch verzögert Eingang in die Statistiken finden. "Tirschenreuth zeigt, dass Covid-19 einen heftigen Effekt in kleinen, stark betroffenen Regionen entfalten kann – und dass wir die Krankheit ernst nehmen sollten."

Hinweis: Todesfälle werden immer dort beurkundet und registriert, wo sie sich ereignen. Das heißt: Auch Ortsfremde, die beispielsweise in Krankenhäusern sterben, werden zunächst dort registriert. Die Daten der Standesämter werden anschließend in einem aufwendigen Prozess von den Landesämtern für Statistik bereinigt. In Zusammenarbeit mit den Standesämtern werden dann beispielsweise auch doppelt gemeldete Fälle aussortiert. Durch diese sogenannte "Plausibilisierung" der Daten ergeben sich regelmäßig Abweichungen von den vorläufigen Zahlen.

Ähnlich wie im Landkreis Tirschenreuth, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt, verhält sich die Lage im Landkreis Heinsberg. Dort wurde deutschlandweit der erste große Ausbruch der Infektionskrankheit registriert. Laut in der Tendenz übereinstimmenden Daten des Landesamts für Statistik NRW und des Landkreises Heinsberg wurden dort im März ebenfalls mehr Sterbefälle registriert als üblich. Je nach Datensatz erscheint eine Übersterblichkeit zwischen 10 und 19 Prozent im Verhältnis zu den Vergleichsmonaten der fünf Vorjahre möglich sowie eine von 28 bis 36 Prozent im Verhältnis zu durchschnittlichen Monaten.

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In absoluten Zahlen geht das Statistische Landesamt zwar derzeit noch von etwas weniger Toten als im Grippemonat März 2018 aus (2018: 333, 2020: 311), in dem bislang die meisten Toten der vergangenen fünf Jahre zu betrauern waren. Bislang stiegen jedoch durch die weitere Überprüfung durch das Landesamt die Zahlen der als verstorben Registrierten rückwirkend eher noch an. Auch der Landkreis Heinsberg geht derzeit von etwas mehr Toten als damals aus (März 2018: 280/März 2020: 287).

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Ein Zusammenhang des aktuellen Werts mit Covid-19 ist nicht belegt, aber naheliegend. In der Statistik des Landesamts finden sich im März 29 gestorbene Menschen mehr als in einem durchschnittlichen März der fünf Vorjahre und 68 Fälle mehr als in einem durchschnittlichen Monat der fünf Vorjahre. Den Daten des Landkreises zufolge waren es jeweils 45 und 75 mehr. Zeitgleich wurden offiziell 53 Corona-Tote im Landkreis bestätigt, was auch hier einen Zusammenhang mit der Pandemie plausibel erscheinen lässt.

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Zudem zeigt der Vergleich mit anderen europäischen Ländern, in denen die Epidemie schon länger wütet und Maßnahmen zur Eindämmung zu spät kamen: Auch dort starben wesentlich mehr Menschen als sonst zu dieser Jahreszeit üblich. Berechnungen des European Mortality Monitoring (EuroMomo) gehen von etwa 100.000 zusätzlichen Todesopfern zwischen 23. März und 19. April aus. EuroMomo erfasst die Übersterblichkeit in 24 europäischen Staaten und spielte bisher vor allem bei der Analyse von Grippewellen eine Rolle.

In Großbritannien Verdoppelung

Wie aufschlussreich ein Blick auf die Übersterblichkeit in Zeiten der Coronavirus-Pandemie sein kann, zeigen Analysen der "Financial Times" und der "New York Times": Demnach könnte die Covid-19 in Großbritannien statt knapp 20.000 rund 41.000 Menschenleben gekostet haben. In vielen weiteren Ländern der Welt werde die tatsächliche Opferzahl vermutlich ebenfalls dramatisch unterschätzt.

Auch Forscher Jdanov vom Max-Planck-Institut ist sicher, dass Covid-19 in Deutschland Todesfälle verursacht, die nicht auf den ersten Blick der Krankheit zuzuordnen seien – beispielsweise in Risikogruppen. "Nicht jeder wird aber auf das Coronavirus getestet." Hinzu kämen Fälle, in denen Patienten mit anderen schwerwiegenden Erkrankungen aufgrund der hohen Auslastung des Gesundheitssystems nicht so versorgt werden, wie man es sonst erwarten könnte. Auch diese Todesfälle seien dann Folgen der Pandemie. "Es ist wichtig, die Gesamtzahl der Sterbefälle zu betrachten, um die Mortalität der Pandemie tatsächlich komplett abschätzen zu können." Der Blick auf Tirschenreuth und Heinsberg sei dafür in Deutschland ein Anfang.

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