Recherche Faktencheck: Was es mit LSD-Microdosing auf sich hat
Besser drauf, konzentrierter, kreativer - und das alles ohne Rausch und Risiko? An den Konsum von LSD in Minimal-Dosen gibt es viele Erwartungen. Doch an Belegen mangelt es. Ein Faktencheck.
Es braucht nicht viel LSD, um das psychische Erleben drastisch zu verändern. So beschreibt es Volker Auwärter. Im Vergleich zu vielen anderen Substanzen gehe es dabei um kleinste Mengen: "Ab 50, 100 Mikrogramm spricht man von einer psychedelischen Dosis", erklärt der Laborleiter der Forensischen Toxikologie am Universitätsklinikum Freiburg. Nicht ohne Grund bezeichnet die zuständige europäische Beobachtungsstelle das verbotene Halluzinogen als eine der "wirkungsstärksten bekannten Drogen überhaupt".
Doch was passiert, wenn man die Dosis des Psychedelikums deutlich verringert - auf etwa zehn Mikrogramm? Ein Faktencheck zu diesem sogenannten Microdosing.
Behauptung: LSD in Mini-Mengen ist ungefährlich.
Bewertung: Mögliche Nebenwirkungen sind bisher nicht absehbar.
Fakten: Wer Microdosing betreibe, nutze üblicherweise zwar nur ein Zehntel oder Zwanzigstel einer für einen Trip typischen Dosis, also etwa zehn Mikrogramm LSD, sagt der stellvertretende Oberarzt der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, Felix Müller. Doch anders als beim Konsum von Psychedelika in hohen Dosen sei es beim Microdosing auch üblich, nach wenigen Tagen erneut eine geringe Dosis einzunehmen. Müller ist seit ungefähr zehn Jahren in der LSD-Forschung tätig.
Auch Übersichtsstudien zu Microdosing gehen von einer regelmäßigen Einnahme geringer Mengen psychedelischer Substanzen etwa alle drei Tage über einen längeren Zeitraum aus.
Was bedeutet das für mögliche Risiken?
Für LSD gilt grundsätzlich: Eine Gefahr, abhängig zu werden, sieht die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) nicht. Vergiftungen im Sinne von toxischen Schädigungen von Organen muss man laut Auwärter auch bei höheren Dosen nicht befürchten. Risiken bestünden eher im psychischen Bereich, nicht für die körperliche Gesundheit, sagt Müller.
Ob das beim LSD-Microdosing auch so ist, stehe allerdings nicht endgültig fest: "Das ist ein Phänomen, das gibt es noch nicht so lange", erklärt der Arzt. "Und es ist durchaus denkbar, dass das bei so repetitiver Anwendung noch mal anders aussieht." Pharmakologen hätten etwa einst vermutet, dass möglicherweise Veränderungen an den Herzklappen auftreten könnten. Denn das sei vor einigen Jahren nach der Einnahme damals erhältlicher Medikamente vorgekommen, die an dem gleichen Rezeptor wirkten.
Auch der Leiter der Abteilung Klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel, Matthias Liechti, betont: Nebenwirkungen auf die Herzklappenfunktion sollten bei einer regelmäßigen und längerfristigen Einnahme über Monate als Risiken in Studien geprüft werden. Eine aktuelle Übersichtsarbeit von einem Forschungsteam rund um Robin Murphy von der University of Auckland kommt mit Blick auf die Sicherheit von LSD-Microdosing im Fachblatt "Biological Psychiatry" zu dem Schluss, dass bisherige Studien keine schwereren Nebenwirkungen feststellten.
Doch Müller weist darauf hin, dass der zeitliche Rahmen dieser Studien überschaubar sei und es sich nur um vereinzelte Untersuchungen handle. Der Arzt wundert sich, dass sich Menschen offenbar "relativ blauäugig" auf Microdosing einließen. Letztlich sei das ein wenig so, als wenn man ein Medikament nehmen würde, das nicht auf dem Markt, sondern noch in den Studien sei - und bei dem man die Nebenwirkungen nicht wirklich abschätzen könne.
Welche weiteren Risiken gibt es?
Hinzukommt die Unsicherheit, welche Dosis man tatsächlich konsumiert. "Ob bei Microdosing oder der "klassischen" Konsumform, in beiden Fällen ist nie wirklich bekannt, wie viel Wirkstoff enthalten ist", erklärt Müller. Die einzige Möglichkeit, dies zu klären, sei das Drug-Checking bei Anlaufstellen der Suchtprävention, die die Substanzen auf die Wirkstoffmenge testen könnten.
"LSD wird meistens auf Plotterpapier geträufelt verkauft - wie Löschpapier -, das in kleine Rechtecke geschnitten ist", führt der Experte aus. Ein Rechteck enthalte typischerweise 100 oder 200 Mikrogramm. Beim Microdosing würden diese Papierchen dann in kleinere Stücke geschnitten. Diese Form des Dosierens sei "aber natürlich nicht exakt" - ebenso wenig wie bei einer weiteren Verkaufsform: LSD in Wasser oder Alkohol gelöst, das zum Beispiel 100 Mikrogramm pro Tropfen enthalte und für Microdosing weiter verdünnt werde.
Auf körperlicher Ebene hält Müller das nicht für gefährlich - es brauche "extrem hohe Dosierungen", bis LSD da problematisch werde. Schwieriger seien die psychischen Effekte, die bei einer höheren Dosis LSD stärker seien und länger anhielten. "Beim Microdosing ist es natürlich möglich, hier unter Umständen deutlich "daneben" zu liegen", so Müller.
Behauptung: LSD-Microdosing macht konzentrierter und kreativer.
Bewertung: Über Studienlage nicht belegt.
Fakten: Die Einnahme von geringen Dosen LSD macht konzentrierter, kreativer und hilft gegen Depressionen und Angststörungen? Dafür mangelt es bislang an Belegen. "Zu LSD-Microdosing gibt es kaum Daten zur Wirkung, da kontrollierte Studien noch weitgehend fehlen", sagt Liechti. Unmittelbare Effekte seien ähnlich wie bei hohen Dosen, aber geringer. Es gibt demnach Hinweise, dass sich das Wohlbefinden von Personen, die geringe Dosen von LSD einnehmen, im Vergleich zu Personen, die ein Placebo erhalten, verbessert. "Aber nur am Behandlungstag, nicht danach", betont Liechti.
Inwiefern Microdosing gegen Depressionen und Angst hilft, dazu lässt sich dem Experten zufolge mangels Studienresultaten noch nichts sagen. Auf die Kreativität wirke sich LSD in geringer Dosis nicht aus, heißt es in der Übersichtsstudie der Gruppe um Murphy. Behauptungen von Konsumentinnen und Konsumenten, ihre Stimmung und kognitiven Fähigkeiten würden sich verbessern, werden durch bisherige Untersuchungen demnach nur begrenzt gestützt. Anhaltende Effekte auf Stimmung und kognitive Fähigkeiten zeigten sich bei wiederholter Einnahme von geringen Mengen LSD in keiner der betrachteten Studien.
- Nachrichtenagentur dpa