Das bedeutet "strafunmündig" Zwölfjährige erstochen – was den Mädchen droht
Die zwölfjährige Luise aus Freudenberg wurde offenbar von zwei Mädchen getötet, die noch keine 14 Jahre alt sind. Sie sind also strafunmündig. Was das bedeutet.
"Fassungslos – sprachlos – hilflos": Drei Worte stehen auf einer Seite im Kondolenzbuch für die getötete 12-jährige Luise in der evangelischen Kirche Freudenberg. Sie drücken aus, was viele Menschen in der kleinen Stadt bei Siegen in Nordrhein-Westfalen gerade fühlen.
Seit dem Wochenende trauert die Stadt um die 12-jährige Schülerin, die nach dem Besuch bei einer Freundin auf dem Heimweg in einem Waldstück getötet wurde. Am Dienstag nun die Nachricht: Die mutmaßlichen Täterinnen sind selbst noch Kinder. Ein 12- und ein 13-jähriges Mädchen haben gestanden, Luise mit zahlreichen Messerstichen getötet zu haben.
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Täterinnen sind strafunmündig
Für die Ermittelnden ergibt sich durch das Alter der Täterinnen ein Problem. Sie sind unter 14 Jahre alt und damit strafunmündig. "Das bedeutet, dass Kinder schuldunfähig sind", erklärt der auf Jugendstrafrecht spezialisierte Rechtsanwalt Daniel Brunkhorst im Gespräch mit t-online.
Laut Brunkhorst wird es aufgrund der Strafunmündigkeit kein Verfahren gegen die Täterinnen geben, dessen Ziel die Bestrafung ist. "Da wird jetzt das Familiengericht zuständig sein", erklärt der Jurist. Aktuell befinden sich die beiden Mädchen laut Mario Mannweiler, dem Leiter der Staatsanwaltschaft Koblenz, in einem "geschützten Raum in der Obhut des Jugendamtes".
Kinder könnten aus den Familien genommen werden
"Erst mal wird vermutlich untersucht, ob die Kinder überhaupt in den Familien bleiben können oder ob es Hinweise darauf gibt, dass die Tat durch Erlebnisse innerhalb ihrer Familien bedingt wurde", erklärt Daniel Brunkhorst.
Der Satz "Eltern haften für ihre Kinder" gelte in diesem Fall nicht, erklärt der Jurist. "Außer wenn festgestellt wird, dass ein Familienmitglied die Kinder zu der Tat angestiftet hat." Allerdings müsse das Familiengericht nun prüfen, ob die Tat innerhalb der Familien der Täterinnen entsprechend aufgearbeitet werden könne. "Sollte das nicht der Fall sein, kann das Familiengericht die Kinder aus den Familien entfernen", sagt Brunkhorst.
Maßnahmen sollen Kinder unterstützen
Bei solchen Maßnahmen geht es nicht um Strafe, sondern um Unterstützung. Welche Maßnahmen ergriffen werden, hängt stark vom Einzelfall ab. Vielleicht braucht das Kind eine psychiatrische Behandlung, unter Umständen auch in einer geschlossenen Einrichtung.
Möglich ist auch, dass die Eltern Hilfe bei der Erziehung bekommen – oder dass das Kind eine Zeit lang in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht wird. Die rechtlichen Hürden für eine Trennung von den Eltern gegen deren Willen sind aber hoch.
Kinder unter 14 sind selten an Gewaltkriminalität beteiligt
Generell werden Kinder unter 14 Jahren sehr selten als Tatverdächtige im Bereich Gewaltkriminalität registriert. Darunter fällt etwa gefährliche und schwere Körperverletzung, sexueller Missbrauch, Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag und Mord. 2021 ist die Zahl der tatverdächtigen Kinder in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr angestiegen (von 7.103 auf 7.477).
Verglichen mit 2019 gab es 2021 jedoch einen Rückgang von rund zehn Prozent.
Betrachtet man nur Straftaten gegen das Leben über einen Zeitraum von 20 Jahren, schwankt die Anzahl der tatverdächtigen Kinder jährlich zwischen 4 und 21, wie aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervorgeht. 2021 waren es 19 tatverdächtige Kinder bei Delikten gegen das Leben, darunter vier Mädchen. Zum Vergleich: Laut Statistischem Bundesamt lebten in diesem Jahr rund 8,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland.
Zuletzt hat ein Mord im niedersächsischen Salzgitter Aufsehen erregt, an dem ein Kind beteiligt war: Ein 14-Jähriger und ein nicht strafmündiger 13-Jähriger erstickten im Juni 2022 eine 15-jährige Jugendliche. 2016 schlug ein 13-Jähriger in Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt) einen gleichaltrigen Jungen mehrfach so heftig gegen den Kopf, dass dieser starb.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP