"Mir wird schlecht dabei" Virologe Drosten denkt über Rückzug aus Medien nach
Seine sachlichen Auftritte in der Öffentlichkeit haben dem Virologen Christian Drosten Wertschätzung über die Wissenschaft hinaus gebracht. Doch zunehmend fühlt er sich und seine Kollegen in ein Zerrbild gepresst.
Der Virologe Christian Drosten denkt darüber nach, sich aus den Medien zurückzuziehen. Der Chef-Virologie der Berliner Charité berichtete in seinem Coronavirus-Podcast beim NDR, er sei in einer E-Mail vom Sonntag persönlich für den Selbstmord des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer (CDU) verantwortlich gemacht worden. "Wenn solche Dinge passieren, dann ist das für mich ein Signal, dass wir über eine Grenze von Vernunft schon lange hinaus sind", sagte Drosten.
Der Virologe kritisierte, in den Medien werde wiederholt das Zerrbild des Entscheidung treffenden Wissenschaftlers gezeichnet, obwohl Politik wie auch Wissenschaft immer wieder klarstellten, dass dem nicht so sei. Auch würden er und andere Virologen in einigen Zeitungen inzwischen als Karikaturen dargestellt. "Ich sehe mich selber als Comic-Figur gezeichnet, und mir wird schlecht dabei."
Er habe damit langsam wirklich ein Problem, sagte Drosten. Deshalb habe er es in der vergangenen Wochen auch vermieden, Interviews zu geben oder sich im Fernsehen zu zeigen. Aber auch die Wissenschaft bekomme ein Problem, wenn das Bild des Forschers mit Projektionen belegt werde, die gar nicht existieren, oder ihnen Dinge angehängt würden, die so nicht stimmten. "Wir sind inzwischen an einem Punkt, an dem die Wissenschaft demnächst den geordneten Rückzug antreten muss, wenn das nicht aufhört."
Christian Drosten (48) leitet das Institut für Virologie an der Charité in Berlin und berät die Bundesregierung in der Corona-Pandemie. 2003 war er einer der Mit-Entdecker des Sars-Coronavirus – eines engen Verwandten des aktuell pandemischen Erregers Sars-CoV-2 (Coronavirus). Seit Ende Februar äußert er sich jeden Werktag ausführlich im Podcast "Coronavirus-Update" im NDR zu neuesten Entwicklungen und Fragen aus dem Alltag.
- Podcast "Coronavirus-Update" vom 30. März, NDR
- mit Nachrichtenagentur dpa