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Eric Wrede: Der Bestatter spricht über das Sterben in Zeiten der Corona-Krise


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Bestatter zur Corona-Krise
"Ich finde die aktuellen Regelungen sehr hart"

  • Melanie Muschong
InterviewVon Melanie Muschong

10.04.2020Lesedauer: 5 Min.
Sterben: In Zeiten der Corona-Krise hat der letzte Weg eine andere Bedeutung erzählt Bestatter Eric Wrede im Interview.Vergrößern des Bildes
Sterben: In Zeiten der Corona-Krise hat der letzte Weg eine andere Bedeutung erzählt Bestatter Eric Wrede im Interview. (Quelle: XX/Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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In der Corona-Krise ist der Abschied von Verstorbenen stark eingeschränkt. Ein Bestatter schildert seine Erfahrungen und weshalb er sich vielleicht auch mal absichtlich verzählt.

Großveranstaltungen wurden abgesagt, Schulen und Kindergärten geschlossen. Krankenhäuser haben Besuchsverbote ausgesprochen, um die Patienten zu schützen. Die Corona-Krise verändert vieles in Deutschland. Und das hat auch Auswirkungen auf den Beruf von Eric Wrede.

Der 39-Jährige war früher Musikmanager, arbeitet heute aber als Bestatter in Berlin. Im Interview erklärt er, wie sich für ihn die Treffen mit Trauernden verändert haben, was es mit ihnen macht, wenn sie sich nicht mehr richtig von ihren Liebsten verabschieden können und welchen Herausforderungen er sich durch die Kontaktbeschränkungen stellen muss.

t-online.de: Herr Wrede, was bereitet Ihnen mit Blick auf die Corona-Krise Sorgen?

Eric Wrede: Es ist fatal, dass die meisten Verstorbenen vor dem Tod keinen Besuch im Krankenhaus oder dem Altersheim bekommen durften – egal, woran man stirbt. Die Reaktionen der Hinterbliebenen auf diesen Umstand sind die größte Veränderung, mit der wir als Bestatter aktuell zurechtkommen müssen.

Wie begegnen Sie den Trauernden?

Sich nicht mehr von den Liebsten verabschieden zu können, traumatisiert viele Menschen zutiefst. Wenn ich drei Wochen nicht zu meiner Oma darf und sie dann verstirbt, ist das schrecklich. Die Oma ist alleine krank, sie verstirbt alleine. Das sind schlimme Gedanken. Das bei den Angehörigen aufzufangen, ist sehr schwierig.

Wie helfen Sie den Angehörigen?

Ich darf als Bestatter Verstorbene noch einmal zu ihnen nach Hause bringen, damit sich die Angehörigen verabschieden können. Das zu koordinieren, ist aufwendig. Zudem gibt es die Möglichkeit, dass wir Menschen bei uns auf dem Friedhof in der Kapelle noch einmal aufbahren, wenn sie nicht infektiös sind. Das klappt bisher ganz gut. Die Trauernden sind sehr rücksichtsvoll. Fast zu rücksichtsvoll. Dabei hat jeder Mensch das Recht darauf, sich zu verabschieden.

Was genau macht Trauernden in Deutschland aktuell noch zu schaffen?

Die Planung und Durchsetzung der Trauerfeier ist ein Problem. Hier in Berlin dürfen Trauernde bis zu zehn Menschen für die Trauerfeier auswählen. Doch wie soll man das anstellen, wenn viel mehr kommen wollen? Und von diesen zehn Personen muss man noch einmal den Bestatter und eine Person, die die Urne trägt, abziehen. Somit bleiben noch acht Plätze.

Haben Sie eine bessere Lösung?

Augenmaß ist in der aktuellen Situation wichtig. Natürlich kann ich nicht einhundert Menschen in einen kleinen Raum lassen, doch wenn ich einen großen Raum habe, in dem Sicherheitsabstände eingehalten werden, sollte es doch möglich sein, auch Trauerfeiern in einem größeren Kontext durchführen zu können. Aktuell setzen wir, wo es denn geht, zudem auf digitale Lösungen.

Was meinen Sie?

Ich als Bestatter kann Trauerfeiern digital übertragen. Wir hatten gerade einen Opa bei uns, der zur Risikogruppe zählt, der die Rede für die Enkelin halten wollte, die relativ jung verstorben ist. Wir haben ihn per Skype und Videobeamer dazugeschaltet. Das ist für viele erst einmal absurd, aber wir versuchen, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen.

Hat sich Ihr Beruf als Bestatter durch die Corona-Krise verändert?

Das Bestattungsrecht in den einzelnen Bundesländern ist sehr unterschiedlich. Auch beim Umgang mit Corona-Verstorbenen. In einigen Gemeinden gibt es gar keine Trauerfeiern mehr, in Berlin hingegen können noch zehn Menschen zu einer Trauerfeier kommen. Doch die Corona-Verstorbenen machen nicht den Großteil unserer Arbeit aus.

Was macht den Großteil Ihrer Arbeit aus?

In Deutschland sterben pro Tag fast 3.000 Menschen – ohne die Corona-Toten mitzuzählen. Diese Arbeit wollen wir weiter bewältigen.

Was passiert, wenn bei Ihnen in Berlin nicht zehn sondern elf Personen zu einer Trauerfeier kommen?

Ich möchte ehrlich sein: Wenn Familienangehörige mir sagen würden, dass sie schon stark ausgesiebt haben und es weiterhin eine Person zu viel wäre, würde ich schauen, ob ich mich im schlimmsten Fall auf dem Friedhof verzähle oder würde eine andere Lösung finden. Ich hoffe auch auf gutes Wetter, sodass wir Trauerfeiern unter freiem Himmel stattfinden lassen können. Da können Sicherheitsabstände eingehalten werden. Ich finde die aktuellen Regelungen in Deutschland sehr hart. Mich stört auch, dass viele Friedhöfe bundesweit Urnenbestattungen ausgesetzt haben bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Krise vorbei ist. Das finde ich irritierend.

Bestatten diese Friedhöfe aktuell gar nicht? Was passiert mit den Verstorbenen?

Wir lagern die Urnen bei uns im Safe, solange dort Platz ist, danach müssen auch wir uns etwas überlegen.

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Führen Sie selbst noch Urnenbestattungen durch?

Wir probieren es, doch nicht jeder Friedhof handelt gleich. Dabei brauchen uns aktuell viele Menschen. Denn wenn ich mich schon nicht im Krankenhaus von meinen Liebsten verabschieden kann, dann doch zumindest auf dem Friedhof.

Die Deutschen können ihre Trauer aktuell nicht so ausleben, wie es sonst der Fall ist. Welche Auswirkungen hat das auf diese Personen?

Wichtig ist, dass wir jetzt mit den Menschen in Deutschland sprechen, die vor 1945 geboren sind. Denn viele von ihnen haben die Erfahrungen gesammelt, die nun auf eine andere Generation zukommt: Die Erfahrung, Menschen zu verlieren und sich nicht richtig verabschieden zu können. Doch gleichzeitig ist das auch die Generation, die am schlechtesten mit dem Tod umgeht, weil vieles weggeschoben und nicht etwa aufgearbeitet wurde.

Könnte nun Ähnliches mit der aktuellen Generation passieren?

Die Gefahr ist groß, dass nun wieder ein ganzer Schwung von Menschen traumatisierende Erlebnisse haben wird. Im Monat sterben knapp 90.000 Menschen in Deutschland. Es ist schlimm für die Hinterbliebenen, die sich nicht verabschieden können. Doch wie schlimm muss es erst für einen Menschen sein, allein im Krankenhaus zu liegen und einsam zu sterben. Das ist die Hölle.

Wie könnte man die aktuelle Situation verbessern?

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Bei einer Person, die bereits im Sterbeprozess ist, ist die Regelung des Besuchsverbots absurd. Wenn ein Hospiz beispielsweise sagt, dass ein Mensch in drei bis vier Tagen versterben wird, muss man als Angehöriger denjenigen besuchen dürfen.

Doch aktuell ist das Pflegepersonal häufig der einzige Sterbebegleiter.

Gutes Klinik- und Hospizpersonal ist auf solch eine Situation vorbereitet. Auch sonst sterben dort Menschen. Mit dem Unterschied, dass aktuell die Krankenschwester häufig der einzige verbliebene soziale Kontakt für Versterbende ist.

Merken Sie als Bestatter weitere Unterschiede in der aktuellen Zeit?

Ich spüre, dass viele Menschen, die selbst zwischen 40 und 50 Jahre alt sind, bewusster wahrnehmen, wie schnell man sterben könnte, wie schnell ihre Eltern sterben könnten. Es gibt vermehrt Menschen, die sich bei mir schlau machen, was sie tun sollen, wenn Menschen aus ihrem Umfeld sterben.

In Krankenhäusern und Pflegeheimen kommt es aktuell zur Knappheit von Hygieneartikeln. Auch Sie benötigen diese Artikel. Haben Sie die gleichen Probleme?

Wir haben vorgesorgt und deshalb viel auf Lager. Und zudem habe ich noch Material beim Tätowierbedarf eingekauft. Die arbeiten mit sehr ähnlichen Materialien und dürfen ihren Job aktuell nicht ausüben.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview
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